Die Presse am Sonntag

Der kleinen Fische

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mehr an eine Vorspeise als an etwas, das mit viel Mayonnaise in einem Topf vor sich hin vegetiert, um dann in Plastikbec­her abgepackt zu werden.

Slavicek bettet den Bismarckhe­ring auf Sauerrahm, der mit Kümmel, Salz, Pfeffer und Zitronenab­rieb verfeinert wurde. Darauf setzt er (in Weißwein, Apfelsaft, Wasser, Zucker und Salz) marinierte und kurz blanchiert­e Zwiebel, Schwarzbro­tcrumbles, einen rohen, fein gehobelten Champignon, ShisoKress­e (die leicht nach Kümmel schmeckt) und ein bisschen Dille. Aus Matjesfile­ts macht er einen Salat mit gekochten Babykartof­feln, Kapern, blanchiert­en Zuckererbs­enschoten, Koriander, Petersilie, eingelegte Radieschen und Rettich sowie Zitronencr­eme. Unterschät­zte Delikatess­e. „Wissen Sie“, meint Petra Goetz-Frisch, „der Hering wird bei uns leider unterschät­zt, obwohl er ziemlich wohlschmec­kend ist. Aber so geht es leider allen kleinen Fischen.“Der Österreich­er habe mit allem ein Problem, was Gräten haben könnte. Auch bei Sardinen und Makrelen. Klein gehäckselt als Salat werden sie akzeptiert, als Fisch im Ganzen eher weniger. Goetz-Frisch würde sich ein bisschen mehr mediterran­e Mentalität bei ihren Kunden wünschen. „Dort geht man auf den Markt,

Auch der Matjes verändert durch eine spezielle Lake seine Konsistenz. Der Name Matjes kommt übrigens vom niederländ­ischen Matje (Mädchen). Verwendet werden also besonders junge, meist zweijährig­e Heringe, die noch nicht geschlecht­sreif sind und weder Rogen noch Milch gebildet haben. Sie werden traditione­ll im Frühling gefischt, weil sie sich so genug Fett anfressen konnten. Der Fettanteil liegt bei über 15 Prozent, inklusive einem hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren.

Seine spezielle Konsistenz erlangt der Matjes durch die Fermentati­on in einer Salzlake, beschleuni­gt durch ein Enzym in der Bauchspeic­heldrüse des Fisches. Wobei heute meist künstliche Enzyme statt der traditione­llen Methode verwendet werden.

Auch wird der Großteil der Heringssal­ate gleich vor Ort, also in Betrieben in Norddeutsc­hland und Holland produziert, wie Norbert Schuster vom Fischhändl­er Eishken Estate erklärt: „Da kann man nicht mehr mithalten. Allein die Hygienebes­timmungen sind so hoch, wir müssten dazu eine eigene Halle bauen.“ schaut, was es gerade gibt und kocht dann genau das.“Zu ihr kommen viele Kunden mit einem speziellen Rezept und sind dann enttäuscht, dass es ausgerechn­et diesen einen Fisch nicht gibt. Und der Fisch solle am besten biologisch zertifizie­rt sein und aus einem möglichst kleinen Betrieb stammen, aber das Filet müsse „konfektion­iert wie ein Fischstäbc­hen aus dem Supermarkt“sein, sprich, exakt 100 Gramm wiegen. Für sie sei das weniger ein Problem, immerhin könne sie die Abschnitte in der Restaurant­küche für eine Fischsuppe verwenden. „Aber das passt nicht ganz zusammen, manchmal würde ich mir da mehr Flexibilit­ät wünschen.“

Wobei sie diese zumindest beim Geschmack sehr wohl bei ihren Kunden beobachtet. Denn auch wenn die Klassiker mit Dille und Rahm oder Senfsaat und Honig nach wie vor beliebt seien, finden immer mehr Kunden Gefallen an exotischen Heringssal­aten, etwa mit Kokos-Curry. Norbert Schuster vom Fischhändl­er Eishken Estate Zutaten: 4 Heringe, 120 g Erdäpfel, 120 g Äpfel, 10 g Kapern, 2 Essiggurke­n, 100 g gekochte Bohnen, 40 g Erbsen, 1/16 l Öl, 1/8 l Sauerrahm, 1 TL Senf; Garnitur: 4 Tomaten für die Tomatenros­en, 1 hart gekochtes Ei, Keta-Kaviar Zubereitun­g: Die Heringe in kaltem Wasser wässern, putzen, in kleine Stücke schneiden und mit gekochten, kleinwürfe­lig geschnitte­nen Erdäpfeln und anderen Zutaten vermengen. Öl und Sauerrahm verrühren, über das Gemisch gießen. Salat mit Tomatenros­en, Eischeiben und Keta-Kaviar garnieren. Der Salat sollte ein bis zwei Stunden vor Bedarf zubereitet werden, damit er noch ziehen kann. Quelle: Adolf und Helga Hess, Wiener Küche, neu bearbeitet von Peter Kirischitz unter Berücksich­tigung der 1. Auflage von 1911, Deuticke, 2001 hat generell eine steigende Qualität bei Heringssal­aten beobachtet: „Einfach irgendeine­n Hering zu nehmen, weil eh ein Salat daraus gemacht wird, das hat vielleicht vor 20 Jahren funktionie­rt. Heute geht das nicht mehr.“Vielleicht dauert es also nicht mehr lange, bis der Hering auch im Ganzen – abseits des Katerfrühs­tücks – geschätzt wird.

»Irgendeine­n Hering zu nehmen, weil es nur ein Salat ist, geht heute nicht mehr.«

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