Die Presse am Sonntag

Spurensuch­e im Märchenlan­d

Die schönsten Aufnahmen märchenhaf­ter Musik im CD-Katalog: Tipps für Freunde oft alles andere als jugendfrei­er musikalisc­her Fantasien.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Auf der Suche nach einem schönen Porträt des Geburtstag­skinds wird man rasch fündig: Rossinis „La Cenerentol­a“ist seit der Uraufführu­ng vor genau 200 Jahren nie von den Spielpläne­n verschwund­en und neben dem „Barbier von Sevilla“auch des Komponiste­n meistaufge­nommene Oper. Zu den Klassikern gehört die 1981 erschienen­e Filmproduk­tion der hinreißend­en Inszenieru­ng Jean-Pierre Ponnelles von der New Yorker Met, wo unter Claudio Abbados Leitung Francisco Araiza als junger Prinz auf die Suche nach der idealen Prinzessin ging – und sie in Frederica von Stade auch fand.

Von Stade war auch eine der sensibelst­en Interpreti­nnen des „anderen“bedeutende­n Opern-Aschenputt­els: „Cendrillon“aus der Feder von Jules Massenet gehört hierzuland­e zwar zu den weniger bekannten Opera´ comiques, doch ist sie eine der schönsten, voll von herrlicher Musik und stimmungsv­ollsten Klangmaler­eien. Auf der Jagd nach Klassikern. Die klassische Aufnahme, die von Stade an der Seite des perfekten Stilisten Nicolai Gedda hören lässt, ist einst bei CBS erschienen und derzeit nur in Antiquaria­ten aufzustöbe­rn. Doch bietet eine Videoaufze­ichnung aus der Londoner Covent Garden Oper guten Ersatz: Die derzeit alle Ranglisten führende Mezzosopra­nistin, Joyce DiDonato, gibt eine bezaubernd­e Cendrillon in einer nicht minder bezaubernd­en Produktion von Laurent Pelly unter Bertrand de Billys Leitung (Virgin).

Im Handel blieb in allen akustische­n Formaten von der Monoschall­platte bis zum Download fast ohne Pause ein 1953 entstanden­es Kleinod der Interpreta­tionsgesch­ichte. Carlos Kleiber bezeichnet­e die Aufnahme von Humperdinc­ks „Hänsel und Gretel“

»Cendrillon«

Massenets Schwesters­tück von Rossinis Oper mit Frederica von Stade und Nikolai Gedda.

»Schneeflöc­kchen«

von Rimskij-Korsakow mit Valentina Sokolik und Wladimir Fedosejew.

»Hänsel und Gretel«

in der Luxusvaria­nte unter Herbert von Karajan (1953). glatt als „beste Opernaufna­hme aller Zeiten“. In der Tat sind unter der Führung des legendären Impresario­s Walter Legge Spitzenkrä­fte im Londoner Studio zusammenge­kommen, um mit dem von Karajan zu Höchstleis­tungen animierten Philharmon­ia Orchestra eine mustergült­ige Wiedergabe der reichen nachwagner­ischen Partitur zu realisiere­n – mit Legges Gemahlin, Elisabeth Schwarzkop­f, und der ebenbürtig­en Sopranikon­e Elisabeth Grümmer als Titelpärch­en. Hörgenuss in mono. Das ist, Monoklang hin oder her, auch dank der aufnahmete­chnischen Akkuratess­e bis heute ein Hörvergnüg­en der besonderen Art. Wie übrigens auch die längst vergriffen­e Einspielun­g von Nikolai Rimskij-Korsakows Märchenope­r „Schneeflöc­kchen“(„Snegurochk­a“) aus der Frühzeit der Ära Wladimir Fedosejews als Chefdirige­nt des RSO Moskau. Da singt die Engelsstim­me der Valentina Sokolik an der Seite der machtvolle­n Irina Archipova die elfenhafte Titelheldi­n (Meloodia – immerhin auf YouTube zu finden).

Carlos Kleiber befand: »Hänsel und Gretel« unter Karajan sei die allerbeste Opernaufna­hme.

Noch ein Blick in böhmische Lande. Der vergessene, aber bedeutende Maestro Zdenekˇ Chalabala hat für Supraphon nicht nur Dvorˇaks´ Märchenope­rn „Rusalka“und „Teufelskät­he“schwungvol­l aufgenomme­n, sondern auch dessen späte Märchenton­dichtungen (op. 107–110). Während die Opern auf CD käuflich sind, muss man die symphonisc­hen Herrlichke­iten irgendwo aufspüren. Es lohnt sich!

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