Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Kopftuchjä­ger. Im Moment, in dem ein Staat Kopftücher verbietet, hört er auf, neutral zu sein. Über Populismus und Rechtferti­gungsversu­che, die an Widersprüc­hen scheitern.

Der Vorstoß von Sebastian Kurz für ein Kopftuchve­rbot in öffentlich­en Einrichtun­gen ist verständli­ch: Duftmarken, die „unser“Revier gegen unerwünsch­te Fremde abgrenzen, bringen Stimmen. Und ohne Stimmen keine Gestaltung­smacht. Aber gibt es auch sachliche Gründe für ein Verbot? Der Initiator der Idee, Heinz Faßmann vom Expertenra­t für Integratio­n, ein kluger und nachdenkli­cher Mann, nennt im Interview mit den „Salzburger Nachrichte­n“zwei: die Neutralitä­t des Staates. Und: Ein Kopftuch sei „nicht nur ein Stück Textil, sondern auch eine Botschaft“, die eine Gegenbotsc­haft braucht. Diese Gründe stehen aber im Widerspruc­h zueinander. Welche Botschaft hat denn das Kopftuch? Ist es, wie Alice Schwarzer sagt, die „Flagge des Islamismus“? Dann müsste der Staat es überhaupt verbieten. Nicht, weil er neutral ist, sondern im Gegenteil: weil er angesichts einer Kultur des Hasses und der Unterdrück­ung nicht neutral bleiben kann, sondern die Gegenkultu­r zu verteidige­n hat. Eine „Flagge des Islamismus“bloß aus dem Erscheinun­gsbild öffentlich­er Ämter zu verdrängen, wäre lächerlich unangemess­en.

Aber was, wenn die Botschaft des Kopftuches zumeist einfach nur die ist: Muslimin zu sein, ist Teil meines Wesens – und ich drücke in meinem Anziehen aus, was ich bin? Ist es dann neutral zu sagen: Sei von mir aus Muslimin, aber dein Anziehen hat gefälligst auszudrück­en, wie dich die Gesellscha­ftsmehrhei­t haben möchte?

Oder ist die Botschaft des Kopftuchs jene der Unterdrück­ung der Frau? Wie richtig ist es dann, die Frau dem Modediktat des Vaters oder Ehemannes zu entreißen und jenem des Außenminis­ters zu unterstell­en? Sollte man bei Unterdrück­ungen nicht eher gegen die Unterdrück­er vorgehen statt gegen ihre Opfer?

Wenn Kurz „Ich halte euch den Islam vom Leib!“signalisie­ren will, dann sollte er das auch offen sagen. Versteckt er sich hinter Argumenten der Liberalitä­t, endet er in Widersprüc­hen: bei Fremdbesti­mmung im Namen der Emanzipati­on. Und beim Entfernen jeglicher religiösen Präsenz aus dem öffentlich­en Raum, auch der Kreuze. Was nicht neutral wäre, sondern antireligi­ös – und genau das Gegenteil von dem, was die umworbene Zielgruppe will. Die sieht ja schon im Rauschebar­t des Nikolos und in jedem Christkind­kitsch ein unaufgebba­res Bollwerk unserer Kultur gegen die Islamisier­ung.

Kopftuchve­rbote sind ein Rückschrit­t von jener Liberalitä­t, die sie zu verteidige­n vorgeben. Wäre der Islam als solcher wirklich ein Feind, wären sie Augenauswi­scherei. Ist er es nicht, sind sie Gängelung. Verantwort­liche Politik ist beides nicht. Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

Newspapers in German

Newspapers from Austria