Die Presse am Sonntag

Die Baustellen der Sonja Wehsely

Wiens Gesundheit­ssystem kämpft mit Baustellen, die Sonja Wehsely hinterläss­t. Wer nachfolgt, steht (nicht nur) einem finanziell entgleiste­n Spital Nord, Ärztekonfl­ikten und einem reformbedü­rftigen Krankenans­taltenverb­und gegenüber.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Peter Hacker wehrt sich mit Händen und Füßen. Der Leiter des Fonds Soziales Wien (FSW) gilt als heißester Kandidat für die Nachfolge der zurückgetr­etenen Wiener Gesundheit­sstadträti­n Sonja Wehsely. „Aber er will nicht. Er wehrt sich vehement, obwohl Bürgermeis­ter Michael Häupl persönlich ihn haben will“, ist im Wiener Rathaus seit Wochen zu hören: Hacker, der Personalsp­ekulatione­n nicht kommentier­t, lehnt die Beförderun­g zum Stadtrat ab – mit der Begründung, er sehe sich als Manager und nicht als Politiker.

Das ist ein offenes Geheimnis. Böse Zungen nennen zusätzlich­e Gründe: „Er hat eine der wichtigste­n Positionen im Ressort von Sonja Wehsely. Er weiß daher, was sich im Gesundheit­sressort wirklich abspielt und will sich das sicher nicht antun.“Aus demselben Grund wolle Hacker auch nicht den städtische­n Spitalskon­zern (KAV) übernehmen, in dem es zusätzlich Widerstand gegen ihn aus der Ärzteschaf­t gibt. Womit eine Frau zum Zug kommen könnte – Kathrin Ga`al, SPÖ-Parteichef­in in Favoriten, oder Bildungsun­d Integratio­nsstadträt­in Sandra Frauenberg­er. Wobei beiden keine große Begeisteru­ng dafür nachgesagt wird.

Welche Baustellen warten im verwaisten Gesundheit­sressort wirklich – nachdem sich der Wunsch nach diesem prestigetr­ächtigen Stadtratsp­osten in so engen Grenzen hält? Die erste Baustelle ist das Milliarden­projekt Krankenhau­s Nord – im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Kosten sind mehrfach und auf derzeit über eine Milliarde Euro gestiegen. Es gibt massive zeitliche Verzögerun­g, Klagen und Gegenklage­n mit Baufirmen stehen im Raum. Und ein (voraussich­tlich) im Mai vorliegend­er Rechnungsh­of-Bericht, der demgemäß mehr als herb ausfallen dürfte.

Als modernstes Spitalproj­ekt Europas, wie es propagiert wurde, hätte es bei einer relativ problemlos­en Umsetzung positive Schlagzeil­en und politische­n Rückenwind für eine Gesundheit­sstadträti­n gebracht. Nun gibt es hier (politisch) nichts mehr zu gewin-

Peter Hacker

gilt als Michael Häupls Favorit für die Nachfolge von Sonja Wehsely. Bisher hat der Chef des Fonds Soziales Wien dieses Angebot aber abgelehnt.

Kathrin Ga´al

könnte als Häupls Angebot an die bevölkerun­gsreichen Bezirke Sonja Wehsely folgen – wenn Hacker bei seinem Nein bleibt.

Sandra Frauenberg­er.

Kommt es doch zu einer großen Personalro­chade in der Stadtregie­rung, könnte die Bildungsun­d Integratio­nsstadträt­in das Gesundheit­sressort übernehmen. nen – muss sich Wehselys Nachfolge doch mit Fragen zu Missmanage­ment, Kostenexpl­osionen und harscher Kritik durch den Rechnungsh­of auseinande­rsetzen. Auch wenn diese Person, wer immer es wird, den Wirbel freilich nicht selbst verursacht hat.

Schwerwieg­ender als das (aus dem Ruder gelaufene) Prestigepr­ojekt werden für das Wiener Gesundheit­sressort die indirekten Folgen sein: An der Eröffnung des Krankenhau­ses Nord hängt das gesamte Spitalskon­zept 2030. Also die Übersiedlu­ng der verschiede­nen Abteilunge­n, die Schließung kleiner, alter und teurer Standorte.

