»Kurz und Kern nicht gefährlich für FPÖ«
Norbert Hofer über sein neues Image, den Wahlkampf-Wendepunkt mit Frau Gertrude, das neue Wirtschaftsprogramm der FPÖ, Donald Trump, Wladimir Putin und seine Kreuzfahrt in Schlagerstar-Manier.
Wie geht es Ihnen nach einem Jahr Präsidentschaftswahlkampf? Norbert Hofer: Vor einem Jahr war ich noch ein relativ ungekannter Politiker. Jetzt ist alles anders: Wann immer du dich in der Öffentlichkeit bewegst, wirst du angesprochen, es werden Selfies gemacht, Menschen reden einen an, dass sie gern mitarbeiten würden. Und es gibt auch immer mehr Anfragen aus der Partei selbst, an Veranstaltungen teilzunehmen. Aber hat sich das aus Ihrer Sicht wirklich ausgezahlt? Vor dem Wahlkampf hatten Sie das Image des moderaten, umgänglichen Freiheitlichen, einige Monate später waren Sie dann der harte Rechtsaußen. Ich glaube, das wird sich sehr rasch wieder legen. Dass bei so einer Wahl die Gegner versuchen, dich möglichst schlecht dastehen zu lassen, damit muss man rechnen. Haben Sie sich ungerecht behandelt gefühlt? Ja. Aber man wird sich nie ganz gerecht behandelt fühlen. Egal, welchen Beruf man hat. Viel diskutiert war Ihr aggressiver Auftritt im letzten TV-Duell vor der Stichwahl. Warum war das so? Ich habe diese Woche auch mit Van der Bellen darüber gesprochen: Mich hat in diesem Augenblick sehr getroffen, als er mir das Bild seines Vaters gezeigt hat. Das hat mich emotional aufgewühlt. Weil einige Tage davor mein Vater als Erz-Nazi bezeichnet wurde, was er nie war. Er war ÖVP-Gemeinderat, dann Parteifreier. Es gab bei meinen Fernsehauftritten jedenfalls nie eine Strategie, ich bin immer unvorbereitet hineingegangen. Es war kein Versuch, das Ruder noch einmal herumzureißen, da man wusste, dass man in den Umfragen zurücklag? Nein, wir hatten keine Umfragen. Wir haben dann aber nachgesehen in den Analysen, wo es gedreht hat. Und das war, als das Video der Frau Gertrude veröffentlicht wurde. Das war so eine Angst-Sache, da hat es gedreht. Ich würde Frau Gertrude gern einmal kennenlernen. Und mich persönlich bei ihr vorstellen, um das Bild, das Sie vielleicht von mir hat, zu korrigieren. Wie ist Ihr Verhältnis zu Alexander Van der Bellen jetzt? Entspannt. Haben Sie selbst auch Fehler gemacht? Ein so langer Wahlkampf kann nicht fehlerfrei sein. Aber insgesamt ist unglaublich viel erreicht worden. Wenn Sie vor zwei Jahren jemandem gesagt hätten, bei einer Bundespräsidentenwahl erreicht ein freiheitlicher Kandidat 46 Prozent, hätte er Ihnen gesagt, das ist undenkbar. Wie hätten Sie denn die ersten Tage als Bundespräsident nun angelegt – anders als Van der Bellen wahrscheinlich? Nach Brüssel wäre ich natürlich gefahren, das ist ganz wichtig. Aber Ceta wäre ein großes Thema gewesen. Ich wäre von Beginn an auch viel in die Bundesländer gefahren. Und auf den Opernball hätte ich jemanden mitgenommen, der nicht prominent ist. Hat sich Ihr Standing innerhalb der FPÖ verändert? Ja, natürlich. Die Anfragen, an Veranstaltungen teilzunehmen, sind extrem nach oben gegangen. Sie werden jetzt sagen, Sie sind keine Konkurrenz für Heinz-Christian Strache. Richtig. Mit Sicherheit nicht. Wir haben völlig unterschiedliche Aufgaben. Und es ist auch eine Stärke, dass wir als Typen so verschieden sind. Damit kann man auch eine breitere Wählerschicht ansprechen. Vom Beschäftigungsbonus bis zur Reduktion der Familienbeihilfe für Ausländer – SPÖ und ÖVP versuchen gerade, der FPÖ das Wasser abzugraben. Wie sehen Sie das? Na ja. Ich warte auf Ergebnisse. Wenn die EU sagt, die unterschiedliche Höhe der Familienbeihilfe ist europarechtlich nicht umsetzbar, dann sage ich: Wir müssen einen anderen Weg finden. Nämlich beim Kinderbetreuungsgeld anzusetzen. Und hier zu sagen: Der Anspruch besteht erst, wenn man fünf Jahre legal in Österreich aufhältig war. Das hält europarechtlich. Ist das jetzt nur Taktik von SPÖ und ÖVP? Vielleicht hat man auch die Notwendigkeit erkannt. Wobei: Wenn die Dinge, die Sebastian Kurz in den vergangenen Monaten gesagt hat, von uns vor einem Jahr gesagt worden wären, dann wäre das sehr stark kritisiert worden. Aber man hat offenbar erkannt, dass es nicht unmenschlich ist, wenn man in der Zuwanderungspolitik einen differenzierteren Zugang hat. Wir müssen schauen, dass die, die wirklich ein Recht auf Asyl haben, hier ordentlich betreut werden. Und wir müssen klar machen, dass diejenigen, die einfach zuwandern wollen, diese Schiene nicht nützen können. Ist Kurz