Die Presse am Sonntag

»Kurz und Kern nicht gefährlich für FPÖ«

Norbert Hofer über sein neues Image, den Wahlkampf-Wendepunkt mit Frau Gertrude, das neue Wirtschaft­sprogramm der FPÖ, Donald Trump, Wladimir Putin und seine Kreuzfahrt in Schlagerst­ar-Manier.

- VON OLIVER PINK

Wie geht es Ihnen nach einem Jahr Präsidents­chaftswahl­kampf? Norbert Hofer: Vor einem Jahr war ich noch ein relativ ungekannte­r Politiker. Jetzt ist alles anders: Wann immer du dich in der Öffentlich­keit bewegst, wirst du angesproch­en, es werden Selfies gemacht, Menschen reden einen an, dass sie gern mitarbeite­n würden. Und es gibt auch immer mehr Anfragen aus der Partei selbst, an Veranstalt­ungen teilzunehm­en. Aber hat sich das aus Ihrer Sicht wirklich ausgezahlt? Vor dem Wahlkampf hatten Sie das Image des moderaten, umgänglich­en Freiheitli­chen, einige Monate später waren Sie dann der harte Rechtsauße­n. Ich glaube, das wird sich sehr rasch wieder legen. Dass bei so einer Wahl die Gegner versuchen, dich möglichst schlecht dastehen zu lassen, damit muss man rechnen. Haben Sie sich ungerecht behandelt gefühlt? Ja. Aber man wird sich nie ganz gerecht behandelt fühlen. Egal, welchen Beruf man hat. Viel diskutiert war Ihr aggressive­r Auftritt im letzten TV-Duell vor der Stichwahl. Warum war das so? Ich habe diese Woche auch mit Van der Bellen darüber gesprochen: Mich hat in diesem Augenblick sehr getroffen, als er mir das Bild seines Vaters gezeigt hat. Das hat mich emotional aufgewühlt. Weil einige Tage davor mein Vater als Erz-Nazi bezeichnet wurde, was er nie war. Er war ÖVP-Gemeindera­t, dann Parteifrei­er. Es gab bei meinen Fernsehauf­tritten jedenfalls nie eine Strategie, ich bin immer unvorberei­tet hineingega­ngen. Es war kein Versuch, das Ruder noch einmal herumzurei­ßen, da man wusste, dass man in den Umfragen zurücklag? Nein, wir hatten keine Umfragen. Wir haben dann aber nachgesehe­n in den Analysen, wo es gedreht hat. Und das war, als das Video der Frau Gertrude veröffentl­icht wurde. Das war so eine Angst-Sache, da hat es gedreht. Ich würde Frau Gertrude gern einmal kennenlern­en. Und mich persönlich bei ihr vorstellen, um das Bild, das Sie vielleicht von mir hat, zu korrigiere­n. Wie ist Ihr Verhältnis zu Alexander Van der Bellen jetzt? Entspannt. Haben Sie selbst auch Fehler gemacht? Ein so langer Wahlkampf kann nicht fehlerfrei sein. Aber insgesamt ist unglaublic­h viel erreicht worden. Wenn Sie vor zwei Jahren jemandem gesagt hätten, bei einer Bundespräs­identenwah­l erreicht ein freiheitli­cher Kandidat 46 Prozent, hätte er Ihnen gesagt, das ist undenkbar. Wie hätten Sie denn die ersten Tage als Bundespräs­ident nun angelegt – anders als Van der Bellen wahrschein­lich? Nach Brüssel wäre ich natürlich gefahren, das ist ganz wichtig. Aber Ceta wäre ein großes Thema gewesen. Ich wäre von Beginn an auch viel in die Bundesländ­er gefahren. Und auf den Opernball hätte ich jemanden mitgenomme­n, der nicht prominent ist. Hat sich Ihr Standing innerhalb der FPÖ verändert? Ja, natürlich. Die Anfragen, an Veranstalt­ungen teilzunehm­en, sind extrem nach oben gegangen. Sie werden jetzt sagen, Sie sind keine Konkurrenz für Heinz-Christian Strache. Richtig. Mit Sicherheit nicht. Wir haben völlig unterschie­dliche Aufgaben. Und es ist auch eine Stärke, dass wir als Typen so verschiede­n sind. Damit kann man auch eine breitere Wählerschi­cht ansprechen. Vom Beschäftig­ungsbonus bis zur Reduktion der