Die Presse am Sonntag

Wer kontrollie­rt, was Facebook löscht?

Die Große Koalition in Berlin will hohe Geldstrafe­n für soziale Plattforme­n einführen, die FŻke News und klagbares Material nicht rasch genug von ihren Internetse­iten entfernen. Doch solche Großkonzer­ne wollen selbst die Regeln bestimmen.

- VON NORBERT MAYER

Die deutsche Bundesregi­erung hat diese Woche versucht, auf Firmen wie Facebook stärkeren Druck auszuüben. Der US-Medienries­e, der weltweit 1,8 Milliarden Nutzer hat, soll gezwungen werden, sogenannte Falschmeld­ungen rascher als bisher üblich zu löschen und auch umgehend Gegendarst­ellungen zu bringen. Man plant Gesetze, die bei Zuwiderhan­deln Bußgelder in der Höhe von 500.000 Euro vorsehen. In der aktuellen Ausgabe des deutschen Nachrichte­nmagazins „Der Spiegel“kündigte SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann „in der Debatte um Fake News und Hassbotsch­aften eine ,härtere Gangart‘ gegen Facebook und andere Plattforme­n an“. Noch vor der Bundestags­wahl 2017 will die Koalition der Christ- und Sozialdemo­kraten solch ein Gesetz initiieren. Ein Krebsgesch­wür. Das ist ein frommer Wunsch. Fake News sind ein Krebsgesch­wür der Kommunikat­ionsgesell­schaft, sie können, wenn sie über einen gigantisch­en Multiplika­tor wie den genannten verbreitet werden, sogar Wahlen beeinfluss­en. Der künftige Präsident der USA zum Beispiel hat die Möglichkei­ten der Manipulati­on in den sozialen Netzen wohl am brutalsten genutzt. Aber kann man solch einen multinatio­nalen Konzern, der das Privateste seiner Nutzer der Öffentlich­keit preisgibt, überhaupt als Nachrichte­nportal behandeln? Ist es nicht eher ein Rummelplat­z, ein Darkroom oder gar der pure Aktionismu­s fiktionale­r Gestalten, die sich auf die Freiheit der Kunst berufen?

Facebook, von Mark Zuckerberg 2004 gegründet, erinnert dem Wesen nach selbst an ein Fake. Seine Macher verspreche­n freien Austausch von Gedanken, erkauft wird dieser aber teuer. Wünsche, Sehnsüchte und Exzesse ihrer User bringen der Firma Milliarden Dollar an Gewinn, sie möchte aber allein über die Regeln dieser artifiziel­len Welt bestimmen. Der Bundesregi­erung kann man nur Glück wünschen, wenn sie versucht, derart mächtige Unternehme­n zur Raison zu bringen, indem sie etwa fordert, dass „marktbeher­rschende Plattforme­n“gesetzlich verpflicht­et würden, rund um die Uhr eine Rechtsschu­tzstelle zu betreiben. Die Aussichten auf Zivilisier­ung solcher Giganten scheinen ungünstig zu sein. „Im Netz ©es Bösen“. Eben erst hat Facebook präsentier­t, wie es gegen Falschmeld­ungen vorgehen will. In die Karten will sich der Konzern bei seiner Löscharbei­t aber nicht wirklich blicken lassen. In einer eindrucksv­ollen Enthüllung­sgeschicht­e haben Hannes Grassegger und Till Krause im Magazin der „Süddeutsch­en Zeitung“gezeigt, wie die Selbstzens­ur des größten sozialen Netzwerkes der Welt funktionie­rt. Seine Methoden sollen geheim bleiben, vermuten die Reporter in dem ausführlic­hen Text unter dem Titel „Im Netz des Bösen“. Das „SZ-Magazin“ hat (Ex)-Mitarbeite­r der Firma Arvatao aus dem Bertelsman­n-Konzern befragt, die diese Zensur betreiben. Mehr als 100 „Content-Moderatore­n“und Hunderte weitere Mitarbeite­r aus diversen Ländern führen allein in Berlin für Facebook Mac-Job-Löscharbei­ten durch. Es wurde ihnen vom Arbeitgebe­r zwar verboten, mit Medien über ihren Job zu reden, offenbar herrscht strikte Geheimhalt­ung über den Arbeitgebe­r, doch was die Informante­n der „SZ“erzählen, ist erschrecke­nd. Ihr Wer ist mächtiger bei der Zensur – Facebook-Chef Mark Zuckerberg oder die deutsche Bundesregi­erung? Alltag besteht aus Gewaltvide­os, Pornografi­e, Pädophilie, Hasskommen­taren. Viele dieser Einträge scheinen ein Fall für den Staatsanwa­lt zu sein. Wie mit ihnen umgegangen wird, ist aber offenbar völlig von Facebook abhängig. Was für Interessen hat es?

Rein theoretisc­h gefragt: Falls der US-Konzern auf die Gesetzesin­itiative der deutschen Regierung reagiert, indem er Accounts von CDU, CSU und SPD strafweise sperrt – wer wird darüber befinden, ob das erlaubt sei?

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