AKTUELLE FILME
immer größer.“Unabhängig davon gebe es anscheinend auch ein allgemeines Bedürfnis nach „wahren“Inspirations- und Emanzipationsgeschichten, so Arnold, „für die sich Künstler- bzw. Sportler- und Wissenschaftlerbiografien gut eignen“. So weit, so gut, wäre da nicht die konventionelle Machart, die im Gegensatz zu den vielen avancierten Künstlerfilmen der Filmgeschichte steht, meint Arnold – etwa Andrei Tarkovskys Porträt des Ikonenmalers „Andrej Rubljow“(1966), Maurice Pialats letzte Tage von „Van Gogh“(1991) oder Peter Watkins’ „Edvard Munch“(1974). Paul sticht Paula. Was aber gerade im Paarlauf der jetzt rund um Weihnachten parallel anlaufenden Bio-Pics von Paula Modersohn-Becker und Paul Ce-´ zanne ersichtlich wird, ist doppelt ärgerlich: Die bahnbrechende frühexpressionistische Malerin wird von Regisseur Christian Schwochow als Pipilotti-Naturmädchen porträtiert, das naseweis durch die grünen Worpsweder Felder und die darin hausende eher liebenswert schräge als machistische Männerwelt hopst.
Der bahnbrechende frühexpressionistische Maler (Guillaume Gallienne) hingegen darf in Regie von Daniele` Thompson fast zwei Stunden lang in dunklen Bildern tief blicken und finster sinnieren. Über die Unterschiede von Kunst und Literatur, über Erwartungen und Ächtungen, das Künstlerleben und seine schwierige Freundschaft mit E´mile Zola (Guillaume Canet), der als Ich-Erzähler zumindest im Titel gemeint ist: „Mein Leben mit Cezanne“.´ Wehe, man denke dabei an Hortense,
„Egon Schiele − Tod und Mädchen“,
Regie Dieter Berner; läuft schon im Kino.
„Paula – Mein Leben soll ein Fest sein“,
Regie Christian Schwochow; seit Donnerstag.
„Mein Leben mit C´ezanne“,
Regie Dani`ele Thompson; ab 23. Dezember. die Kindesmutter des spröden Malers. Die Frauen, der Sex, das kommt eher nebenbei vor, wirkt aber trotzdem nicht nebensächlich, man merkt immer – es ist kompliziert.
Die Männer bekommen bei »Paula« mehr Tiefe als die bahnbrechende Künstlerin.
Bei „Paula“aber, dargestellt von der in „Feuchtgebiete“erprobten jungen Carla Juri, scheint alles ganz leicht, geht alles dem Klischee nach, vor allem wird keine Sexszene, beginnend mit der Entjungferung, ausgelassen. Die Männerwelt spielt die Hauptrolle, der malende Mann Modersohn, der seine Frau immer so masochistisch unterstützte und sie anders als alle anderen immer schätzte, hat am Ende mehr Charaktertiefe als dieses aufmüpfige Mädchen, das mit 31 an einer postnatalen Embolie verstarb. Selbst für den Moment vor ihrem ersten Cezanne-´ Bild, das „über sie kam wie ein Gewitter“, wie sie schrieb, muss sie einem sie begleitenden Pariser Lover ein „Danke“hauchen, obwohl sie eigentlich mit ihrer Freundin, der Bildhauerin Clara Westhoff, unterwegs war. Eine feministische Ikone. Auch das Foto, das Modersohn-Becker als Vorlage für eine Ikone der feministischen Kunst benutzte, musste natürlich der Lover im Liebestaumel geschossen haben. Vermutlich war es ihre Schwester. Was doch einen wesentlichen Unterschied bedeutet für das erste von einer Frau gemalte Aktselbstporträt, noch dazu fiktiv schwanger. Aber „Paula“, wie sie im Titel gleich mit Vornamen genannt wird (im Gegensatz zu „Cezanne“),´ musste sich dem Drehbuch beugen. Ihr ohnehin so schmählich kurzes Leben scheint noch zu lang gewesen zu sein für diesen eigentlich skandalösen Film. „Wie schade“, um ihre überlieferten letzten Worte zu zitieren.
Gibt es Hoffnung? Im Frühjahr kommt ein etwas anderer Künstlerfilm ins Kino. Der „Happy Film“zur „Happy“-Ausstellung von und mit Grafikdesigner Stefan Sagmeister. Außerdem sollte 2017 „Maudie“, ein Bio-Pic über Maud Lewis, anlaufen, sozusagen die weibliche und kanadische Version eines Gottfried Kumpf. Hollywood ließ sich für die arthritische Volkskünstlerin trotzdem nicht lumpen, es spielen Sally Hawkins und Ethan Hawke.