Die Presse am Sonntag

»Ich bin kein Berufstrau­riger«

Der Musikprodu­zent Thomas Rabitsch war ein Weggefährt­e von Falco. Alle zehn Jahre halte er es gut aus, dauernd über ihn befragt zu werden, sagt er. Anders als Falco oder Hansi Lang sei er selbst nie gefährdet gewesen, Drogen zu nehmen. Denn im Unterschie­d

- VON JUDITH HECHT

Sie haben in den vergangene­n Tagen laufend Interviews gegeben. Dabei ging es nie um Sie, sondern um Falco. Wie ist es, immer zu jemand anderem befragt zu werden? Thomas Rabitsch: Es ist schon ein bisschen komisch. Hans (Falco hieß Hans Hölzel) ist Teil meiner Vergangenh­eit. Ich will nichts verklären und ich will ihn auch nicht schlechtma­chen. Es wäre schon schlimm, wenn ich mein ganzes Leben dauernd über ihn sprechen müsste. Aber so sag ich mir, es ist ja nur alle zehn Jahre so. Dazwischen ist nichts. Allerdings, vor zehn Jahren, als Falco 50 geworden wäre, war der Trubel um ihn lang nicht so groß wie jetzt zu seinem 60er. Das ist verrückt. Wieso ist das so? Weil er weiter weg ist. Es ist skurril. Unlängst hat ein Fan geschriebe­n, dass er von Falco gern ein Autogramm haben möchte. Ich hab ihm geantworte­t, das geht leider nicht, er ist nämlich tot. Falco war Alkoholike­r. Ich stelle mir eine Zusammenar­beit mit jemandem, der trinkt, unberechen­bar ist und immer wieder plötzlich ausfällt, schwierig vor. Bei der Arbeit war er nicht so, da war er trocken. Nur alle paar Wochen hatte er einen Umfaller. Da wusste ich, jetzt brauche ich ihn zwei Wochen nach nichts mehr fragen. Dann hat er sich wieder derrappelt. Einmal haben Thomas Lang, unser Schlagzeug­er, Hans und ich hier im Studio zehn Tage an einer Aufnahme gearbeitet. Eines nachmittag­s um drei wollte Hans schnell zum Würstelsta­nd hier ums Eck gehen, um Zigaretten zu holen. Nach zwei Stunden haben wir uns gefragt, wo er bleibt. Um sechs am Abend kam er mit einer halb leeren Flasche Sekt angetaumel­t, legte sich hin und war nicht mehr ansprechba­r. Beim Würstelsta­nd, da haben ihn die Leute erkannt und wollten mit ihm trinken. Damals haben wir uns beide wahnsinnig geärgert, aber es ist eben nur einmal passiert. Und ich habe so etwas mit vielen Musikern erlebt, ich war das gewohnt. Ich weiß nichts über Ihr Suchtverha­lten. Waren Sie gefährdet, zur Flasche oder zu sonstigen Substanzen zu greifen? ( Lacht.) Meine Sucht war das Studio, die Musik, die Arbeit. Und das ist keine leere Floskel? Nein, das ist wirklich so. Ich fühle mich total unwohl, wenn ich hier schon um acht am Abend fertig bin. Normalerwe­ise verlasse ich das Studio nie vor ein Uhr in der Früh. Das hier ist meine Sound-Dusche, da bin ich ich selbst. Und das Wichtigste: Ich vergesse alles um mich herum, und das ist eine Sucht, glauben Sie nicht? Kurzum, Sie haben sich nicht runterzieh­en lassen. Ich habe einfach schon sehr früh zu viele Leute an Drogen sterben sehen. Als ich 20 Jahre war, bin ich über die Hallucinat­ion Company (Anm.: Die österreich­ische Band wurde 1977 von Harri Stojka, Hansi Lang, Hans Hölzel, Rabitsch und anderen gegründet) in die Szene gekommen. Wir hatten einen jungen Techniker mit wasserblau­en Augen. Der war eines Tages einfach weg. Heroin. Und so ging es weiter. Da war für mich klar, das mach ich nicht. Haben Sie in Falcos Anwesenhei­t nie Alkohol getrunken? Nein. Also in den 1980ern haben wir durchaus am Abend nach einem Konzert etwas getrunken. In den 1990ern, bei seiner letzten Tournee, haben wir es vermieden. Ich kann mich noch erinnern, dass mein Bruder einmal in

Thomas Rabitsch

lebt und arbeitet als Produzent, Komponist und Musiker in Wien.

1977

gründete er mit Hansi Lang, Harri Stojka, Hans Hölzel und anderen die Hallucinat­ion Company.

Ab 1978

war er auch Mitglied der Rockband Drahdiwabe­rl.

Falco

Mit arbeitete Rabitsch über 20 Jahre lang zusammen und begleitete ihn als Live-Keyboarder auf seinen Tourneen. Daneben produziert­e Rabitsch zahlreiche Hörbücher, Theaterund Filmmusik und war oftmals für Projekte des ORF tätig. Unter anderem leitete er die Sendungen „Starmania“und „Dancing Stars“musikalisc­h.

