Paul gegen Paula: Warum Künstlerfilme oft so nerven
Das Jahr endet mit einer Künstlerfilmschwemme – nach Schiele und Bosch kommen jetzt C´ezanne und Modersohn-Becker. Der Vergleich tut nicht gut.
Es ist nicht so, dass man sich als Kunsthistorikerin wahnsinnig viel von Künstlerfilmen erwartet. Meist sind sie maue Kompromisse, die immer zugunsten kommerzieller Interessen ausgehen, also zugunsten einer breitenwirksamen Geschichte, zusammengeschustert aus überliefert Autobiografischem und klischeehaftem Bohemien-´Feeling der jeweiligen Zeit.
Das Werk des Künstlers bzw. der Künstlerin spielt dabei regelmäßig eine untergeordnete Rolle, verschwindet formal hinter trägen, wohl poetisch gemeinten Konfektionskamerafahrten und inhaltlich hinter ausgesucht tragischen Schicksalen a` la van Gogh oder Camille Claudel. Die Drehbücher suhlen sich in Künstlerarmut, unglücklichen Lieben, dem Kampf um Farben, Leinwände und den Eingang in die Ewigkeit, der dann im Abspann natürlich nicht fehlen darf, wo man dezent auf die Moral der Geschicht’, nämlich das wahrscheinliche Versagen des eigenen Geschmacksurteils, gestoßen wird – also auf die Verkennung des Genies zu seinen Lebzeiten.
Dann gibt es noch die in letzter Zeit interessanterweise ebenfalls kinotaug- lich gewordenen Kunstdokus. Das begann 2014 mit bis zum Exzess elegischen Museumsfilmen wie jenen über die National Gallery in London oder das Kunsthistorische Museum, und ging heuer weiter mit Personenkult, mit Hieronymus Bosch – es war immerhin sein Jahr –, und wird nächstes Frühjahr fortgesetzt mit Botticelli, genauer gesagt dem „Botticelli Inferno“, das am 27. Jänner in Wien anläuft. Es ist sozusagen die wissenschaftliche Zugabe zur Verfilmung von Dan Browns „Inferno“, das sich ebenfalls fatal um Botticellis „Höllentrichter“-Zeichnung dreht. Doku-Regisseur Ralph Loop hat wirklich das Original vor die Kamera bekommen, das in den Klimakammern des Vatikans – Türen langsam auf und zu, immer wieder Schlüssel, die sich in Schlössern drehen, huhu! – aufbewahrt wird. Es folgt die in diesen Dokus übliche Kamerabegleitung des Werks zu kunstforensischen Untersuchungen – hey, Abenteuer! –, in diesem Fall wird das Pergament allerdings nur gescannt, aber das dafür sehr genau. Viel Platz für einen Botticelli-Freak. Dann wechseln sich Interviews mit mehr oder weniger soignierten Fachleuten ab. Am Ende weiß man die Soignierten zu schätzen, denn hier kriegt ein total überdrehter britischer Botticelli-Freak aus Florenz überraschend viel Platz, der Leute auf der Straße nach ihrer persönlichen Hölle befragt – who cares? Dafür wird man mit einer sehr coolen, jungen amerikanischen BoschExpertin aus dem Londoner Courtauld Institute zumindest temperamentsmäßig wieder versöhnt.
Alles schön und gut und wahnsinnig langweilig, man fragt sich, warum die Leute nicht lieber zu Hause im Bett in Eigenregie Fachliteratur bzw. Ausstellungskataloge lesen. Bei Bosch hätte es gerade heuer auch genug aktuelle gegeben. Dem Botticelli-Film ist zugute zu halten, dass er wenigstens eine weniger bekannte Seite des sonst auf Venusmuscheln fixierten RenaissanceStars aufzeigt, „die dunkle Seite“, wie es so schön heißt im Pressetext.
Es ist jedenfalls interessant: Dem Besucherboom der großen Ausstellungen in den vergangenen zehn Jahren folgt der Kinoboom der biederen, braven Kunstfilme. Man erinnere sich nur mit Schaudern an Rau´l Ruiz’ Klimt-Orgie von 2006 mit John Malkovich in der Titelrolle. Dabei war die delirierende Kitschorgie vergleichsweise stilistisch ambitioniert. Fragt man als Kunst- den Filmkritiker, etwa den der „Presse“, Andrey Arnold, erfährt man, was einem schwante: „Die Künstlerfilme der vergangenen Jahre waren vor allem europäische Produktionen für den europäi-
Das Werk des Künstlers verschwindet formal hinter »poetischen« Kamerafahrten. Warum liest man nicht in Eigenregie die heute überall erhältliche Fachliteratur?
schen Arthaus- und Programmkinomarkt, dessen Publikum inzwischen überwiegend alt und bildungsbürgerlich ist, das heißt: Die Schnittmenge zwischen der Kernklientel dieser Kinos und jener der großen Museen wird