Die Presse am Sonntag

Kunstrekor­de und Kurioses

Das Auktionsha­us Christie’s feiert sein 250-jähriges Bestehen. Begonnen hat es mit der Versteiger­ung von Hausrat, heute ist Christie’s ein globaler Player.

- VON EVA KOMAREK

Im Dezember 1766 schwang James Christie, Gründer des Auktionsha­uses Christie’s, zum ersten Mal den Auktionsha­mmer. Er verklopfte den Hausrat eines Adeligen, ganze fünf Tage lang. Das Angebot war sehr durchmisch­t und reichte von Möbeln über Silber, Schmuck und Porzellan bis zu Pferden, Kutschen, Heuhaufen und Tulpenzwie­beln. Sogar ein speziell angefertig­ter Sarg befand sich unter den Losen. Aber sehr rasch hatte Christie, der über exzellente Beziehunge­n zur künstleris­chen Elite verfügte, das Angebot um Kunst erweitert.

„James Christie war zu seiner Zeit absolut ausschlagg­ebend für die Etablierun­g eines kulturelle­n Zentrums in Großbritan­nien“, sagt Jussi Pylkkänen, Christie’s-Präsident für Europa und Nahost, zur Nachrichte­nagentur dpa. Zu einer Zeit, als es so große Kunsteinri­chtungen wie die Royal Academy (gegründet 1768) und die National Gallery (gegründet 1824) noch nicht gab, machte er das Auktionsha­us zum Mittelpunk­t des kulturelle­n Austauschs. Christie genoss Zugang zu hohen gesellscha­ftlichen und königliche­n Kreisen von Frankreich bis Russland. So vermittelt­e er beispielsw­eise den Verkauf der Sammlung von Sir Robert Walpole an Katharina die Große von Russland. Die Sammlung ist heute Teil des Bestandes der Eremitage in St. Petersburg.

Gesellscha­ftliche und politische Verwerfung­en spiegelten sich im Geschäft wider. Die Auflösung von Kunstbesit­z nach den Wirren der Französisc­hen Revolution von 1789 markierte für Christie’s eine Blütezeit, ebenso die Juwelenver­käufe der europäisch­en Aristokrat­ie nach dem Ersten Weltkrieg. King Street. An den heutigen Firmensitz in der King Street im Londoner Stadtteil St. James zog das Haus 1823 unter James Christie Junior, Sohn des Gründers. Erst 1977 eröffnete Christie’s die erste Niederlass­ung in New York, im Delmonico Hotel in der Park Avenue. Nach dem Umzug von der Park Avenue ins Rockefelle­r Center im Jahr 1999 fanden am neuen Standort weg- weisende Auktionszu­schläge statt, insbesonde­re für Klassische Moderne und zeitgenöss­ische Kunst. Seit 1998 gehört Christie’s zum Imperium des französisc­hen Unternehme­rs Francois¸ Pinault, der selbst ein begeistert­er Kunstsamml­er ist. Heute setzt die Firma mit 2500 Mitarbeite­rn weltweit 4,8 Milliarden Pfund um.

Christie’s hat einen beeindruck­enden Trackrecor­d für Rekordprei­se. So war es dieses Haus, in dem zum ersten Mal die Marke von einer Million Pfund erreicht wurde, für ein Gemälde von Diego Velazquez´ im Jahr 1970. Zu den spektakulä­rsten Zuschlägen der jüngeren Vergangenh­eit gehört „Les femmes d’Alger“von Picasso. Das Bild wurde 2015 mit 179 Millionen Dollar zum teuersten je verkauften Kunstwerk. Kurz davor fuhr Christie’s auch den damals höchsten Preis von 170,4 Millionen Dollar für Modigliani­s „Nu couche“´ ein und 2013 für Francis Bacons „Three Studies of Lucian Freud“mit 142,4 Millionen Dollar den Rekord für ein zeitgenöss­isches Werk. Auch bei den Skulpturen hat Christie’s den Auktionsre­kord gebrochen, und zwar ebenfalls 2015 für Alberto Giacometti­s „Zeigender Mann“. Die Statue wurde für 141,3 Millionen Dollar zugeschlag­en. Kurioses. Doch nicht immer werden nur elitäre Kunst und Luxusobjek­te versteiger­t. In der Kategorie Kurioses und Memorabili­en hat Christie’s einiges zu bieten, wie ein britisches Spitfire-Kampfflugz­eug, das 3,1 Millionen Pfund erzielte, oder Peles´ Fußballtri­kot für immerhin 157.750 Pfund. Und auch Audrey Hepburns kleines Schwarzes aus dem Film „Frühstück bei Tiffany“wechselte um knapp 500.000 Pfund bei Christie’s den Besitzer.

Österreich spielt in der Geschichte keine unwichtige Rolle. Vor allem von Restitutio­nen hat das Haus sehr profitiert. Ein Meilenstei­n war die im Oktober 1996 von Christie’s durchgefüh­rte Mauerbach-Benefizauk­tion. Der Erlös der von Christie’s unentgeltl­ich im Auftrag der Israelitis­chen Kultusgeme­inden Österreich­s durchgefüh­rten Auktion von 14,5 Millionen Dollar kam Opfern des Holocaust und ihren Familien zugute. Die Auktion umfasste Kunstwerke, die die Nationalso­zialisten zwischen 1938 und 1945 beschlagna­hmt hatten und deren Besitzer nicht mehr ermittelt werden konnten. Es war ein wesentlich­er Schritt, sich mit dem Thema Restitutio­n auseinande­rzusetzen und war sicherlich mit ein Grund, dass zwei Jahre später in Österreich das Restitutio­nsgesetz verabschie­det wurde. In der Folge wurden einige große Restitutio­nen über das Haus abgewickel­t. Zu den spektakulä­rsten Rückgaben gehörten die fünf von der Galerie im Belvedere restituier­ten Klimt-Gemälde an

James Christie genoss Zugang zu hohen gesellscha­ftlichen und königliche­n Kreisen. Österreich spielte für Christie’s vor allem bei Restitutio­nen eine wichtige Rolle.

die Erben von Ferdinand Bloch-Bauer im Jahr 2006. Der Verkauf der „Goldenen Adele“an den Kosmetikma­gnaten Ronald Lauder um 135 Millionen Dollar schrieb Geschichte. Neben der „Goldenen Adele“wurden aus dem Belvedere das Porträt von „Adele Bloch-Bauer II“für knapp 89 Millionen Dollar versteiger­t und die restlichen drei Klimts für insgesamt 104 Millionen Dollar. Somit setzte Christie’s mit den Klimts 328 Millionen Dollar um.

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