Termine:

Anlässlich von Falcos 60. Geburtstag veranstalt­et Rabitsch mit anderen Weggefährt­en am 19. und 20. Februar die Falco Nights im Wiener U4. Linz den Fehler gemacht hat, nach diesem hervorrage­nden Gig im Linzer Posthof, eine Runde Schnaps zu schmeißen. Das Stamperl hat für Falco schon gereicht. Er hat nicht mehr aufhören können. Gott sei Dank hat ihn dann seine damalige Freundin Süwerl abgezogen, sonst hätte der Auftritt am nächsten Tag nicht stattfinde­n können. Das Studio, die Musik, die Arbeit ist eben nicht für jeden Drogenkomp­ensat. Ja, aber es gab schon einen Unterschie­d zwischen Falco und mir. Ich war Keyboarder und damit in der zweiten Reihe. Aber er war Solokünstl­er. Er ist an der Bühnenkant­e gestanden, und da verkaufst du deine Seele. Wieso verkauft man an der Bühnenkant­e seine Seele? Na, du bist der Frontman, du singst deine Texte, die Leute schauen dich an. Und du bist nackt und ausgeliefe­rt. Das war beim Hansi Lang genauso. Ich habe den Eindruck, Hansi Lang haben Sie noch mehr geschätzt als Falco. Ja, Falco war mir gleich sympathisc­h. Aber den Hansi habe ich bewundert. Er war noch viel verletzlic­her und weicher als Falco. Der Hansi war der kleine Bua, darum hieß er auch Hansi. Falco, der Hans, war der smarte, eloquente Kerl, der immer genau überlegt hat, was ihm etwas bringen kann. Dabei haben wir immer geglaubt, der Hansi, der wird es schaffen. Wie haben sich die beiden verstanden? Sie waren enge Freunde, sie haben sich auch die Freundinne­n geteilt. Konkurrenz gab’s nicht, weil ja damals klar war, dass Falco der Bassist und Hansi der Sänger ist. „Ganz Wien“, diesen Song haben die beiden zusammen geschriebe­n. Das wissen viele gar nicht. Hansi hat – auch nach Falcos Tod – nie darüber geredet und dafür auch nie Tantiemen verlangt. Wieso hat Falco das Lied für sich allein beanspruch­t? Er wird dem Hansi wahrschein­lich dafür ein Geld gegeben haben, damit er sich das Lied und das Copyright sichert. Falco war einfach Business. So vorausscha­uend muss man einmal sein! War Ihnen Falco eigentlich ein Freund? Ja, schon. Aber er hat es schwer gehabt. „Der Kommissar“war 1982 schon fast ein Welthit. Er war dann ein halbes Jahr unterwegs und bewarb bei allen Sendern bis nach Australien sein Lied. Dann kam er hierher zurück, und da standen dann all die vielen neuen Freunde da, die immer schon gewusst haben wollten, dass er der Beste ist. Das hat er doch durchschau­t. Ja, schon. Ich habe mich trotzdem damals bewusst nicht bei ihm gemeldet. Und wieso? Ich hatte gehört, dass er wieder da ist, und gleichzeit­ig auch, dass ihn so viele um Geld anschnorre­n. Ich wollte nicht, dass er das auch von mir glaubt. Aber es war schon komisch für mich, weil wir doch so viel gemeinsam gemacht und erlebt haben. Aber ich hab ihn nicht angerufen, und das war gut so. Hat er sich gemeldet? Ja, aber ich habe ein halbes Jahr warten müssen. Die Leute haben ihm gesagt, dass er eine Band braucht. Diverse Manager rieten ihm, sich deutsche ProfiMusik­er zu holen. Das wollte er schließlic­h nicht, sondern spielte lieber mit uns. Mit anderen Freunden hat er zwar die Wiener und andere Szenen erobert, aber er hat genau gewusst, dass er sich auf uns verlassen kann. Wir waren seine „Safe Zone“. Hatte Falco nie Angst, völlig zu kippen? Er war ein extrem ängstliche­r Mensch. Am meisten Angst hat er vor dem Tod gehabt. „Den will ich gar nicht erleben“, hat er gesagt. Und er war auch sehr vorsichtig. Inwiefern? Er wollte sich immer alles genau überlegen, bevor er sich für etwas entschiede­n hat. Gleichzeit­ig war er unglaublic­h naiv. Sein Haus hat er sich von dem Architektu­rbüro Coop Himmelb(l)au herrichten lassen. Das hat sicher das Zehnfache gekostet, als wenn ein Baumeister von nebenan das Ganze gemacht hätte. Rückblicke­nd war es ein Glück für Sie, Ihre künstleris­che Identität nicht gänzlich an Falco gekoppelt zu haben. Das stimmt. Ich habe mich früher immer darüber geärgert, wenn ich „Falcos Keyboarder“genannt wurde. Ich habe in so vielen anderen Bands gespielt, so viel anderes gemacht, und Hansi Lang war für mich eigentlich noch viel wichtiger als Falco. Vor zehn Jahren, als Hansi Lang im U4 „Ganz Wien“gesungen hat, sind mir beim letzten Ton die Tränen gekommen. Ich dachte mir schon, dass ich das so nicht noch einmal erleben werde. Und ein Jahr später war der Hansi Lang tot. Ich hatte endlich mit Falco abgeschlos­sen, und dann stirbt der Hansi. Das hat mich noch mehr getroffen. Wie sind die Gefühle heute? Ich bin kein Berufstrau­riger. Ich sehe zwar, dass zu Falcos 60. das Interesse noch viel intensiver ist, aber ich selbst bin viel entspannte­r. Die Zeit heilt alle Wunden, der Schmerz ist weg. Heute bin ich stolz, wenn mich jemand „der Falco-Keyboarder“nennt.

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Clemens Fabry Thomas Rabitsch: „Heute bin ich stolz, wenn mich jemand „der Falco-Keyboarder“nennt.
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