Die Presse am Sonntag

Die Sklavin der Massenmörd­er

Sie wŻr erst 13 un© musste schon Żls Sexobjekt beim Islamische­n Staat ©ienen, un© zwŻr für ©ie oãersten Führer ©er Terrormili­z. ErstmŻls spricht ©Żs jesi©ische M´©chen üãer sein MŻrtyrium.

- VON ALFRED HACKENSBER­GER

Mit aller Kraft klammert sie sich an die Hand ihres Vaters. „Papa, Papa“, ruft sie unter Tränen in der Hoffnung, er könne sie im letzten Moment doch noch vor dem Schrecklic­hen beschützen – so, wie er sie immer vor dem Bösen bewahrt hat. Aber im Internieru­ngslager des Islamische­n Staates (IS), in das ihre jesidische Familie in der Nähe Sindschars im Nordirak verschlepp­t worden ist, ist Papa machtlos. Sosehr es ihm das Herz bricht, er kann nur zusehen, wie IS-Banditen seine 13-jährige Tochter Bahar (Name von der Redaktion geändert, Anm.) in einen Wagen zerren und zusammen mit drei ihrer Cousinen wegfahren. Er weiß, dass ihre behütete Jugendzeit, geprägt von der Abgeschied­enheit in ihrem Dorf Khana Sor, nun endgültig vorbei ist.

Zweieinhal­b Stunden später finden sich die Mädchen in einer riesigen Wohnung im obersten Stock eines Hochhauses wieder, in Mossul, der größten Machtbasis des IS im Irak. „Ich bin der Wali der Stadt“, stellt sich ein älterer Mann mit breitem Gesicht, dickem Bauch, Glatze und langem Bart vor. Mit mehr als 50 Jahren könnte er der Opa der Mädchen sein. Abu Hareth, wie der Bürgermeis­ter sich nennt, mustert die vier Jesidinnen wie bei einer Fleischbes­chau. Am Ende wählt er Bahar, die jüngste, als seine neue Sklavin aus. Die Puffs für die Elite der Gläubigen. Er lässt sie in ein Haus in einer der besseren Gegenden Mossuls bringen, wo auch andere Mädchen gefangen sind. Es ist eines der geheimen Domizile der Hautevolee des IS, die dort jeden Abend, wie in jedem normalen Puff, „Spaß“mit Frauen haben. Für Bahar, die an sich noch ein Kind ist, beginnt ein Martyrium. Sie wird Opfer der dreckigen Gelüste der mächtigste­n Männer der Terrororga­nisation. Es sind am Ende mindestens sieben Führer aus dem engsten Kreis der IS-Elite, die sich nacheinand­er über sie hermachen. Darunter Abu Bakr al-Baghdadi, der selbst ernannte „Kalif“des IS und einer der gefürchtet­sten Männer der Welt. Sein Faible für Mädchen ist bekannt, aber nun ist es das erste Mal, dass eines seiner Opfer über die Untaten spricht.

Bahar wirkt schüchtern. Ihr Haar hat sie vorn zum Mittelsche­itel frisiert, der Rest ist nicht minder sorgsam hochgestec­kt. Sie ist inzwischen 15. Aber mit ihren großen tiefbraune­n Augen und den eher rundlichen Konturen ihres ungeschmin­kten Gesichts hat sie sich etwas Kindliches bewahrt – trotz all dessen, was sie durchgemac­ht hat. Im Bauernhof in Süddeutsch­land. Jetzt sitzt sie im Aufenthalt­sraum eines zum Flüchtling­sheim umgebauten alten Bauernhofs in einem winzigen Ort in Süddeutsch­land zwischen Schwarzwal­d und Schwäbisch­er Alb. Es ist eine Gegend, wo einander Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Der Weiler ist einer von 21 geheimen Plätzen, an denen das Land Baden-Württember­g ein Sonderkont­ingent von 1100 Frauen und Kindern aus dem Nordirak untergebra­cht hat.

Bahar ist nicht allein in Deutschlan­d. Einer ihrer Brüder ist mitgekomme­n, sie teilen sich das Haus mit fünf weiteren jesidische­n Familien. Bahar will ihre Geschichte erzählen, so schmerzhaf­t das für sie auch ist. „Die Welt muss die Wahrheit erfahren“, sagt sie tapfer. Insgesamt sollen es bis zu 7000 Jesidinnen sein, die der IS 2014 entführt und als Prostituie­rte missbrauch­t hat. Die Jihadisten versteiger­ten sie auf den Märkten von Mossul und Tal Afar. Die Hübscheste­n wurden, wie Bahar, jedoch schon vorher in den Internieru­ngslagern aussortier­t. Emire, Walis und Offiziere schickten ihre Vertrauten, und die konfiszier­ten die Sklavinnen, ganz nach den Präferenze­n ihrer Chefs.

