Ein bunter Hund belebt das Geschäft
An guten Tagen kann der 24-jährige Tiroler Manuel Feller im Slalom selbst Henrik Kristoffersen und Marcel Hirscher Paroli bieten. Ein Gespräch über schnelle Schwünge, schräge Typen und den unbezahlbaren Luxus der Anonymität.
Unlängst ist Manuel Feller etwas Seltsames passiert. In einem Innsbrucker Lokal wurde der 24-Jährige tatsächlich von einem Skifan erkannt und um ein gemeinsames Foto gebeten, „zum ersten Mal überhaupt außerhalb von Fieberbrunn“. In seiner Heimatgemeinde ist Feller natürlich kein Unbekannter, unter 4300 Seelen „kennt ja quasi jeder jeden“. Feller hat sich über den Innsbrucker Vorfall durchaus gefreut, „es zeigt, dass man ein bisschen etwas richtig macht“. Der Tiroler, das ist unbestritten, fährt einen der schnellsten Slalomschwünge im Weltcupzirkus. Dass er nach sechs von elf Saisonbewerben in der Disziplinenwertung allerdings nur die Nummer 17 ist, irritiert. Drei Mal schied Feller aus, zuletzt wurde er in Wengen nach flotter Fahrt und einem Einfädler disqualifiziert – es fehlt also an der Konstanz.
Manuel Feller weiß um sein Können und sein Talent. Um mit Gewissheit ein Ticket für den WM-Slalom in St. Moritz am 19. Februar zu lösen, wäre zumindest noch ein Top-Ergebnis in Kitzbühel (10.30/13.30 Uhr, live in ORF 1) oder Schladming dienlich. Mit Sicherheitsläufen, dem ist sich Feller bewusst, lässt sich ein solches nicht einfahren. Eine derartige Herangehensweise widerspricht aber ohnehin seinem Verständnis vom Skirennsport. „Warum sollte ich irgendetwas verändern? Ich stehe nicht am Start, um im Mittelfeld zu landen. Ich will an die Spitze!“Feller ist kein Läufer mit Ambitionen für die Top 10, er strebt nach dem maximalen Erfolg. „Dafür braucht es etwas Geduld.“Und einen klaren Kopf. „Skifahren“, sagt Feller, sei „zu 50 Prozent Kopfsache.“Ein Rennen, ein Podestplatz, ein Sieg kann vieles, nein, alles verändern, Blockaden lösen. Rückschlag. Feller eilte früh der Ruf des Hochbegabten voraus. Bei der Junioren-WM 2013 im kanadischen Quebec gewann er im Slalom Gold, Edelmetall trägt nie zu einer geringeren Erwartungshaltung bei. „Ich weiß, man wartet bei mir schon länger auf etwas Großes, aber es ist ein bisschen etwas dazwischengekommen.“Konkret ein Bandscheibenvorfall im Dezember 2014, der Technikspezialist verpasste damit den Rest der Saison. Ein herber Rückschlag.
Mit 24 Jahren ist Feller immer noch ein Versprechen für Gegenwart und Zukunft, Kollegen und Trainer trauen ihm gleichermaßen jederzeit den großen Wurf zu. Dass er im Training mitunter auch Marcel Hirscher um die Ohren fährt, mutet zwar verheißungsvoll an, aber: „Trainingsweltmeister hat es schon viele gebeben . . .“
Wenn Manuel Feller erst einmal damit beginnen sollte, auf das Podest zu fahren oder Rennen zu gewinnen, dann ist er für Fans wie Medien ein „gefundenes Fressen“. Der passionierte Fischer (größter Fang: ein 22-KiloKarpfen) ist ein lockerer, umgänglicher Typ, der etwas anders als die anderen tickt, sich von der Masse abhebt.
Die Bezeichnung des bunten Hundes ist keineswegs falsch, und es überrascht nicht, dass lange Zeit der USAmerikaner Bode Miller („Ein cooler Typ“) sein Vorbild war. Feller trägt gern weite Hosen, ein Kapperl ist ohnehin Pflicht, „das trage ich seit Kindertagen“. Die langen, wuschelig-lockigen Haare und der auffällige Schnauzer passen ins Gesamtbild, noch gab es keine Rüge vom strengen ÖSV-Sportdirektor Hans Pum. „Aber ich warte schon darauf“, sagt Feller, der mit Art und Aussehen erfrischt, die Mauern der Monotonie spielerisch zum Einsturz bringt. Dass viele seiner Kollegen teils aalglatt, in ihren Antworten simpel gestrickt sind, möchte er gar nicht bestreiten. „Viele schwimmen in eine Richtung, man erkennt kaum Unterschiede.“Feller will das aber nicht als Kritik verstanden wissen, „jeder ist schließlich anders“. Eine Typfrage also. Auch Feller war längst nicht immer so ein aufgeweckter Kerl, er hatte lange Zeit ein Problem damit, sich gegenüber Fremden oder Journalisten zu öffnen. Erst im Internat in Stams hat sich das grundlegend geändert. „Andere tun sich damit ihr ganzes Leben schwer.“ Schattenseiten. Marcel Hirscher hat sich als Branchenprimus längst an all die Fragen und Fotos gewöhnt. In Kitzbühel ist der Rummel um seine Person traditionell besonders groß, „da ist es gut, wenn man ein paar Seiten- und Hintereingänge kennt“. Hirscher genießt in Österreich hohe Beliebt- und vor allem Bekanntheitswerte. Den Lu- Der Slalom auf dem Ganslernhang, die Kitzbühel-Kulisse sind einzigartig. xus, sich hierzulande unerkannt frei bewegen zu können, hat er aber längst verloren. Möchte der fünfmalige Gesamtweltcupsieger einen verhältnismäßig entspannten Kinoabend verbringen, muss er fünf Minuten nach Filmbeginn den Saal betreten und ihn auch frühzeitig wieder verlassen.
Es ist das Los der Erfolgreichen, der Superstars, das erstrebenswert und zugleich abschreckend wirkt. Für Feller ist Hirscher sportlich ein Vorbild, er sagt: „Was der Marcel abliefert, ist für mich sportlich mit das Allergrößte überhaupt. Ein Einfädler im Slalom kann immer passieren, aber er fährt permanent aufs Podest, unglaublich.“Hirschers Erfolge dienen dem drei Jahre jüngeren Feller als Motivation.
Wäre er auch nur annähernd so erfolgreich wie sein berühmter Landsmann, Fotowünsche wie jüngst in Innsbruck wären für Manuel Feller nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Feller aber strebt nur nach Hirschers Erfolgen, nicht nach dessen Status. „Darum beneide ich ihn nicht.“
Feller: Weite Hosen, Kapperl, Wuschelkopf, Schnauzer und ein schneller Schwung.