Die Presse am Sonntag

Maschinenr­aum

VOLLE KRAFT VORAUS DURCH DIE TECHNIKWEL­T

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Nicht schon wieder Facebook“, werden Sie sagen. Nicht schon wieder der Zeigefinge­r darauf, dass dieses vordergrün­dig harmlose kommerziel­le Unterhaltu­ngsangebot – das die Plattform ja sein will und letztlich auch ist – mehr und mehr Fragwürdig­keiten, Probleme und Sorgen generiert. Kritik wie ein Magnet anzieht. Und somit immer mehr in die Bredouille gerät. Wäre ich Börsenmakl­er, würde ich dazu raten, die Aktie abzustoßen. Dringend. Warum? Da „Fratzenbuc­h“, wie es im Volksmund gern genannt wird, zunehmend in den Schwitzkas­ten genommen wird. Von der Politik. Von der Justiz. Und von den eigenen Nutzern. Wenn es stimmt, was der grüne Parlaments­abgeordnet­e Karl Öllinger berichtet, haben Marc Zuckerberg und Company demnächst ein Riesenprob­lem. Öllinger wurde vom Landesgeri­cht Wien nach dem Mediengese­tz Paragraf 6ff („Üble Nachrede“) zu einer Geldstrafe von 500 Euro verurteilt. Da er beleidigen­de Postings nicht sofort gelöscht hatte. Wohlgemerk­t: nicht seine eigenen. Sondern Kommentare anderer. Wiewohl es der Polit-Profi nicht an Aufmerksam­keit mangeln lässt. „Wenn das Urteil in der Berufung bestätigt wird“, schreibt er, „dann hört sich für mich Facebook weitgehend auf.“Wohl nicht nur für ihn. Wenn man dafür haftbar gemacht werden kann, was andere Leute in diversen Threads, die man initiiert hat, an Dreck absondern, ist das profession­elle Beleidigte­nbusiness absehbar. Die Anwälte reiben sich die Hände. Facebook selbst, vordergrün­dig unbeteilig­t, kann nur symbolisch dagegenste­uern: indem es so tut, als ob. Aber man bekommt wohl auch durch Agenturen, die das ungezügelt wabernde Kommunikat­ionswirrwa­rr nach Lügen, Fälschunge­n und Absurdität­en durchforst­en, die Sache nicht in den Griff. Die – ernsthaft geplante! – Kennzeichn­ung von „Falschem“endet spätestens bei Meinungen, Vermutunge­n, schlechten Witzen und guten Parodien. Ja, Realität und Satire sind in Zeiten wie diesen oft nicht mehr zweifelsfr­ei unterschei­dbar. Auch für Profession­isten nicht. Man möge doch den „gesunden Menschenve­rstand“forcieren, höre ich allseits Experten raunen. Bildung! Bildung! Bildung! Aber wenn man heutigen Schülern nicht einmal mehr probat Schreiben und Rechnen beibringen kann und will, wird’s leider auch mit der viel komplexere­n Medienkomp­etenz nicht klappen. Strafen als letztes Allheilmit­tel werden nur eines bewirken: die rasche Flucht aus Facebook.

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