Mehr als dreieinhal­b Stunden weicht Bahar nicht von ihrem Platz. Sie will keine Pause, selbst, als ihr wieder einmal die Tränen über das Gesicht laufen. „Weiter“, sagt sie entschiede­n und wischt sich mit dem Ärmel ihres schwarzen Kapuzenswe­aters die Augen trocken. Über Details ihrer Vergewalti­gungen spricht sie nicht. „Man darf sie nicht direkt darauf ansprechen“, sagt Atalan, der aus dem Kurdischen übersetzt und ebenfalls Jeside ist, beschwören­d. „Unserem kulturelle­n Verständni­s nach wäre das eine unzumutbar große Scham für sie.“Aber auch so wisse man, was passiert sei. „Sie erzählt, wie bei uns üblich, auf indirekte Weise“, erklärt Atalan, der eine Tochter im Alter Bahars hat. „Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, mein Kind müsste Ähnliches erleiden.“ Eine Bombe löste das erste Problem. Als Bahar über Abu Hareth, den Wali von Mossul und ihren ersten Besitzer, zu erzählen beginnt, wird deutlich, was der Übersetzer meint. „Der Wali war ein ganz schlechter Mann“, sagt sie. „Ich habe ihm immer wieder gesagt, dass ich viel zu jung für all diese schmutzige­n Sachen sei und dass ich zu meinen Eltern wolle.“Worte voll Verzweiflu­ng einer 13-Jährigen, die die Welt nicht mehr versteht und nicht, was ihr angetan wird, und die nach Hause will. Es sind Worte, die im Lauf des Gesprächs immer wieder kommen.

Jeden neuen Peiniger fleht sie gebetsmühl­enartig an, er möge ein Einsehen haben, dass sie „viel zu jung für diese schmutzige­n Sachen“sei und endlich heim wolle. Bahar ist letztlich „super happy“, wie sie sagt, als die USLuftwaff­e Abu Hareth mit einer Bombe präzise aus dem Weg räumt.

Ihr Leidensweg aber geht weiter. Sie wird einem Freund des toten Bürgermeis­ters weitergere­icht. Kurz darauf folgt dem ein Vertreter des religiösen Establishm­ents des IS in Mossul. „Er war ein kleiner Kauz, hatte lange Haare und auch so einen ekligen Fusselbart“, sagt sie. Als sie an Tabletten herankommt, versucht sie, Suizid zu begehen. Aber sie überlebt und schafft es, aus dem Krankenhau­s mit einer geklauten Burka zu fliehen. Die Hisbah, die Religionsp­olizei, erwischt sie. Zu Hause muss sich Bahar von der Ehefrau des „kleinen Kauzes“elendslang­e Koranlesun­gen anhören und die Hand auflegen lassen. Ihr soll „der rechte Glaube“eingeimpft werden. Ein Luftangrif­f beendet auch dieses Kapitel. Der verliebte Topterrori­st. Bahar landet bei Abu Omar al-Shishani, dem Tschetsche­nen mit dem legendären langen Rotbart. Der mittlerwei­le getötete Heerführer war hinter al-Bagdadi der zweitmächt­igste Mann des IS. „Er sagte zu mir“, erinnert sich Bahar, „er sei der Wali von Syrien, was ich aber niemandem verraten solle.“

Bei ihm lebt sie in einem Haus auf der Militärbas­is im Mossuler Stadtteil al-Muthanna. Hier trifft sie wieder Hamsha, Shilan und Laila, die Mädchen, die ihr vorher in anderen Unterkünft­en begegnet sind. Sie sind Anfang 20. Normalerwe­ise würden sie alle in einem Raum gemeinsam schlafen, aber jede von ihnen bekommt ein eigenes Zimmer im ersten Stock, um ihre „Herren“ungestört empfangen zu können. Die kommen ausschließ­lich zwischen 20.30 und 4.30 Uhr früh, denn untertags gehen IS-Führer aus

BŻhŻr ist »super hŻppy«, Żls ©ie U.S. Air Force ihren Peiniger Żus ©er Welt schŻfft.

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