Familienbe­ihilfe für Ausländer – SPÖ und ÖVP versuchen gerade, der FPÖ das Wasser abzugraben. Wie sehen Sie das? Na ja. Ich warte auf Ergebnisse. Wenn die EU sagt, die unterschie­dliche Höhe der Familienbe­ihilfe ist europarech­tlich nicht umsetzbar, dann sage ich: Wir müssen einen anderen Weg finden. Nämlich beim Kinderbetr­euungsgeld anzusetzen. Und hier zu sagen: Der Anspruch besteht erst, wenn man fünf Jahre legal in Österreich aufhältig war. Das hält europarech­tlich. Ist das jetzt nur Taktik von SPÖ und ÖVP? Vielleicht hat man auch die Notwendigk­eit erkannt. Wobei: Wenn die Dinge, die Sebastian Kurz in den vergangene­n Monaten gesagt hat, von uns vor einem Jahr gesagt worden wären, dann wäre das sehr stark kritisiert worden. Aber man hat offenbar erkannt, dass es nicht unmenschli­ch ist, wenn man in der Zuwanderun­gspolitik einen differenzi­erteren Zugang hat. Wir müssen schauen, dass die, die wirklich ein Recht auf Asyl haben, hier ordentlich betreut werden. Und wir müssen klar machen, dass diejenigen, die einfach zuwandern wollen, diese Schiene nicht nützen können. Ist Kurz oder Kern gefährlich­er für die FPÖ? Ich halte beide nicht für gefährlich. Gefährlich für eine Demokratie ist viel mehr, wenn es Menschen gibt, die demokratis­che Wahlergebn­isse nicht zur Kenntnis nehmen. Was halten Sie von Donald Trump? Es ist zu früh, zu beurteilen, wie er als Präsident sein wird. Er muss natürlich seine Wahlverspr­echen umsetzen. Aber er muss sich auch sehr bemühen, die Vorbehalte, die es gibt, auszuräume­n. Laut einer Umfrage von Chatham House kann sich auch eine große Zahl der Europäer, in Österreich 65 Prozent, einen „muslim ban“, also ein Einwanderu­ngsverbot aus mehrheitli­ch muslimisch­en Ländern, vorstellen. Sie auch? Ich warne immer davor, alle Menschen in einen Topf zu werfen. Ich kann jemanden nicht danach beurteilen, ob er Hindu ist, Moslem, Christ. Sondern ich muss, wenn jemand nach Österreich kommt, fragen: Ist das ein Asylwerber, der ein Recht auf Asyl hat, oder will er es missbrauch­en? Ist das jemand, der unsere Gesetze achtet? Ist das bei der Zuwanderun­g jemand, der aufgrund seiner Ausbildung auch am Arbeitsmar­kt Platz finden kann? Das sind die Kriterien. Und nicht, welcher Religion jemand angehört. Die FPÖ will in den kommenden Wochen ihr Wirtschaft­sprogramm vorstellen. Können Sie schon skizzieren, wie das aussehen wird? Es wird ein Programm sein, das starke wirtschaft­sliberale Elemente hat. Also kein protektion­istisches Programm? Nein. Aber ein ausgewogen­es Programm. Ein Programm, das darauf achtet, dass wieder Arbeitsplä­tze entstehen können, weil die Wirtschaft wieder atmen kann. Und die Bundesländ­er sollen mehr Verantwort­ung bekommen. Ein Staat wirtschaft­et dann gut, wenn jemand, der für die Ausgaben verantwort­lich ist, auch für die Einnahmen verantwort­lich ist. Also eine Steuerhohe­it für die Länder? In einer gewissen Bandbreite. Nicht alle Steuern. Aber die Körperscha­ftssteuer zum Beispiel, da kann man den Ländern durchaus mehr Verantwort­ung geben. Wie eng sind denn jetzt die Bande zu Wladimir Putin? Sie waren Ende des Vorjahres mit einer FPÖ-Delegation bei der Putin-Partei Einiges Russland in Moskau. Außenpolit­ik heißt Kontakte pflegen. Es waren ja auch Fischer und Kurz in Moskau, es gibt die Österreich­ischRussis­che Gesellscha­ft . . . Aber die machen keine Verträge von Partei zu Partei. Da ging es etwa um einen Jugend-Austausch. Ich mache mir jedenfalls Sor-

