Die Presse am Sonntag

»Einmal hat Habsburg einen Mann, und dann ist es eine Frau«

Vierzig Jahre lang lenkte im 18. Jahrhunder­t eine Frau die Geschicke einer Großmacht. Die reformfreu­dige und populäre Herrscheri­n Maria Theresia, die 2017 ihren 300. Geburtstag feiert, legte viele Grundlagen für eine Modernisie­rung Österreich­s und wurde a

- VON GÜNTHER HALLER

Es ist nicht schwer zu erraten, von wem der Satz in unserem Titel stammt: natürlich von dem Zyniker und Frauenfein­d in Berlin, dem Preußenkön­ig Friedrich II., den Maria Theresia zeit ihres Lebens als „Scheusal“und „Monster“bezeichnet­e, der ihr das Erbe ihrer Dynastie streitig machen wollte. Man war männliche Herrscher gewohnt, noch nie zuvor hatte eine Frau den habsburgis­chen Thron bestiegen. Gab es überhaupt einen geeigneten Titel für sie? „Pro rege nostro“schrien die Ungarn ihren Huldigungs­eid hinaus, „für unseren König“, wie sie es gewohnt waren.

Der Kult rund um Maria Theresia, in ihrer Zeit und bei der Nachwelt, beweist: Sie ist mehr als nur eine geschichtl­iche Figur des 18. Jahrhunder­ts. Vierzig Jahre, von 1740 bis 1780, herrschte sie, kein Rekord also, Franz Joseph I. hat das im 19. Jahrhunder­t locker in den Schatten gestellt. Warum erfreut sich Leben und Wirken Maria Theresias dennoch bis heute uneingesch­ränkter Sympathie? „Das Erstaunlic­he an der Beurteilun­g durch die Nachwelt ist, dass sich keine Polemik zur Persönlich­keit und Leistung Maria Theresias entwickelt hat, alle Autoren und Autorinnen beurteilte­n Maria Theresia völlig positiv, nicht einmal der Ansatz einer fundamenta­len Kritik ist wahrzunehm­en“, fasst der Historiker Karl Vocelka das tradierte Bild einer liebevolle­n, dem Allgemeinw­ohl ihres Volkes verpflicht­eten Landesmutt­er zusammen. Wir können kaum davon ausgehen, dass sich diese positive Beurteilun­g gerade im heurigen Jubiläumsj­ahr ändern wird. Runde Geburtstag­e taugen schlicht nicht zur Entmythifi­zierung. Die konservati­ven Züge, die Maria Theresia bis hin zur praktizier­ten Intoleranz im Zeitalter der Toleranz auch aufwies, werden als zeitbeding­te Randersche­inungen abgetan.

Natürlich ist es für den Biografen verpflicht­end, das historisch Bedeutsame aus ihrer Regierungs­zeit zu berichten, aber gerade in ihrem Fall fällt es

Maria Theresia zum 300. Geburtstag

Das neue Geschichte­Magazin der „Presse“beschäftig­t sich zum Jubiläumsj­ahr mit Maria Theresia (1717 − 1780). Zum Inhalt: Die unvorberei­tete Thronfolge­rin − Kampf um das Erbe − Charakter und Persönlich­keit − Ihre Kinder und ihre Ehe − Aufgeklärt­er Absolutism­us − Modernisie­rung in Staat, Recht und Verwaltung − Toleranz und Religion − Die Bauern − Die Schulrefor­m − Ihre Soldaten − Residenzst­adt Wien − Der schwierige Sohn − Die Männer an ihrer Seite − Schönbrunn − Die Hofmaler − Soziales Elend hinter barockem Glanz. Viele Bilder, Karten, Grafiken. Bestellbar unter diepresse.com/ geschichte. Preis für Abonnenten 6,90 €, sonst 8,90 €. Erscheinun­gstermin: 22. 2. 2017 schwer, ganz auf das Anekdotisc­he, das sich um die Person der Habsburger­in rankt, zu verzichten. Manche Herrscher sind als Institutio­n wichtiger denn als Persönlich­keit, das ist der Fall bei Maria Theresias Vater, Karl VI.: Er ging in die Geschichte mit der wenig glamouröse­n, aber notwendige­n Rolle ein, der Vater Maria Theresias gewesen zu sein und eine Nachfolger­egelung für das weibliche Familienmi­tglied gebastelt zu haben. Dass er zugleich Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und Herr eines der fünf mächtigste­n Staaten Europas, nämlich der österreich­i- schen Monarchie, war, macht ihn für die Nachwelt als Person noch nicht interessan­t. Anders bei Maria Theresia selbst, die ein facettenre­iches Leben als lebenslust­ige Erzherzogi­n, Monarchin, die tapfer ihr Erbe verteidigt­e, allseits geliebte Landesmutt­er und schließlic­h konservati­ve Reformerin führte. Sie weckt auch als Persönlich­keit unser Interesse, die Bürde und Würde des Amts hat den Menschen nicht überwucher­t.

Ein facettenre­iches Leben als lebenslust­ige Frau, die zugleich hart kämpfen kann.

Rising star. Diese Vermischun­g von Amt und Person begann schon, da war sie erst 18 Jahre alt. Abgebrühte ausländisc­he Diplomaten am Wiener Hof wählten plötzlich eine andere, aufgeregte Sprache, als sie vom Aufgehen eines neuen Sterns berichtete­n. Sie waren fasziniert, dass eine Prinzessin mit großer Entschloss­enheit sich mit einer extravagan­ten Partnerwah­l durchzuset­zen schien: Seit ihrer Kindheit liebte sie den lothringis­chen Prinzen Franz Stephan, und den wollte sie haben, keinen sonst. Man zog Schlüsse daraus: Die junge Frau zeigte offensicht­lich einen klaren Blick für die Schwächen ihres Vaters, der sie nie auf die Thronfolge vorbereite­te, obwohl kein Sohn weit und breit zu sehen war. Sie rechnete damit, dass sie eines Tages regieren würde. Die kühle Analyse des britischen Botschafte­rs: „Die Erzherzogi­n überlegt mit klarem und scharfem Verstand und möchte sich unbedingt einen Überblick über die Staatsgesc­häfte verschaffe­n. Sie ist so sehr auf das Herrschen erpicht und so sehr dazu geeignet, dass sie ihren Vater als eine Art Verwalter (!) ansieht.“

Nach dem frühen Tod des Vaters 1740 war die Situation für die Thronfolge­rin brandgefäh­rlich: Wie die Wölfe stürzten sich die

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