»Nur wer brennt, kann auch entzünden«
Bernhard Paul lehnte ein Joint Venture mit Ringling ab, weil er sich nichts aus Geld machte. Sein Circus Roncalli läuft noch heute.
Was sagen Sie zum Aus für Ringling, den letzten großen US-Zirkus? Bernhard Paul: Die Amerikaner sind ja knallharte Rechner. Da entscheidet nicht die Liebe zum Metier, sie werden nicht sentimental. Wenn eine Autoshow besser läuft, machen sie eben die. Kennen Sie die Besitzerfamilie Feld? Vater Feld bestellte mich in den 1980er-Jahren in die USA. Sein Sohn hatte unseren Circus Roncalli gesehen und war davon begeistert. Der winzige Mann empfing mich in einem riesigen Büro und sagte mir: „Wir erobern zusammen Europa.“Ich sollte Ringling hier einführen. Eine 50:50-Partnerschaft mit einem der größten Unterhaltungskonzerne: Da schluckt man erst einmal. Aber ich dachte mir: Auf meinen kleinen, netten Zirkus müsste ich dann verzichten. Ich müsste auch alle anderen Feld-Shows mitbetreuen. Das würde ich nur wegen des Geldes machen, und Geld beeindruckte mich nicht. Ich wollte weiter den Clown spielen, mit der Familie vor dem Zelt grillen, das romantische Zirkusleben leben. Also gab ich ihm einen Korb, wohl den ersten, den er je bekommen hatte. Das beeindruckte ihn total. Er konnte nicht glauben, dass ich mir nichts aus Geld mache. Der Cirque du Soleil ist das wirtschaftlich bei Weitem erfolgreichste Zirkusunternehmen. Was halten sie von ihm? Sein Gründer, Guy Laliberte,´ sagte einmal in einem „Spiegel“-Interview: „Ohne Roncalli würde es den Cirque du Soleil nicht geben.“Wir waren damals die Mutter aller Schlachten. Guys erste Shows waren wirklich innovativ. Aber mittlerweile ist das eine Fabrik, die mit Rechten für die Nummern handelt und 20 Shows gleichzeitig laufen lässt. Das sind lauter geklonte Clowns, unüberschaubar. Man kann aber nicht statt eines Picassos mehrere Künstler hinstellen, die dann in der gleichen Art malen. Wo Geld die Triebfeder ist, erstirbt die Kreativität. Nur wer brennt, kann auch entzünden. Was erwarten Sie sich von der Politik? Ein guter Zirkus muss in einen Regisseur und ein Orchester investieren können. Der Staat hat uns nie gefördert. Wir müssen als Kulturbetriebe gelten, wie ein Theater. Wir können ohne Subventionen überleben, aber durch die Steuern bluten wir aus. Dabei geht es für den Staat um nichts: Mit den Steuern von allen Zirkussen zusammen kann er sich höchstens einen Kilometer fehlgeplante Autobahn leisten. Sind die neueren Formen des Zirkus nur etwas für Erwachsene, nicht für Kinder?
Bernhard Paul
(69) gründete 1976 zusammen mit Andr´e Heller den Circus Roncalli. Heute leitet der Österreicher den Zirkus von Köln aus. Seine Gastspiele in Wien und Linz sind über Wochen ausverkauft. Der Zirkus sollte immer ein Theater des Volkes sein, für alle. Ein wirklich guter Clown schafft es, dass Intellektuelle und Kleinkinder an derselben Stelle lachen – so wie bei Charlie Chaplin, dem Schutzheiligen aller Spaßmacher. Haben Kinder nicht mehr die nötige Aufmerksamkeitsspanne für den Zirkusbesuch? Kinder wachsen heute mit einer imaginären Fernbedingung auf. Das ist eine ganz andere Generation, die ständig ihre Handys bedient und aus dem Saal läuft, um Popcorn zu kaufen. Dem muss man bei der Regie Rechnung tragen. Einen Umbau darf es da nicht mehr geben, sonst gehen sie alle pinkeln. Es muss alles schneller sein, mit einem anderen Timing. Aber das muss nicht auf Kosten der Qualität gehen. Wie Chaplin gesagt hat: „Man kann es nur richtig oder falsch machen – und wenn es falsch ist, ist es schlecht.“