Culture Clash
FRONTNACHRICHTEN AUS DEM KULTURKAMPF
Fake News. Populistisch sind mitunter auch renommierte Entwicklungshilfeorganisationen. Etwa wenn sie mit »Fakten« operieren, die mit der Realität nur flüchtige Bekanntschaft haben.
Jedes Jahr in Davos schlägt der Entwicklungshilfekonzern Oxfam Alarm: Die Ungleichheit habe zugenommen – die ärmere Hälfte der Welt besitze gemeinsam nicht mehr als die x reichsten Menschen. Wobei x für immer weniger steht, heuer waren es acht. Journalisten erkennen zunehmend die fehlende Aussagekraft solcher Zahlenspiele. Worauf sie nicht hinweisen: Nicht nur die Schlüsse sind falsch, auch die Zahlen.
Oxfam beruft sich bei den Angaben über die Vermögensverteilung der Welt auf den „Global Wealth Report“des Bankhauses Credit Suisse. Das ist anspruchsvolles Kaffeesudlesen. Ein PR-Gag, damit in den Zeitungen möglichst oft „Credit Suisse“im selben Satz vorkommt wie „Millionäre“.
Credit Suisse betrachtet nur Finanz- und Immobilienvermögen: Geld auf dem Konto, Aktien, Anleihen sowie Firmen, Wohnungen und Häuser, die einen Marktwert haben. So gesichertes Vermögen ist in vielen Teilen der Welt tatsächlich kaum vorhanden. Und über seine Verteilung weiß man in Wirklichkeit kaum etwas. Nur wenige Länder mit konsequent erhobenen Vermögensteuern wissen ungefähr, wer bei ihnen wie viel besitzt. Für alle anderen stützen sich die Credit-Suisse-Statistiker auf Umfragen oder auf Analogien zur Einkommensverteilung.
Da dieser Datenmischmasch aber immer schon einige Jahre alt ist, muss man ihn mit Börsen- und Konjunkturzahlen auf das aktuelle Jahr hochrechnen. Bei all dem bleiben Kaufkraftunterschiede zwischen den Weltgegenden unberücksichtigt. Damit will Credit Suisse dann exakt berechnen können, dass 2016 die Zahl der Millionäre in Indonesien von 99 auf 112 angestiegen ist. Oder dass genau 18,7 Prozent der Schweizer zum ärmsten Fünftel der Weltbevölkerung gehören.
Das ist alles nur vorgebliches Wissen. Als könne man mit dem Konsum in Wiener Restaurants und analog der Bierverkäufe in Salzburg von 2009 und dem Wirtschaftswachstum von 2016 ausrechnen, dass 4.367.955 Österreicher im Vorjahr keinen Wein getrunken haben. Oxfam würde dann auch noch das „Buch der Rekorde“damit verknüpfen und sagen, dass die drei stärksten Weintrinker mehr gesoffen haben als die abstinentere Hälfte der Österreicher zusammen – und was das über den Durst aussage, sei ja klar.
Es gibt eine Verantwortung für das, was man der Welt mitteilt. Wenn wir die realen Herausforderungen von Armut, Ungleichheit und der Macht der Superreichen auf der Basis von Fake News angehen, werden wir sie nicht meistern. Wer die Diagnose vernebelt, verunmöglicht die richtige Therapie: Weltverbesserung mit weltfremden Daten funktioniert nicht. Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.