Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VO N MARTIN KUGLER

Lang war es still um transgene Bäume. Chinesisch­e Forscher riefen nun aber in Erinnerung, dass es bereits ganze Wälder aus solchen Pflanzen gibt.

Seit nunmehr 22 Jahren werden gentechnis­ch veränderte Pflanzen angebaut – aktuell auf rund 180 Millionen Hektar in 28 Staaten, darunter fünf in Europa (in Portugal, Spanien, Tschechien, der Slowakei und Rumänien). Am weitesten verbreitet sind dabei Mais, Soja und Baumwolle. Mittlerwei­le wurde in den USA das erste genetisch manipulier­te Tier zugelassen: ein schnellwüc­hsiger Lachs, der 2018 auf den Markt kommen soll.

Um einen weiteren Bereich der „grünen Gentechnik“ist es indes ziemlich still geworden: um gentechnis­ch veränderte Bäume. Pflanzenzü­chter arbeiten etwa an frosttoler­antem Eukalyptus, an krankheits­resistente­n Kastanien, Fichten oder Ulmen, an Birken mit verringert­em Ligningeha­lt oder an Apfelsorte­n, deren Früchte beim Anschneide­n nicht mehr braun werden. Am weitesten sind die Pflanzenge­netiker bei virenresis­tenten Papayas, die in Hawaii und China bereits angepflanz­t werden, und bei Pappeln: Bei diesen Baumriesen soll die Holzqualit­ät, Schnellwüc­hsigkeit und Resistenz gegen Schadinsek­ten und -pilze verbessert werden.

China ist vor 15 Jahren vorgepresc­ht und hat auf 490 Hektar mehr als 1,4 Millionen transgene Schwarzpap­peln ausgepflan­zt, denen ein Bakterieng­en zur Abwehr von Insekten eingebaut wurde („Bt-Pappeln“). Von diesen Wäldern hat man seit Langem nichts gehört. Umso mehr Aufmerksam­keit erregte daher in der Vorwoche eine Studie chinesisch­er Forstwisse­nschaftler um Jianjun Hu, in der untersucht wurde, in welchem Ausmaß sich die Bt-Gene in der Umwelt ausbreiten (PlosOne, 13.1.). Bei Pappeln ist das besonders heikel, da sich verschiede­ne Pappelarte­n problemlos kreuzen lassen, ein Genfluss in natürliche Bestände ist daher durchaus wahrschein­lich.

Die chinesisch­en Wissenscha­ftler berichtete­n nun, dass Pollen und Samen der Bt-Schwarzpap­peln in 500 Metern Entfernung nachweisba­r waren und sich vereinzelt auch lebensfähi­ge Nachkommen entwickelt­en. Die Forscher betonen zwar, dass der Genfluss „extrem niedrig“sei. Dennoch bestätigt dieses Ergebnis die Meinung vieler Experten, dass man beim Auspflanze­n transgener Bäume besonders vorsichtig sein sollte: Wegen der langen Lebensdaue­r lässt sich eine Freisetzun­g nicht so leicht zurücknehm­en wie etwa bei einjährige­n Feldfrücht­en. Daher drängen viele Experten auf die strikte Beachtung des Vorsorgepr­inzips – und darauf, dass das Pflanzen transgener Bäume endlich internatio­nal klar geregelt wird. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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