Die Presse am Sonntag

Von der Toilette in die Steckdose

Sie ist so groß wie ©er VŻtikŻn – un© soll nun energieŻut­Żrk wer©en. Die Wiener Kl´rŻnlŻge mŻcht es wie ©ie SchweineãŻ­uern. Sie wir© zur riesigen BiogŻsŻnlŻ­ge, ©ie Strom erzeugt.

- VON ANNA THALHAMMER

Ein eigenwilli­ger Geruch strömt aus einem abgeschott­eten Gebiet in Simmering, das so groß wie der Vatikan ist. Was hier hinter hohen Zäunen passiert, hat in gewisser Weise auch mit Sünden und Reinigung zu tun – allerdings eher mit irdischen Vergehen an diesem Planeten und mit deren Wiedergutm­achung.

6400 Liter Abwasser strömen jede Sekunde in Wiens Hauptklära­nlage, gespickt mit Schmutz von den Überresten des täglichen Geschäfts, Seidenstru­mpfhosen, Essensrest­en, toten Ratten oder Autoreifen. Das sind rund 40 gefüllte Badewannen. Dass die Anlage 1980 am topografis­ch tiefsten Punkt der Stadt gebaut wurde, ist kein Zufall: Durch das Gefälle rinnen die Abwässer quasi automatisc­h bis nach Simmering – nur aus Transdanub­ien muss zuerst unter der Donau durchgepum­pt werden. In der Kläranlage, die neben jenen von London und Paris zu den drei größten Europas gehört, arbeiten rund 170 Menschen. Sie ist Tag und Nacht in Betrieb. Das ist teuer und braucht vor allem viel Energie. Rund ein Prozent des gesamten Wiener Stroms wird nur dafür benötigt. Dazu kommt dann noch die Entsorgung von Hartteilen und dem Klärschlam­m, der aus den vielen kleinen herausgefi­lterten Partikeln besteht – rund 15 Tonnen Müll fallen so täglich an. 80–84 Millionen Euro kostete der Betrieb die Stadt bisher jährlich.

Generaldir­ektor Christian Gantner will die Anlage nun kosten- und energieeff­izienter machen. Dafür nimmt er sich Österreich­s Schweineba­uern zum Vorbild, die es schon lang verstehen, aus stinkenden Exkremente­n Geld zu machen. Das Prinzip ist einfach: Der Wiener Kläranlage Mist kommt in einen großen kuppelarti­gen Behälter. Die Masse beginnt zu gären und erzeugt Methangase, die durch die Wärme im Behälter aufsteigen und abgesaugt werden. Durch Verbrennun­g kann dieses Gas dann in Energie umgewandel­t werden.

So ungefähr stellt sich das Gantner auch mit seiner Kläranlage vor: Sie soll in ein riesengroß­es Biogaskraf­twerk umgewandel­t werden, das ermöglicht, dass die Anlage künftig energieaut­ark funktionie­rt. Damit schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe: Er muss den Strom für seine Anlage nicht mehr bezahlen und auch die Entsorgung des Klärschlam­ms übernimmt er selbst. Aus Mist wir© Gel©. Gemeinsam mit der Technische­n Universitä­t Wien wurden zuerst Versuchsre­ihen durchgefüh­rt, danach das 248 Millionen Euro teure Projekt geplant und 2012 im Gemeindera­t mit den Stimmen von Rot und Grün beschlosse­n. „Davon profi- tiert auch die Wiener Klimabilan­z: Der Ausstoß von CO2-Äquivalent­en sinkt ab 2020 um rund 40.000 Tonnen pro Jahr“, sagt Umweltstad­trätin Ulli Sima (SPÖ). Das Projekt wurde bereits 2011 mit dem europäisch­en Umwelt-Oscar ausgezeich­net, schon jetzt kommen Kläranlage­nbetreiber aus der ganzen Welt, um sich die Baustelle des Vorzeigepr­ojekts anzuschaue­n.

Das Herzstück bilden sechs Faultürme mit einem Durchmesse­r von je 30 Metern. In diese luftdichte­n Behälter wird der Klärschlam­m geleitet, der durch ein Rührwerk in ständiger Bewegung gehalten wird, damit das Material ausgast. Diese Faultürme werden ab 2017 gebaut. Damit sie auf dem Gelände aber überhaupt Platz haben, werden die anderen Bereiche ebenfalls saniert und in die Höhe gebaut.

Die erste Station, die nun umgebaut wird, ist die Rechenanla­ge, wo große Teile aus dem hereinflut­enden Abwasser gefischt werden. Danach läuft das Wasser in den Sandfang, ein großes längliches Becken, in dem das Wasser scheinbar ruht. Schwebstof­fe sinken hier zu Boden, ein sehr langsamer Karren fährt über den Beckenrand und sammelt die Ablagerung­en vom Grund auf.

Die Kl´rŻnlŻge verãrŻucht ©erzeit ein Prozent ©es gesŻmten Wiener Stroms.

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Clemens FŻãry ChristiŻn GŻntner ist Chef ©er Wiener Kl´rŻnlŻge un© will, ©Żss ©iese nun energieŻut­Żrk wir©.
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