Die doppelte Institution
Der Name Staudigl steht seit bald vierzig Jahren für gesunde Ernährung und natürliche Kosmetik: Auf der Wollzeile im Zentrum Wiens führt Christina Wolff-Staudigl das Unternehmen an gleich zwei Standorten in zweiter Generation.
Weltberühmt in Wien“sei er, der Name Staudigl, sagt Matthias Staudigl, und auch wenn das ironisch und ein bisschen selbstbewusst zugleich klingt: Ganz unrecht hat er nicht. Denn das Unternehmen Staudigl steht seit bald vier Jahrzehnten für gesunde, natürliche Ernährung und ebensolche Kosmetik (reine Naturkosmetik nämlich) und ist damit auf der Wollzeile zu einer Institution geworden – und das gleich an zwei Standorten: Da wäre die Naturparfumerie, gleich, wenn man von der Rotenturmstraße in die Wollzeile biegt, und etwas weiter Richtung Ring das Reformhaus auf der anderen Straßenseite.
Die lange Tradition sieht man beiden Geschäften rein optisch so gut wie gar nicht an: Das Reformhaus ist groß, modern und hell. Auch in der kleineren Parfumerie erinnern nur die alten Bilder von Heilkräutern wie dem Blauen Wachtelweizen oder dem Frauenschuh über den Regalen daran, dass die Läden schon eine durchaus längere Geschichte haben. Die Bilder hat, erzählt Geschäftsführerin Christina Wolff-Staudigl, seinerzeit ihre Großtante gemalt, „und ich finde, sie passen perfekt zum drogistischen Beruf“.
Denn den Heilkräutern, konkret der traditionellen europäischen Medizin, haben sich die Staudigls seit Langem verschrieben. Wolff-Staudigls Eltern haben die einstige Drogerie Racek – schon damals an beiden Standorten auf der Wollzeile vertreten – 1979 übernommen. Heinz Staudigl war in der Drogerie beschäftigt, seine Frau Christa war eigentlich in einer Bank tätig, gemeinsam übernahmen sie die Geschäfte.
„Die Mutti hat dann Drogist gelernt, mit mir auf dem Arm“, erzählt Wolff–Staudigl, die die Geschäfte vor einigen Jahren von ihren Eltern übernommen hat. Beide sind aber nach wie vor im Unternehmen tätig, ebenso Wolff-Staudigls Bruder Matthias Staudigl – er betreut den Online-Auftritt von Facebook bis Instagram.
Ihre Eltern haben, für die späten 1970er-Jahre in Österreich durchaus sehr innovativ, „sofort damit begonnen, die Drogerie auf ein Reformhaus umzustellen“. Nach dem Vorbild der deutschen Reformhäuser gab es Nahrungsmittel aus biologischem Anbau, das Getreide wurde in Stoffsackerl abgefüllt, „das ist genau dieser Nachhaltigkeitsgedanke, der jetzt wieder kommt“, sagt Wolff-Staudigl. „Meine Eltern haben früh damit begonnen und waren dann so richtig im Trend.“
Heute freilich schwimmen viele auf der Bio- und Nachhaltigkeitswelle, das Angebot an Lieferanten ist wesentlich breiter geworden. Neben vielen neuen Produkten führt Staudigl aber immer noch alteingesessene Marken, die sich seit langem bewähren. In der Kosmetik sind das etwa die Pioniere der Naturkosmetik wie Dr. Hauschka, Annemarie Börlind oder Dr. Grandel.
