Die Presse am Sonntag

Hochleistu­ngssport mit Alkohol

Bei einem Sommelier-Wettbewerb müssen nicht nur Weine unter Zeitnot erkannt und umfassend beschriebe­n werden. Es werden auch schwierige Situatione­n mit Gästen simuliert.

- VON KARIN SCHUH

Ein Weinglas gekonnt schwenken, einen kleinen Schluck nehmen, diesen im Mund ein paar Mal hin- und herschiebe­n und wieder ausspucken, um dann sein Urteil abzugeben. Dieses Verkostung­sprozedere wird gemeinhin mit der Arbeit eines Sommeliers verbunden. Dass da aber noch viel mehr dazugehört – vom Wissen über alle Getränke sowie Käse über das Management des Weinlagers bis hin zur raschen und freundlich­en Wunscherfü­llung komplizier­ter Gäste –, wird hingegen weniger oft gesehen.

Innerhalb der Branche wird die Arbeit der Sommeliers aber gern mit Spitzenspo­rt verglichen – vor allem, wenn es darum geht, sich einer Jury zu stellen. „Die Kandidaten werden stark in die Irre geführt, und das unter enor- mem Zeitdruck“, sagt dazu Sommeli`ere Dagmar Gross, die unlängst bei einer Meistersch­aft in Hongkong zu Gast war. So müssen Sommeliers neben der Blindverko­stung und der Prüfung ihres Fachwissen­s auch knifflige Service-Simulation­en meistern. „In Hongkong wurde verlangt, den Inhalt einer Doppel-Magnum-Flasche auf 18 Gläser genau aufzuteile­n, allerdings ohne ein zweites Mal nachzusche­nken. Zum Schluss waren es nicht einmal 18 Gläser“, sagt Gross. Oder eine Weinkarte musste auf Fehler überprüft werden. „Da stand etwa ein Grüner Veltliner, Smaragd Kollmütz von Rudi Pichler aus dem Kremstal. Alle Teilnehmer in Hongkong wussten sofort, dass das nicht stimmt, er ist in der Wachau. Das hat mich schon sehr beeindruck­t.“

Mindestens genauso streng geht es bei den Blindverko­stungen zu. Da müssen Weine nicht nur hinsichtli­ch Rebsorte, Region oder Jahrgang erkannt werden, sondern auch Säure- und Alkoholgeh­alt, Potenzial des Weines oder die ideale Speisebegl­eitung genannt werden. „Wenn man einen Parameter vergisst, wird sofort ein Punkt abgezogen“, erklärt Gross. Die Präsentati­on muss entweder auf Englisch oder Französisc­h, jedenfalls nicht in der eigenen Mutterspra­che, abgehalten werden.

Der Tiroler Sommelier Suvad (Suwi) Zlatic, der Österreich bei der Europameis­terschaft vertritt, bereitet sich derzeit dementspre­chend vor. Vier bis sechs Stunden arbeitet er täglich an seinem Weinwissen. „Kurz vor der EM werden es noch mehr werden.“

An die 15 bis 20 Weine kostet er pro Tag, er wolle sich noch auf 30 bis 40 steigern, zuzüglich Spirituose­n, Sake und anderen Getränken, sagt Zlatic. In den vergangene­n Jahren seien Tausende Weine zusammenge­kommen, die er verkostet hat. Selbst ein Mentaltrai­ning absolviert er. Auch das haben die Sommeliers mit Spitzenspo­rtler gemein.

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Sandrine Rohrmoser Sommeliers bei der Vorbereitu­ng zu einem Wettbewerb.

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