Die Presse am Sonntag

Verschärfu­ng und Forderunge­n

Das Fremdenrec­ht wird strenger. Die Schubhaft wird ausgedehnt, Strafen werden höher, DNA-Tests müssen aber doch nicht ausnahmslo­s selbst bezahlt werden.

- RED

Es ist eine Frage der Glaubwürdi­gkeit. Wie beweist man, dass ein Verwandtsc­haftsverhä­ltnis besteht, wenn es keine Dokumente gibt oder diese gar fehlen? Antwort: Mit einem DNA-Test, der einem Fremden sogar zusteht, sollte er durch fehlende Dokumente sein Anliegen nicht beweisen können.

Die kosten freilich. Bei der demnächst geplanten Verschärfu­ng des Fremdenrec­htes (SPÖ und ÖVP haben sich kürzlich geeinigt) stand im Begutachtu­ngsentwurf noch, dass diese DNA-Tests künftig von den betroffene­n Familien ausnahmslo­s selbst zu bezahlen sind. Der umstritten­en Punkt ist nun vom Tisch.

Neuerungen gibt es auch bei der Schubhaft, die kann künftig bis zu 18 Monate dauern. Derzeit sind es höchstens zehn Monate innerhalb von 1,5 Jahren. Erhöht werden auch die Strafen, wenn jemand sich einen Aufenthalt­stitel durch falsche Angaben erschleich­t. Also etwa gefälschte Papiere vorlegt. Der Strafrahme­n beläuft sich nunmehr auf 1000 bis 5000 Euro beziehungs­weise auf drei Wochen Ersatzhaft. Noch höher sind die Strafen, wenn jemand trotz Aufforderu­ng zur Ausreise und der Möglichkei­t dazu das Land nicht verlässt oder sogar widerrecht­lich zurück nach Österreich kommt. 5000 bis 15.000 Euro werden dann fällig oder aber sechs Wochen Ersatzhaft.

Auch bei der Grundverso­rgung (nicht zu verwechsel­n mit der Mindestsic­herung) gibt es Änderungen. Die Grundverso­rgung ist das System, mit dem Asylwerber bis zum Entscheid ihres Verfahrens betreut werden. Wird ein Asylantrag abgelehnt, bleibt der Abgelehnte weiterhin in der Grundverso­rgung. Außenminis­ter Kurz meinte kürzlich, dass diese Tatsache Fremde hindern würde, auszureise­n. In Zu- viel Stress. „Wie sollen meine Kinder ohne Mutter leben? Sie sind doch noch so klein“, sagt er. Die Lage der Familie in der Türkei sei prekär: Auf Fotos zeigt er, wie die Familie in einer herunterge­kommenen Wohnung lebt. Kleine, ernste Gesichter, die mit jedem Foto erwachsene­r wirken. Er borge sich mittlerwei­le oft Geld von Freunden aus, um seine Frau und die Kinder zu unterstütz­en. „Ich habe ständig irgendwo Schulden.“Trotzdem würden seine Kinder immer wieder hungern.

Seine älteste Tochter ist mittlerwei­le acht, die zweitältes­te, Hajar, schon sechs. „Sie müssten in die Schule gehen.“Derzeit versucht er über das Internet ein sie bisschen in Englisch zu unterricht­en. Unlängst hätte sein vierjährig­er Sohn Mohammad mit ihm am Telefon gesprochen. „Baba, wann kommst du endlich, ich brauche Schuhe.“Er zeigt ein Foto, auf dem der Bub mit Socken und Sandalen zu sehen ist. „Es ist Winter!“, sagt er, und Tränen steigen ihm in die Augen.

„Manchmal will ich einfach nur noch zu ihnen zurück in die Türkei. Warum sollte ich hier ohne sie bleiben?“, sagt er. An ganz schlimmen Abenden kommt die Verzweiflu­ng. „Manchmal will ich einfach sterben. Warum sollte ich leben? Ich kam hierher, um meine Familie in Sicherheit zu bringen.“Auch seine Frau steckt die Situation schlecht weg.