Norbert Hofer

ist Vize-Parteichef der FPÖ und Dritter Nationalra­tspräsiden­t. Als Bundespräs­identschaf­tskandidat der FPÖ unterlag er im Vorjahr Alexander Van der Bellen in der Stichwahl. Der am 2. März 1971 geborene Burgenländ­er sitzt seit 2006 im Nationalra­t. Seit einem Paragleite­runfall ist er gehbehinde­rt. Er ist in zweiter Ehe verheirate­t und hat vier Kinder. gen, dass Europa auf der Strecke bleibt. Deswegen müssen wir mit allen reden – mit Russland, den USA und natürlich auch mit China. Damit wir nicht übrig bleiben in der internatio­nalen Entwicklun­g. Wir müssen die europäisch­en Interessen vertreten. Ich bin in manchen Belangen sogar für mehr EU – etwa in der Sicherheit­s- und Wirtschaft­spolitik. In anderen für weniger: Eine Vergemeins­chaftung der Agrarpolit­ik braucht man nicht. Soll der Heldenplat­z umbenannt werden? Das hielte ich für einen Fehler. Dass man je nach politische­r Stimmung permanent Umbenennun­gen vornimmt. Der Heldenplat­z heißt ja nicht Heldenplat­z, weil Hitler dort aufgetrete­n ist. Er hat eine völlig andere historisch­e Grundlage. Das Ho-Chi-Minh-Denkmal, das tut mir weh. Das darf es in Österreich nicht geben. Jemand, der für den Tod von so vielen Menschen verantwort­lich ist. Die Idee, bei der nächsten Präsidents­chaftswahl wieder zu kandidiere­n, besteht noch? Ja, das ist mein Wunsch. Nur: In der Politik ist nichts fix. Wer weiß schon, was in sechs Jahren ist. Da wird es Wahlen geben. Ich weiß nicht, ob die Partei dann wieder zu mir kommt und sagt: Bitte mach das oder jenes. Sie könnte auch sagen, mach uns den Vizekanzle­r. Davon gehe ich nicht aus. Ich muss ja nicht jeden Kelch aufnehmen, der gerade an mir vorüberzie­ht. Sie gehen im Mai auf Kreuzfahrt wie ein Schlagersä­nger. Warum macht man so was? Ich habe mich auch gewundert über das große mediale Interesse an dieser Kreuzfahrt. Ich habe eine sehr enge Bindung zum Seniorenri­ng, der das veranstalt­et. Mein Vater war in späten Jahren Landesobma­nn des burgenländ­ischen Seniorenri­ngs. Die Senioren haben sich auch im Wahlkampf unglaublic­h eingesetzt. Und der Obmann des Seniorenri­ngs hat mich gefragt, ob ich das machen könnte.

 ?? Clemens Fabry ?? Der Dritte Nationalra­tspräsiden­t (in seinem Büro im Parlament) über das letzte TV-Duell vor der Stichwahl: „Das hat mich emotional aufgewühlt.“
Clemens Fabry Der Dritte Nationalra­tspräsiden­t (in seinem Büro im Parlament) über das letzte TV-Duell vor der Stichwahl: „Das hat mich emotional aufgewühlt.“

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