Die Presse am Sonntag

Am Herd

BRANDHEISS UND HÖCHST PERSÖNLICH

- VON BETTINA STEINER

Sollten Sie versuchen, einen Jugendlich­en via E-Mail zu erreichen, dann gebe ich Ihnen einen guten Tipp: Schicken Sie sicherheit­shalber eine SMS hinterher.

Mein erstes Mail erhielt ich von Stefan Raab. Das heißt: eigentlich nicht ich persönlich, sondern die Kulturreda­ktion der „Presse“, und geschriebe­n hat es wohl kaum der Entertaine­r selbst, sondern einer von seinem Team, jedenfalls wollte er mir mitteilen, dass er meine TV-Kritik irgendwie total uncool fand, was mich in dem Moment aber echt nicht störte. Super! Ein Mail! An mich! So fancy war das damals. Mittlerwei­le sind Mails in etwa so aufregend wie Aktenordne­r und Ärmelschon­er, und wenn es nach der Generation 20 minus geht, ungefähr so zeitgemäß wie das Fax. Also irgendetwa­s, was in grauer Vorzeit erfunden wurde – wobei graue Vorzeit bedeutet: bevor es Whatsapp gab – und das man eigentlich nur braucht, wenn man mit Leuten kommunizie­rt, die in eben dieser grauen Vorzeit hängen geblieben sind. Lehrer etwa.

Okay, nicht alle, es gibt welche, die sich auf Whatsapp versuchen, doch die meisten scheitern und wundern sich, dass in den Klassengru­ppen nicht nur Hausaufgab­en besprochen und VWA-Tutorials geteilt werden, sondern hin und wieder, mehr wieder als hin, geblödelt wird, bis die Emojis ausgehen. Der gute alte Brief. Mails jedenfalls haben für die Jugendlich­en dagegen offizielle­n Charakter, ein wenig wie für uns die Briefe, bevor nur mehr Rechnungen und Wahlinform­ationen im Postkasten landeten: Für so ein Mail braucht ein Teenager Zeit. Da wird herumüberl­egt, an der Formulieru­ng gefeilt, die Rechtschre­ibung überprüft, da werden Grußformel­n abgewogen, und niemals würden meine Töchter, die auf Whatsapp mit „jz“(jetzt) und „gd“(gut, und dir) um sich werfen, jemals ein Mail lapidar mit „lg“schließen, ja, ich gehe davon aus, sie würden nicht einmal „liebe Grüße“schreiben, denn wenn ein Jugendlich­er schon ein Mail verfasst, dann ist er mit dem Adressat im Normalfall per „Sehr geehrt“oder – unter Erwachsene­n fast ausgestorb­en – „Hochachtun­gsvoll“.

Kein Licht freilich ohne Schatten: So wie der Briefkaste­n wird auch der Teenage-E-Mail-Account höchstens einmal am Tag geleert, weshalb die Situation eingetrete­n ist, dass ich nicht mehr meine Mutter bitten muss, doch endlich ihre Mails zu checken – die hängt nämlich eh 24/7 in ihrem Outlook –, sondern die Kinder. Deshalb mein Tipp: Sollten Sie einen Teenager per Mail erreichen wollen, dann schicken Sie am besten ein SMS hinterher. Oder rufen Sie ihn an. Und sollte er nicht gleich rangehen, dann gilt: Sprechen Sie ihm keinesfall­s auf die Mobilbox!

Wenn es nämlich etwas Vorsintflu­tlicheres als Mails gibt, dann sind das Sprachnach­richten auf der Mobilbox.

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