oder Kern gefährlicher für die FPÖ? Ich halte beide nicht für gefährlich. Gefährlich für eine Demokratie ist viel mehr, wenn es Menschen gibt, die demokratische Wahlergebnisse nicht zur Kenntnis nehmen. Was halten Sie von Donald Trump? Es ist zu früh, zu beurteilen, wie er als Präsident sein wird. Er muss natürlich seine Wahlversprechen umsetzen. Aber er muss sich auch sehr bemühen, die Vorbehalte, die es gibt, auszuräumen. Laut einer Umfrage von Chatham House kann sich auch eine große Zahl der Europäer, in Österreich 65 Prozent, einen „muslim ban“, also ein Einwanderungsverbot aus mehrheitlich muslimischen Ländern, vorstellen. Sie auch? Ich warne immer davor, alle Menschen in einen Topf zu werfen. Ich kann jemanden nicht danach beurteilen, ob er Hindu ist, Moslem, Christ. Sondern ich muss, wenn jemand nach Österreich kommt, fragen: Ist das ein Asylwerber, der ein Recht auf Asyl hat, oder will er es missbrauchen? Ist das jemand, der unsere Gesetze achtet? Ist das bei der Zuwanderung jemand, der aufgrund seiner Ausbildung auch am Arbeitsmarkt Platz finden kann? Das sind die Kriterien. Und nicht, welcher Religion jemand angehört. Die FPÖ will in den kommenden Wochen ihr Wirtschaftsprogramm vorstellen. Können Sie schon skizzieren, wie das aussehen wird? Es wird ein Programm sein, das starke wirtschaftsliberale Elemente hat. Also kein protektionistisches Programm? Nein. Aber ein ausgewogenes Programm. Ein Programm, das darauf achtet, dass wieder Arbeitsplätze entstehen können, weil die Wirtschaft wieder atmen kann. Und die Bundesländer sollen mehr Verantwortung bekommen. Ein Staat wirtschaftet dann gut, wenn jemand, der für die Ausgaben verantwortlich ist, auch für die Einnahmen verantwortlich ist. Also eine Steuerhoheit für die Länder? In einer gewissen Bandbreite. Nicht alle Steuern. Aber die Körperschaftssteuer zum Beispiel, da kann man den Ländern durchaus mehr Verantwortung geben. Wie eng sind denn jetzt die Bande zu Wladimir Putin? Sie waren Ende des Vorjahres mit einer FPÖ-Delegation bei der Putin-Partei Einiges Russland in Moskau. Außenpolitik heißt Kontakte pflegen. Es waren ja auch Fischer und Kurz in Moskau, es gibt die ÖsterreichischRussische Gesellschaft . . . Aber die machen keine Verträge von Partei zu Partei. Da ging es etwa um einen Jugend-Austausch. Ich mache mir jedenfalls Sor-
Norbert Hofer
ist Vize-Parteichef der FPÖ und Dritter Nationalratspräsident. Als Bundespräsidentschaftskandidat der FPÖ unterlag er im Vorjahr Alexander Van der Bellen in der Stichwahl. Der am 2. März 1971 geborene Burgenländer sitzt seit 2006 im Nationalrat. Seit einem Paragleiterunfall ist er gehbehindert. Er ist in zweiter Ehe verheiratet und hat vier Kinder. gen, dass Europa auf der Strecke bleibt. Deswegen müssen wir mit allen reden – mit Russland, den USA und natürlich auch mit China. Damit wir nicht übrig bleiben in der internationalen Entwicklung. Wir müssen die europäischen Interessen vertreten. Ich bin in manchen Belangen sogar für mehr EU – etwa in der Sicherheits- und Wirtschaftspolitik. In anderen für weniger: Eine Vergemeinschaftung der Agrarpolitik braucht man nicht. Soll der Heldenplatz umbenannt werden? Das hielte ich für einen Fehler. Dass man je nach politischer Stimmung permanent Umbenennungen vornimmt. Der Heldenplatz heißt ja nicht Heldenplatz, weil Hitler dort aufgetreten ist. Er hat eine völlig andere historische Grundlage. Das Ho-Chi-Minh-Denkmal, das tut mir weh. Das darf es in Österreich nicht geben. Jemand, der für den Tod von so vielen Menschen verantwortlich ist. Die Idee, bei der nächsten Präsidentschaftswahl wieder zu kandidieren, besteht noch? Ja, das ist mein Wunsch. Nur: In der Politik ist nichts fix. Wer weiß schon, was in sechs Jahren ist. Da wird es Wahlen geben. Ich weiß nicht, ob die Partei dann wieder zu mir kommt und sagt: Bitte mach das oder jenes. Sie könnte auch sagen, mach uns den Vizekanzler. Davon gehe ich nicht aus. Ich muss ja nicht jeden Kelch aufnehmen, der gerade an mir vorüberzieht. Sie gehen im Mai auf Kreuzfahrt wie ein Schlagersänger. Warum macht man so was? Ich habe mich auch gewundert über das große mediale Interesse an dieser Kreuzfahrt. Ich habe eine sehr enge Bindung zum Seniorenring, der das veranstaltet. Mein Vater war in späten Jahren Landesobmann des burgenländischen Seniorenrings. Die Senioren haben sich auch im Wahlkampf unglaublich eingesetzt. Und der Obmann des Seniorenrings hat mich gefragt, ob ich das machen könnte.