Das Raubgold der Nazis: Hitlers Hehler saßen in Bern
Die Nationalsozialisten raubten das Gold ermordeter Juden und die Reserven besetzter Länder. Die Beute verkauften sie an die Schweizer Notenbank und erhielten dafür Franken. Nur so konnten sie in neutralen Drittstaaten wichtige Rohstoffe für Waffen kaufen
Das Gold der Nazis: Abenteurer suchen es im steirischen Toplitzsee, in Tunnels und Stollen. Doch am Ende stehen sie fast immer mit leeren Händen da. Zu finden wäre wohl nur, was Parteibonzen und SS-Schergen für sich persönlich abgezweigt hatten. Historikern geht es um anderes: Wie es ein verbrecherisches Regime dank geplünderter Zentralbankreserven unterjochter Staaten schaffte, sich ökonomisch über Wasser zu halten. Und wie dieses Gold einen Krieg in die Länge zog, der 50 Millionen Menschen das Leben kostete – auch dank der diskreten Komplizenschaft Schweizer Notenbanker.
Das Gold der Nazis: Als Erstes kommen einem dabei die Juden in den Sinn. Bei ihrer Vertreibung, Enteignung und schließlich Ermordung fiel auch ihr Gold den Schergen in die Hände: Eheringe, Uhren und die Zahnkronen, die den Leichen in den Konzentrationslagern aus den Mündern gebrochen wurden. Dieser Horror hatte seine zynische Ordnung: Für das Opfergold gab es ein Konto der SS bei der Reichsbank. Es machte während des Krieges aber nur eineinhalb Prozent der dortigen Bestände aus.
Wie die Plünderung im großen Stil vonstatten gegangen ist, zeigen zwei nüchterne Dekrete kurz nach dem Anschluss Österreichs. Eine Devisenordnung zwang die Bürger der Ostmark auch dazu, Gold und Platin der Reichsbank „zum Kauf anzubieten“. Wer das nicht tat, dem drohte schwerer Kerker. Immerhin wurden die unfreiwilligen Anbieter in Wien noch einigermaßen in Reichsmark entschädigt. Der Goldvorrat der österreichischen Notenbank aber wechselte schon damals ohne jede Gegenleistung den Besitzer. Die Beschlagnahmung hoheitlicher Vorräte machte 88 Prozent des Raubgoldes aus.
In der Propaganda des Regimes war Österreich lebensunfähig. Aber die „Heim ins Reich“-Phrasen verschleierten nur den wahren Grund für den Einmarsch: Deutschlands Kassen
Reihe „Die Presse“„Geschichte“, Band 5
„Besessen – Die Menschen und das Gold“ Woher kommt die Goldfaszination der Menschen? Wie wurde die Geschichte dadurch geprägt, von den spanischen Konquistadoren bis zum Goldrausch in Alaska, Australien, Kalifornien, Feuerland? Welche Rolle spielt Gold noch heute, auch in Österreich? 120 Seiten. Viele Abbildungen. Vorbestellung online: diepresse.com/ geschichte Ab 7. Dezember im Zeitschriftenhandel erhältlich. Preis: 8,90 €, für Abonnenten: 6,90 € waren leer. Die NS-Führung wusste oft nicht, wie sie am nächsten Tag noch die Rechnungen ans Ausland bezahlen sollte. Erst Gold und Devisen aus Wien halfen dem Regime, sich weiter über Wasser zu halten. Aber die Beute war rasch aufgezehrt. Anfang Jänner 1939 teilte Reichsbank-Präsident Hjalmar Schacht seinem Führer schonungslos mit: Reserven „sind nicht mehr vorhanden“, das Reich stehe finanziell „am Rande des Zusammenbruchs“. Hitler war außer sich vor Wut, er feuerte Schacht und fast das gesamte Direktorium. Seine Lösung: Der nächste Raubzug musste her. Krieg oder Bankrott. Nach dem Münchner Abkommen übten die Nazis massiven Druck auf die tschechische Zentralbank aus: Sie solle die Goldreserve herausrücken, die das im Sudetenland zirkulierende Geld betraf. Schließlich gaben die Banker nach. Acht Tage später standen die deutschen Truppen in Prag – und zwangen die Direktoren unter Androhung sofortiger Exekution, die Überweisung der restlichen, in London lagernden Goldbestände zu veranlassen.
Wie aber war das Dritte Reich in diese prekäre Lage geraten? Für Hitler war Gold nur ein „jüdisch-plutokratisches Symbol“. Er gab die Golddeckung der Banknoten gleich nach der Machtergreifung auf. Seit 1933 war die Reichsmark eine reine Papierwährung. Drastisch steigende Staatsschulden und das Anwerfen der Notenpresse ermöglichten den massiven Aufbau der Rüstungsindustrie. Die Symptome der Inflation wurden mühsam durch Lohn- und Preisstopps unterdrückt. Deutschland war nicht autark und auf Importe angewiesen, vor allem für die Waffenproduktion. Das Angebot seiner Exporteure war nicht attraktiv genug, um die dafür nötigen Devisen auf legalem Weg zu erwirtschaften. Die Goldreserven schmolzen dahin. Womit als letztes Mittel nur noch Raub blieb – im Rahmen des großen Krieges, auf den Hitler von Anfang an abgezielt hatte.
Die Gegner waren freilich vorgewarnt. Frankreich und Dänemark brachten ihre Währungsreserven rechtzeitig in Sicherheit, nach Großbritannien und Amerika. Die Niederlande aber wurden überrumpelt. Die fetteste Beute holte Hitler in Belgien, wenn auch auf Umwegen: Die Belgier hatten ihren Goldschatz bei der Banque de France deponiert. Zusammen mit den Kisten der Polen wurde er in Frankreichs westafrikanische Kolonie verschifft, nach Dakar. Aber die Kollaborateure des Vichy-Regimes rückten es später heraus. Auf abenteuerlichen Wegen, mithilfe von Kamelen, Schiff und Bahn landete es schließlich in Berlin.
Als Italien im Krieg die Seiten wechselte, verfrachteten deutsche Truppen die Reserven der Banca d’Italia nach Deutschland. Dazu gehörte auch das Gold aus Jugoslawien und Albanien, das sich
Das »Tausendjährige Reich« stand 1938 und 1939 zweimal kurz vor dem Bankrott.