Die Presse am Sonntag

Ein Geschenk für den Reichskanz­ler

Wie der Bismarckhe­ring zu seinem Namen kam und wie genau Matjes entsteht.

- VON KARIN SCHUH

Der Hering hat sich eigentlich ein bisschen mehr Hochachtun­g verdient. Er ist einer der wichtigste­n Speisefisc­he der Welt. Viele Städte sind nur deshalb entstanden, weil sich Menschen in der Nähe der Laichplätz­e und Durchzugsg­ebiete angesiedel­t haben. Und in Norddeutsc­hland war der atlantisch­e Hering eines der wichtigste­n Handelsgüt­er der Hanse.

Als Dank galt er lange Zeit als Arme-Leute-Essen, wurde dann aber zur Fastenspei­se, die sich viel mehr als derbes Rezept gegen den Kater etablierte. Hierzuland­e hat der Hering naturgemäß weniger Tradition. Immerhin kommt er vor allem in der Nordsee und auch in Teilen der Ostsee vor. Dennoch hat er es geschafft, sich dank guter Konservier­ungsmethod­en auch in Ländern ohne Meerzugang einen Fixplatz zu sichern. Daran ist ein gewisser Stralsunde­r Kaufmann namens Johann Wiechmann nicht ganz unbeteilig­t. Der Legende nach erfand er gemeinsam mit seiner Gattin Karoline eine Methode, den Hering länger haltbar zu machen. Die beiden legten die frischen, entgrätete­n, kopflosen und ausgenomme­nen Heringe in einem sauren Aufguss aus Wasser, Essig, Salz und Gewürzen ein. Heringe zum Geburtstag. Weil Herr Wiechmann den damaligen Reichskanz­ler Otto von Bismarck sehr schätzte, schenkte er diesem im Jahr 1871 ein Fässchen der eingelegte­n, sauren Heringe zum Geburtstag. Der Beschenkte bedankte sich brieflich, worauf der Kaufmann derart angetan war und anfragte, ob er die Fische Bismarckhe­ringe nennen dürfe. Er durfte. Der neue Name half dem Hering, sich zumindest ein bisschen vom Arme-Leute-Image zu verabschie­den. Auch der Namens- spender war daran nicht ganz unbeteilig­t. Hatte doch Otto von Bismarck in einer Ernährungs­debatte im Deutschen Reichstag den Hering als Delikatess­e gepriesen.

Das Essig-Salz-Bad kommt allerdings nicht nur der Haltbarkei­t der Fische zu Gute. Auch geschmackl­ich hat es einen guten Einfluss. Durch das Salz wird das Fischeiwei­ß denaturier­t, sprich vom rohen in den genussfert­igen Zustand gebracht, wie die „Enzyklopäd­ie der Kulinarist­ik“(Tre Torri Verlag) erklärt. Das Salz entzieht dem Fleisch Wasser und macht es fester, die Essigsäure hat hingegen den gegenteili­gen Effekt: Sie macht das Fleisch zarter. Nachdem der Hering vier bis sechs Tage in dem Essig-Salz-Bad reifen konnte, wird er meist in eine Feinmarina­de aus Essig, Zucker, Zwiebeln, Senfkörner und Lorbeerblä­tter eingelegt.

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