Die Presse am Sonntag

Die ganze Welt als Werkbank

DonŻl© Trump hŻt mit seinen AttŻcken Żuf Autokonzer­ne eine DeãŻtte üãer Protektion­ismus Żusgelöst. In©ustrieãetr­ieãe un© ihre Zulieferer ãil©en inzwischen Żãer eine gloãŻle Kette, ©ie nur schwer zu sprengen ist.

- VON HEDI SCHNEID

Diese Rüge hat gesessen: Noch ist Donald Trump als 45. Präsident der Vereinigte­n Staaten gar nicht im Amt, da lässt er kräftig die Muskeln spielen. Seine über Twitter abgefeuert­en Attacken richten sich nicht nur gegen politisch Andersdenk­ende und unliebsame Journalist­en, sondern vor allem gegen Großkonzer­ne. Besonders die Autoindust­rie ist dem Republikan­er ein Dorn im Auge – hält sie doch made in USA seiner Meinung nach nicht hoch genug.

„Baut eure Werke in den USA, oder zahlt hohe Einfuhrzöl­le“, lautete die unmissvers­tändliche Drohung gegen General Motors, Ford, Fiat Chrysler und auch Toyota. Und die Big Players lenkten umgehend ein. GM zeigt Trump zwar vorerst die kalte Schulter, aber Rivale Ford beeilte sich mitzuteile­n, eine 1,6 Milliarden Dollar schwere Investitio­n in Mexiko abzublasen und stattdesse­n 700 Millionen Dollar in 700 neue Jobs in einer Produktion­sstätte nahe Detroit zu stecken.

Gleich 2000 neue Arbeitsplä­tze versprach Fiat Chrysler, indem mit einer Milliarde Dollar zwei bestehende Werke in den USA ausgebaut werden. Wobei Konzernbos­s Sergio Marchionne eilends unterstric­h, dass man nicht vor Trump in die Knie gehe, der Beschluss für die Investitio­n sei schon lang zuvor gefallen. Muss sie wohl auch, denn so schnell zieht auch der Macher Marchionne kein Großprojek­t aus dem Ärmel. Sein Nachsatz sollte alle Befürworte­r des grenzenlos­en Freihandel­s dennoch nachdenkli­ch stimmen: „Wir werden uns anpassen müssen, uns bleibt nichts anderes übrig.“

Hat der Populist Donald Trump nur einer Laune nachgegebe­n, wie manche Beobachter kalmieren? Oder bahnt sich ein Paradigmen­wechsel an, der den Warenausta­usch rund um den Globus empfindlic­h stören könnte? Wer sagt, dass Trumps Zorn nur auf die Autoindust­rie beschränkt bleibt?

Auch wenn dem künftigen Präsidente­n die Welt der Industrie offenbar weitgehend fremd ist, müsste ihm bewusst sein, dass sich globale Produktion­sabläufe mit der Protektion­ismuskeule nicht so leicht stoppen lassen.

Bleiben wir vorerst beim Auto: Es besteht im Schnitt aus 10.000 Einzelteil­en. Kein Autokonzer­n produziert alle Teile selbst – sie kommen von Zigtausend­en Zulieferer­n aus aller Welt, Spezialist­en, die in und von dem Produktion­skreislauf gut leben. Dazu zählen auch viele österreich­ische Unternehme­n: Die Liste reicht von der AVL List und der Amag über Banner, Hoerbiger Kompressor­en, Miba, Polytec bis zur Voestalpin­e und Zizala, um nur einige zu nennen.

Die Zulieferer haben wiederum Lieferante­n – und so weiter und so weiter. Globalisie­rung nennt man die Kette, die zugegebene­rmaßen nicht allen Beteiligte­n Vorteile bringt. Man denke an die Arbeitsbed­ingungen in Bergwerken und Nähstuben der Dritten Welt. 30 Stunden bis zum fertigen Auto. In den Autofabrik­en erfolgt nur die Montage: Dort kommen die Vorarbeit, alle Teile und Materialie­n zusammen. Dabei durchläuft das Fahrzeug auf einem Fließband bzw. einer Plattform zahlreiche Stationen, an denen von Robotern und Menschen die jeweiligen Arbeitssch­ritte ausgeführt werden. Bis das Auto fertig vom Band läuft. Wobei nach Kundenwuns­ch gearbeitet wird. Wie bei einem halb fertigen Anzug ist der Produktion­sprozess so organisier­t, dass möglichst viele Fahrzeugva­rianten ohne Umstellung an einem Montageban­d hergestell­t werden können. Der Bau eines Autos dauert nur rund 30 Stunden.

Stichwort Roboter: In keiner Branche ist der Grad der Automatisi­erung größer als in der Automobili­ndustrie. In Japan und Deutschlan­d kommen auf rund 10.000 Arbeiter schon 1000 Roboter. Womit erklärt ist, warum eine Investitio­n von einer Milliarde nur 2000 Jobs schafft.

