PROGNOSE
oder die dörfliche Struktur genannt – wiewohl es beim Zuzug aus Wien vorwiegend um Bessersituierte, oft Jungfamilien, geht. Mitunter, so Kreutzer, sei in den Gemeinden auch die Befürchtung genannt worden, bestehende Immobilien könnten ihren Wert verlieren, wenn durch zusätzlichen Wohnbau der Druck vom Markt genommen werde.
Da legt die Studie eine Diskrepanz zwischen Wunsch – oder proklamiertem politischen Ziel – und Wirklichkeit offen: Immobilienpreise sind im Umland, wie in Wien, überdurchschnittlich gestiegen. Das Schaffen von leistbarem Wohnraum befände sich zwar stets auf den politischen Agenden, allerdings stünden solche Vorhaben oft in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Bauleistung. Demnach würden bei diversen Bauträgern Projekte mit in Summe mehr als 16.700 Wohneinheiten auf ihre Realisierung warten. Aus heutiger Sicht hätte aber gut die Hälfte davon keine Aussicht auf Umsetzung – denn eine solche scheitere an der Baugenehmi- gung oder schon der Flächenwidmung.
Dementsprechend steigen die Preise: Aus einer aktuellen Analyse des Portals Willhaben.at geht hervor, dass die Preise von Eigentumswohnungen im Umland teils ebenso rasch gewachsen sind wie in Wien: Im Bezirk Wiener Neustadt etwa waren es von 2015 auf 2016 plus 10,9 Prozent, in Mistelbach 11,6 Prozent, in Korneuburg sieben Prozent, Tulln 8,2 Prozent und im (nun aufgelösten) Bezirk Wien-Umgebung plus 6,2 Prozent binnen eines Jahres.
Auch die Immobilienfirma Re/Max geht von einer klaren Diskrepanz zwischen Nachfrage und Angebot aus: Im so genannten „Speckgürtel“würde die Nachfrage nach Immobilien heuer um 4,6 Prozent, das Angebot aber nur um 1,4 Prozent wachsen – die Preise dürften laut dieser Prognose um 3,2 Prozent steigen, vor allem Einfamilienhäuser gewinnen an Wert. Entgegen der bisherigen Entwicklung würde aber die Nachfrage (und damit die Preise) in der ländlichen Region, die an das Umland Wiens anschließt, noch stärker steigen. Der Zuzug verlagert sich. Eine Entwicklung, die auch Kreutzer beobachtet. Er geht davon aus, dass sich der Zuzug noch stärker in den Bezirk Tulln, ins Weinviertel, in Orte wie Schwechat oder in die Region um Parndorf verlagern wird – in letzterer beobachtet man schon massive Preissteigerungen. Der Süden Wiens etwa ist schon dicht verbaut, im Westen, in der WienerwaldGegend, sind die Möglichkeiten aufgrund der Topografie beschränkt.
Als einen beispielhaften Ort für diese Entwicklung sieht er Breitenfurt – auch, wenn dieser etwas anachronistisch scheint, wenn man über dichte Verbauung spricht. Immerhin liegt hier mitten im Ort ein rund 100.000-Quadratmeter-Grund brach, der seit Jahrzehnten als Bauerwartungsland gewid- met ist. Nun gehen dort die Breitenfurter mit ihren Hunden spazieren.
Bauen? Kein Thema, sagt Bürgermeister Ernst Morgenbesser (ÖVP). Auch wenn er damit nicht glücklich ist. „Dieser Grund ist ein Lehrbeispiel dafür, wie man einen Ort entwickeln könnte. Aber jeder Versuch, den Ort aus der Vogelperspektive anzuschauen, langfristig eine Entwicklung zu planen, ist an massivem Widerstand geschei- tert.“Er spricht von Zersiedelung, den verstreuten Einfamilienhaus-Siedlungen als „Sünden der Vergangenheit“. Diese kommen der Gemeinde mitunter teuer – jene am Sperrberg etwa mit Kanal, Winterdienst und mehr zu versorgen, stünde in keinem Verhältnis zu den 800 Euro pro Kopf aus dem Finanzausgleich. Ein Geschäft sei Zuzug aus Wien nicht. Aber in Breitenfurt hat man ohnehin andere Sorgen, die Wegzüge. Aktuell seien es 43 Hauptwohnsitze we- niger als vor einem Jahr – „vermutlich haben Zweitwohnsitzer ihren Hauptwohnsitz wegen des Parkpickerls nach Wien verlegt.“Vor allem Junge ziehen weg von hier. Mietwohnungen gibt es in Breitenfurt kaum.
Um die Jungen im Ort zu halten, läuft derzeit das Projekt „Leistbares Wohnen“– das erste dieser Art seit 20 Jahren – mit Mietwohnungen, die 2018 gebaut werden sollen. Bei der Vergabe will die Gemeinde dann selbst mitmischen und die Einheiten nach einem Punktemodell an die Frau, oder den Mann bringen. Bonuspunkte soll es beispielsweise für ein Engagement in einem örtlichen Verein geben. Wiener? Bitte warten. Ähnliche Probleme kennt man in vielen Orten: Der Zuzug aus der Stadt verträgt sich oft nicht ganz mit dem bestehenden Ortsleben. Für Junge bleiben keine günstigen Wohnungen, sie wandern ab, das alte Ortsleben leidet, und eine reine Schlafgemeinde für Auspendler, das will keiner der Umlandorte sein. Einige steuern sogar aktiv dagegen. Auch, wenn das für jene, die in der Stadt vom Grünen träumen, heißt: bitte warten.
Die Bevölkerung
Österreichs wird bis 2030 auf mehr als 9,2 Millionen Menschen anwachsen – das geht aus der regionalisierten Bevölkerungsprognose hervor, die die Statistik Austria im Auftrag der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) erstellt hat, und die den Gebietskörperschaften als Planungsgrundlage dient.
Am stärksten
wachsen wird demnach Wien (bis 2030 auf 2.077.000 Personen) und die angrenzenden Regionen in Niederösterreich.
Die Immobilienpreise steigen rasch – und stehen jenen in Wien um nicht mehr viel nach. Die Zersiedelung ist auch in Breitenfurt eine »Sünde der Vergangenheit«.