Im Lebensmittelbereich schätzt Wolff-Staudigl österreichische Lieferanten, „die ich persönlich kenne, von denen ich weiß, dass sie Handschlagqualität haben.“Die Staudigls führen aber nicht nur Marmelade (etwa zuckerfreie, vegane von „Uschi’s Laden“aus Niederösterreich), Nahrungsergänzungsmittel, Teesorten (in einer breiten Auswahl) oder Getreide (um nur einige Waren zu nennen) anderer Produzenten, sie stellen auch selbst Müsli, Trockenfrüchte oder auch den unter Stammkunden beliebten Eierlikör zu Weihnachten her. Seifenexperimente. Vater Heinz („ein Drogist der alten Schule“) fertigt „mit viel Leidenschaft“Seifen (a` 3,90 €) an, für die er biologische Öle, Tonerde in verschiedenen Farben, Natronlauge und diverse Heilkräuter verarbeitet. So gibt es die Ringelblumenseife für sensible Haut, oder auch die „Streicheleinheiten“-Seife, die man, da sie ganz ohne ätherische Öle auskommt, auch problemlos für die Gesichtsreinigung verwenden kann. Damit die Seifen angenehm in der Hand liegen und sich nicht hart anfühlen, werden sie an den Ecken abgerundet.
Derzeit experimentieren die Staudigls intensiv in Sachen Seife: Mit dem Ziel, vom problematischen Palmöl wegzukommen, was gar nicht so leicht sei, wie Matthias Staudigl erklärt. „Das Palmöl macht die Seife hart und beständig, damit man sie oft verwenden kann. Ohne Palmöl muss man intensiv experimentieren, damit das gelingt.“Man sei aber auf einem guten Weg.
Die Seifen machen aber nur einen kleinen Teil des Sortiments aus – in beiden Läden gemeinsam führt man 35.000 bis 40.000 Artikel. Ein großer Teil stammt aus Europa, es gibt aber auch Tee aus Japan („dort gibt es einfach den besten grünen Tee“), Manuka-Honig aus Neuseeland („ein Wahnsinnsprodukt“) oder nachhaltige Naturkosmetik der Marke Esse aus Südafrika. Im Onlineshop gibt es nur 3000 bis 5000 Artikel, „das sind die Produkte, die uns besonders am Herzen liegen“.
Beim Onlineshop, erzählt Matthias Staudigl, gehe es auch weniger darum, eine weitere Einkommensquelle zu haben, sondern es sei ein Angebot für jene, die nicht so leicht in die Geschäfte kommen können. „Viele wollen auch online vorab ein bisschen gustieren, sehen, was es gibt, ehe sie ins Geschäft kommen.“
Denn, wie seine Schwester ergänzt, die persönliche Beratung im Geschäft sei ein wichtiger Teil ihrer Philosophie – gerade auch, um sich von der Konkurrenz abzuheben, denn Naturkosmetik und gesunde, nachhaltige Nahrungsmittel bekommt man heute an sehr vielen Orten. Nicht überall freilich wird man so intensiv wie bei Staudigl beraten, „es geht darum, gemeinsam mit Heinz Staudigl stellt selbst Seifen her (Foto li.), aber auch einige Teesorten (re.). dem Kunden herauszufinden, was er braucht. Manchen ist es wichtig, dass es schnell geht, andere mögen es, mehrere Pflegeprodukte zu verwenden.“Zudem gebe es viele Kunden mit sensibler Haut, „da muss man testen, den Menschen Proben zum Ausprobieren mit nachhause geben.“
27 Mitarbeiter beschäftigen die Staudigls, deren Meinung auch bei der Auswahl der Produkte wichtig ist: „Alles, was wir anbieten, haben wir selbst gekostet und geschmiert“, sagt Staudigl. Bevor ein Produkt in die Regale kommt, wird es vom Team ausprobiert. „Da kommt es auch vor, dass etwas nicht für gut befunden und daher nicht ins Sortiment aufgenommen wird.“
Mit ihrem Reformhaus waren die Staudigls in den späten 1970ern sehr früh dran. Gesunde Ernährung und Naturkosmetik: Das sind die Schwerpunkte von Staudigl.
Ob die Kunden vermehrt auf gesunde Lebensmittel (etwa Getreide aus Demeter-Landwirtschaft) setzen oder die Naturkosmetik-Produkte eher ziehen, könne man nicht sagen, sagt WolffStaudigl. Für sie gibt es auch kein Entweder-oder, beides gehöre – auch das Teil der Firmenphilosophie – zusammen. „Wenn man sich bewusst und gesund ernährt, muss man eigentlich auch Naturkosmetik verwenden, denn alles, was ich auftrage, gelangt über die Haut in den Körper.“