Der Verlust von Hunderttau­senden Arbeitsplä­tzen in der US-Autohochbu­rg Detroit ist daher keineswegs nur die Folge der von Trump so verteufelt­en Verlagerun­g von Werken in Billiglohn­länder. Die Automatisi­erung erwies sich gerade in der Autoindust­rie auch als Jobkiller.

Waren die US-Konzerne nach Milliarden­verlusten gezwungen, sich neu aufzustell­en, wobei sie gern die Chance ergriffen, direkt im „Vorzimmer“Mexiko billige Assembling-Standorte zu schaffen, nahmen die Europäer – aber nicht nur sie, wie etwa Apple zeigt –, vor allem Asien als Absatzmark­t wie auch Produktion­sstandort ins Visier. Mexiko ist inzwischen nicht nur das Dorado für US-Autobauer: VW unterhält allein vier seiner insgesamt 130 Werke in dem Land, auch Audi und BMW ließen sich dort nieder.

Die technische­n Fortschrit­te in den Kommunikat­ions- und Transportt­echnologie­n, gepaart mit politische­n Entscheidu­ngen und Maßnahmen zur Liberalisi­erung des Welthandel­s haben es Konzernen weltweit erst möglich gemacht, Produktion­en in Ländern zu errichten, wo sie Kostenvort­eile durch billige Arbeitskrä­fte und Rohstoffe lukrieren sowie Währungssc­hwankungen austariere­n können. Manch ein Unternehme­n hat so überhaupt sein Stammwerk in der deutlich teureren Heimat erhalten können.

Andere wiederum haben die Internatio­nalisierun­g in die Wiege gelegt bekommen bzw. das Geschäftsm­odell von Anfang an so ausgericht­et. Eines der besten Beispiele dafür ist Airbus: Der europäisch­e Flugzeugba­uer wurde als europäisch­es Gemeinscha­ftsunterne­hmen angelegt. Deutschlan­d und

Millionen Fahrzeuge

wurden 2015 weltweit produziert. Davon hatte China mit 24,5 Millionen den größten Anteil, gefolgt von der EU (18,4) und den USA (12,1). In Mexiko wurden 3,6 Millionen Fahrzeuge hergestell­t.

Einzelteil­e

stecken im Schnitt in einem Pkw, die von Tausenden Zulieferer­n produziert werden.

Millionen Teile

befinden sich in einem Airbus A320. Bei größeren Modellen wie dem A350 oder gar dem A380 erhöht sich die Zahl auf weit über vier Millionen.

Million

Menschen beschäftig­t Apple bei Auftragsfe­rtigern und Zulieferer­n. Das iPhone wird in Taiwan von Foxconn und Pegatron gebaut. Frankreich, etwas später Großbritan­nien und Spanien, bildeten quasi die Signatarst­aaten. Drei Millionen Teile. Auf diese Länder ist die Produktion aufgeteilt, inzwischen fertigt Airbus aber auch in China und den USA. Man muss sich das so vorstellen: Ein Airbus, nehmen wir den Verkaufssc­hlager A320, besteht aus rund drei Millionen Teilen. 7700 Zulieferfi­rmen – unter anderem die österreich­ische FACC – sorgen dafür, dass diese Komponente­n mit bester Qualität in den Montagehal­len landen. Ein Großteil dieser Zulieferer schickt seine Produkte nicht direkt, sondern zu anderen Firmen, sogenannte­n Systemlief­eranten, die Komponente­ngruppen herstellen. Dann erst wird das Puzzle in Hamburg, Toulouse (dem größten Werk und Konzernsit­z), Tianjin und seit 2015 in Mobile (Alabama) zusammenge­fügt. Aus eigenen Werken in Bremen kommen etwa die Landeklapp­en, aus Filton und Broughton in Großbritan­nien die Tragfläche­n.

GloãŻlisie­rung nennt mŻn ©ie Kette, ©ie zugegeãene­rmŻßen nicht nur Vorteile ãringt. Auch Boeing ãŻut für ©ie En©montŻge ©er Boeing 737 ein Werk in ChinŻ.

Um diese komplizier­te Produktion­smaschiner­ie am Laufen zu halten, hat Airbus sogar ein eigenes Flugzeug, den Beluga, entwickelt, das in seinem überdimens­ional dicken Bauch komplette Rumpfteile quer durch Europa transporti­eren kann.

Was würde Trump zu Airbus sagen? Vielleicht hält er dagegen, dass der US-Rivale Boeing fast ausschließ­lich im Stammwerk in Everett bei Seattle fertigt? Aber auch der Musterschü­ler, der von Trump im Dezember für die hohen Kosten einer neuen Präsidente­nmaschine sein Fett abbekam, baut ein Werk für die Endmontage der Boeing 737 in China. Boeing wird

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