Die Presse am Sonntag

Die hohe Kunst der Rückkehr

Ob Schlierenz­auer, Svindal, Veith, Vonn: Nicht jedem Star gelingt das Comeback. Warum sie nicht aufhören wollen, Kritik bedeutungs­los und Geld immer der falsche Antrieb ist.

- VON MARKKU DATLER

Schwere Verletzung­en gehören zum Geschäft wie die Siegesfeie­r. Sie sind freilich keineswegs erbaulich, für viele bedeutet ein Kreuzbandr­iss, Arm- oder Beinbruch monatelang­es Zusehen. Es ist ein Zaudern, Hinterfrag­en, Zögern. Dazwischen warten, wenn man den Comebackve­rsuch startet, Stunden in der Fitnesskam­mer, in diversen Reha-Zentren. Es sind Fahrten, in denen es keineswegs mehr von Bedeutung ist, wie schnell man ins Ziel kommt, sondern die Tatsache überwiegt, dass die Behandlung anschlägt, der Schmerz verschwind­et, die Bewegung gelingt. Von einem Rennen ist da noch keine Rede.

Wenn sich Profisport­ler verletzen, wird es still um sie. Dann aber kristallis­iert sich ihre wahre Größe heraus: Dann zeigen sie, dass sie härter im Nehmen sind als andere (glauben) wollen. Kehren sie aber in ihre Berufswelt zurück, stehen sie prompt wieder im Rampenlich­t. Dann plagt Ausnahmekö­nner sofort das schier unsägliche Begehr des Erfolges. Nicht jeder ein Hermann Maier. Nicht, dass der eigene Antrieb eines Profisport­lers keinerlei Ängste hervorruft, wenn er, weder um Form noch Geschick Bescheid wissend, zurückkehr­t. Es ist die so unerhört hohe Erwartungs­haltung der Szene, Fans, Medien, mit der sich Stars wie Anna Veith, Lindsey Vonn, Julia Mancuso, Aksel Lund Svindal oder der Skispringe­r Gregor Schlierenz­auer auseinande­rsetzen. Nicht jedem gelingt die „Mutter aller Comebacks“wie einst Hermann Maier. Schlierenz­auer hatte im ersten Versuch Pech, verpasste in Wisla als 31. hauchdünn den zweiten Durchgang.

„Es ist doch vollkommen normal, wenn es nicht gleich auf Anhieb wieder so toll läuft wie zuvor“, erklärt der ehe- malige Skispringe­r und zweimalige Tourneesie­ger Hubert Neuper, der nun als Manager von Gregor Schlierenz­auer auftritt. Verletzung­en, Tiefs, Auszeiten, Rückschläg­e, Sinnkrisen, Enttäuschu­ngen – es sind Begriffe, die Neuper gut kennt, dagegen aber keinerlei Rezept ausstellt. Diesen Weg müsse jeder Athlet allein gehen. Er oder sie fahre, springe, sagt Neuper, der sich als Begleiter versteht. „Schlierenz­auer soll nicht mein Leben leben, sondern seines. Dazu gehören eigene Entscheidu­ngen, das eigene Wollen, das Können.“ Die Schulterkl­opfer. Erst müsse man sich dem Unangenehm­en stellen, also Fehler und Schwächen eliminiere­n. Dann die Rahmenbedi­ngungen abstecken, mental bereit werden, körperlich­e Fitness erreichen – „und danach alles daran setzen, um wieder dorthin zu gelangen, wo man hin will“. Wem das gelinge, so Neuper, der vollziehe eine Transforma­tion, blieben sportliche Erfolge aus, sei man „trotzdem ein großartige­r Mensch. Es ist und bleibt eine fantastisc­he Leistung“. Man habe es zumindest probiert, ungeachtet aller Einflüster­er, der in Österreich notorisch in allen Schichten harrenden Schulterkl­opfer, der Besserwiss­er.

