»ONE DAY AT A TIME«
Eine Serie aus den Siebzigerjahren, im Heute angekommen. Und wie! In den ersten Minuten beobachten wir Justina Machado als Penelope, wie sie nach Hause kommt, die Einkäufe auf dem Arm, sie ruft ihren Teenagersohn, er soll tragen helfen. Doch der? Rührt keinen Finger. Antwortet nicht einmal. Wie auch, er kann seine Mutter nicht hören, er sitzt am Sofa, den Laptop auf den Knien, und hat Kopfhörer auf.
Es sind zum Teil diese Details aus dem Alltag der kubanisch-amerikanischen Familie, die den Zuschauer sofort verführen, aber noch mehr sind es der Witz („Single?“, fragt der Patient Krankenschwester Penelope hoffnungsfroh, „Single mom“, erkennt er resigniert) und die für eine Sitcom überraschende Art und Weise, wie Konflikte ausgebreitet werden: Wenn das Thema Sexismus aufkommt („old people sexism“nennt die Tochter gewöhnliche Grapschereien), bekommt man in zwanzig Sekun- START: seit 6. Jänner zu sehen. ANBIETER: Netflix. PLOT: Sitcom über eine kubanischamerikanische Familie. den alle Fettnäpfchen vorgeführt, in die ein Freizeitfeminist so treten kann. Beim auch in dieser Familie strittigen Thema Religion rührt uns dagegen Oma Lydia (Rita Moreno) als Papstfangirl fast zu Tränen.
Mitverantwortlich für die Serie ist Norman Lear, der schon das in den USA enorm erfolgreiche Original entwickelt hat. Wie damals steht eine Alleinerzieherin mit zwei Kindern im Mittelpunkt, wie damals gibt es einen Freund der Familie, der gern und oft hereinschneit, für manche Pointe gut ist und von der ganzen Familie nur Schneider gerufen wird. Jedenfalls liefert Lear den Beweis, dass eine klassische Sitcom in Zeiten, da wir von tragikomischen Serien wie „Transparent“oder „One Mississippi“verwöhnt sind, noch funktionieren kann. Trotz Gelächterkulisse. Und obwohl sich Justine Machado über so manchen Gag selbst zu amüsieren scheint – sogar gerade deshalb.