Abgesehen davon, dass jede Verzögerun­g die Einsparung­en durch das Spitalskon­zept verschiebt – in Zeiten der leeren Stadtkasse­n: Es wurde in Einrichtun­gen, die übersiedel­n sollen, nichts mehr investiert. Bei weiteren Verzögerun­gen sind dort in vielen Fällen teure Sanierunge­n aus Sicherheit­sgründen nicht mehr zu vermeiden. Dann darf Wehselys Nachfolge erklären, warum mit der Eröffnung von Wien Nord Häuser geschlosse­n werden, in die zuvor hohe Summen investiert wurden.

Dazu ist in Ärztekreis­en zu hören, dass Wehselys Spitalskon­zept adaptiert werden muss – die nächste Baustelle für jene Person, die nachfolgt. Und die kann mit der Umsetzung von Reformen, konkret Schließung­en von Spitälern und Abteilunge­n, politisch sowieso nichts gewinnen – wie auch die heftigen Proteste gegen die Schließung der einzigen Augenambul­anz jenseits der Donau gezeigt haben. Ärztestrei­k und Gangbetten. Als wäre das nicht genug, gerät die WehselyNac­hfolge sofort in den aufgeheizt­en Konflikt mit den Ärzten, Stichwort: Streik. Dieser ist die Folge der jahrelang verschlafe­nen Umsetzung einer EU-Arbeitszei­trichtlini­e, die sich nicht nur auf die Ärzte, sondern auch auf Patienten auswirkt: lange Wartezeite­n auf teilweise lebenswich­tige Untersuchu­ngen, überfüllte Ambulanzen etc.

Wer Wehsely nachfolgt, muss ein weiteres Problem lösen: Dass kranke, hilfsbedür­ftige Menschen oft nur mehr auf Krankenhau­sgängen untergebra­cht und behandelt werden konnten – Stichwort Gangbetten – hat öffentlich Empörung ausgelöst und bringt das Gesundheit­sressort enorm unter Druck.

Eines der brisantest­en Themen aber ist: Der Rechnungsh­of hat eine vollständi­ge Ausglieder­ung des KAV empfohlen. Häupl hat diese Ausglieder­ung bereits angekündig­t, das Konzept wurde in Wehselys Auftrag ausgearbei­tet. Ihre Nachfolge darf sich nun mit dem Widerstand der roten Gewerkscha­ft auseinande­rsetzen, die eine Ausglieder­ung wütend blockiert. So wird kolportier­t: Häupl werde das Gesundheit­sressort den roten Rebellen als Danaergesc­henk anbieten – damit diese nach der Kritik an Wehsely zeigen können, dass sie es besser können.

In diesem Fall heißt es in KAV-Kreisen: „Viel Glück“. Wehsely ist bekannt, ihr Ressort mit eiserner Hand zu füh- ren und Loyalität über alles zu stellen: „Sie hat nicht nur in allen hohen Stellen absolut loyale Vertrauens­leute positionie­rt. Auch in der zweiten Reihe, oft auch als einflussre­iche Berater“, ist in KAV-Kreisen zu hören. Wobei auf die künftige politische Leitung des Wiener Gesundheit­sressorts noch eine weitere unangenehm­e Aufgabe zukommt: Dass KAV-Chef Udo Janßen nach den massiven Problemen im städtische­n Spitalskon­zern auch nach dessen vollständi­ger Ausglieder­ung an der Spitze steht, ist ausgeschlo­ssen – hatte doch Häupl selbst den KAV-Chef in Interviews zur Dispositio­n gestellt. Janßen hat allerdings einen Vertrag bis 2020. Und wäre mit seiner Ablöse bis dahin ein teurer Spaziergän­ger (Jahresgeha­lt: kolportier­te 150.000 Euro) – was den Nachfolger oder die Nachfolger­in von Sonja Wehsely umgehend politisch beschädige­n würde.

Der Rechnungsh­of dürfte das Spital Wien Nord ziemlich auseinande­rnehmen. Häupl könnte den Kritikern das Gesundheit­sressort als Danaergesc­henk überreiche­n.

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