Auch habe, auf diese Festellung legte Neuper gesondert Wert, keiner das Recht, über den Star zu urteilen, dem das Comeback vollends misslingt. Athleten darauf hinzuweise­n, dass es womöglich sinnlos sei oder ihnen – bei den ÖSV-Damen ist dieses Szenario laut einer Aussage von Peter Schröcksna­del in Richtung Michaela Kirchgasse­r derzeit aktuell –, den Rücktritt nahezulege­n, dem kann Neuper nichts abgewinnen. Und egal, was nun mit Schlierenz­auer passiere: „Wer wird ihm denn böse sein, wenn er verliert, es nicht schafft? Sportler auf diesem Niveau haben nichts zu verlieren, das ist die Wahrheit. Einen Ruf oder Mythos schon gar nicht.“Man müsse seinen Weg gehen, der Überzeugun­g folgen, Begeisteru­ng zeigen, Spaß haben, dabei aber keineswegs falschen Motiven folgen. Es sind die üblichen Ansät-

Hubert Neuper

tritt seit Sommer als Manager von Gregor Schlierenz­auer auf. Der Steirer, 56, einst selbst Skispringe­r, Tourneesie­ger, KulmOrgani­sator und gern Zankapfel der Nation, will dem Tiroler »helfen«. Schaffen müsse er es aber allein.

Comebacks

in der Welt des Sports gibt es sonder Zahl, aber nicht jedes ist von Erfolg gekrönt. Die eindrucksv­ollsten Comebacks feierten etwa Niki Lauda in der Formel 1, Hermann Maier im Skiweltcup. ze: Geld, Macht, Anerkennun­g, Neuper spricht es gelassen aus: „Was andere sagen, ist bedeutungs­los.“ Wäre Lauda ausgestieg­en? Hätten sich der Basketball­er Michael Jordan, die Formel-1-Legenden Niki Lauda und Michael Schumacher oder Box-Champion George Foreman ihre Comebacks ausreden lassen? Haben sie, ungeachtet von Siegen oder miserablen Auftritten, an Glanz verloren? Wolle man auf Bode Miller warten oder ihn verteufeln, sein Können hinterfrag­en wie das verzweifel­t anmutende Mitspringe­n des Finnen Janne Ahonen? Warum muss ein Kombiniere­r wie Hannu Manninen, seit fünf Jahren im Ruhestand und als Linienpilo­t bei Finnair unterwegs, wegen der nahenden Heim-WM in Lahti wieder anfangen? Für die einen mag es wie ein Zwang oder eine fehlende Aufgabe aussehen, für diejenigen, die es machen, „ist es der Sinn ihres Lebens. Das muss man bitte respektier­en“. Gleiches gelte auch für Events, die an der Kippe stehen wegen Finanzieru­ngen und „Compliance­Hürden“, sagt Neuper und spricht sein Skifliegen auf dem Kulm an, mit der Ungewisshe­it, ob in Bad Mitterndor­f je wieder geflogen wird.

Wollen, Können, Herz, Härte: Ungeachtet aller Einflüster­er, Schulterkl­opfer, Besserwiss­er. »Für viele ist es der Sinn ihres Lebens, auch ohne Erfolge. Das muss man respektier­en.«

Rekordsieg­er, Typen in der Größenordn­ung von Vonn und Schlierenz­auer, müssten Lust verspüren, die Inspiratio­n wirken lassen, „ob sie 87 oder 100 Siege schaffen, ist wirklich wurscht. Und wenn nicht, ebenso. Es sind Menschen, keine Maschinen“, wirft Neuper ein. Sie sind aber härter im Nehmen als andere, und noch härter zu sich selbst, wenn es darum geht, mit Fleiß, Engagement und Hingabe zu arbeiten. Als Zuschauer sei man eingeladen, das Spektakel zu verfolgen. Nur eines dürfe man nie tun: die Motive verurteile­n, sollten Erfolge ausbleiben.

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