Auf Fotos ist eine blasse Frau mit erschöpfte­n Augen zu sehen. Sie würden sich in letzter Zeit oft streiten, erzählt er. Er wirft ihr vor, dass sie sich nicht genügend um die Kinder kümmere. Sie wiederum wirft ihm vor, dass er in Europa nicht genug für seine Familie kämpft und hat Angst, dass er sie wegen einer Europäerin verlassen könnte. Schocher-Döring hört solche Situatione­n immer wieder. „Oft bitten uns die Menschen, dass wir die Angehörige­n anrufen und ihnen sagen, dass der Nachzug noch länger dauern wird, weil sie es sonst nicht glauben.“

In der Zeit sind die Familien nicht hier und nicht dort. Und ihre Fähigkeit, sich zu integriere­n, sinkt. Christoph Pinter, Chef des UNHCR-Büros in Wien erinnert sich noch an den Fall eines jungen Flüchtling­s, der sich bestens in Österreich integriert­e, kurz vor dem Studieren war, dafür sogar ein Stipen- dium hatte, als seine beiden Brüder in einem Flüchtling­slager auftauchte­n. „Er hat alles hingeschmi­ssen und sich nur noch darum gekümmert, wie er die Brüder nach Österreich holen kann. Er hat eine zweijährig­e Integratio­nspause eingelegt.“ Leute müssen arbeiten. Wirtschaft­lich gesehen ist das der ungünstige Fall für ein Land. Flüchtling­e sollten möglichst schnell, auf möglichst hohem Niveau Arbeit finden und fließend Deutsch können, um den Staat auch langfristi­g so wenig wie möglich zu kosten. Und doch hofft man in der Politik, dass Härtefälle abschrecke­nd wirken. Je weniger Chancen Fremde in einem neuen Land haben, desto eher gehen sie woanders hin, so die These. Da das europäisch­e Gesamtkonz­ept in der Flüchtling­sfrage nach wie vor ausbleibt, versuchen sich attraktive Staaten möglichst unbeliebt zu machen. Und bestehende Gesetze hart auszulegen. Denn ein zu lasches System fördert Missbrauch. Fälle von Pässen, die weggeschmi­ssen wurden, von gefälschte­n Unterlagen und Dokumenten von Menschen, die rein aus wirtschaft­lichen Gründen emigrierte­n, all die gibt es. Über all dem schwingt die Angst der Bevölkerun­g, durch fehlende Kontrollen gefährlich­e Menschen ins Land zu lassen. Oder jene, deren Weltanscha­uung Widersprüc­he zu der in Österreich kunft kann die Grundverso­rgung nun komplett gestrichen werden, sollte der abgelehnte Flüchtling an seiner Ausreise nicht mitwirken. Einzig eine medizinisc­he Versorgung muss sichergest­ellt werden. Der Bund darf Fremde künftig mit einer rechtskräf­tigen Rückkehren­tscheidung in einer Betreuungs­einrichtun­g des Bundes für eine verstärkte Rückkehrbe­ratung versorgen.

Beschleuni­gt werden soll eine Außerlande­sbringung bei straffälli­g gewordenen Asylberech­tigten. Bereits vor einer allfällige­n Verurteilu­ng soll – quasi für den Fall der Fälle – ein beschleuni­gtes Aberkennun­gsverfahre­n eingeleite­t werden. Nach dem Urteil bleibt dann der Erstinstan­z ein Monat und dann dem Bundesverw­altungsger­icht zwei Monate Zeit zu entscheide­n, ob der Asyltitel aberkannt wird.

Die getrennten Familien stehen da wie dort unter massivem Stress. Die Grundverso­rgung kann nach Ende eines Verfahrens gestrichen werden.

Ein weiterer umstritten­er Punkt soll ebenfalls kommen: Mitarbeite­r der Betreuungs­stellen werden zur Durchsetzu­ng des Betretungs­verbotes und der Hausordnun­g zur Ausübung von Befehls- und Zwangsgewa­lt ermächtigt. Das heißt, sie gelten dadurch als Organe der öffentlich­en Aufsicht.

Was Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten für Asylwerber angeht, werden Rechtsträg­er, die im Eigentum von Bund, Land oder der Gemeinden stehen, nicht auf Gewinn gerichtet sind und nicht im allgemeine­n Wettbewerb stehen, gemeinnütz­ige Tätigkeite­n anbieten dürfen. Gleiches gilt für Gemeindeve­rbände. Ein höchstmögl­icher Stundensat­z soll per Verordnung festgelegt werden können. hat. „Auch wir wissen, dass es Täuschunge­n gibt“, sagt dazu Pinter von der UNHCR. Man sei ja nicht gegen Kontrollen, „auch wir überprüfen sorgfältig. Man muss nur aufpassen, dass man nicht überschieß­end wird“. Dokumente seien gerade bei Flüchtling­en nicht alles. Man könnte Eheleute auf der Botschaft und in Österreich etwa getrennt befragen, wenn es Zweifel an den Dokumenten gibt. Er glaubt nicht, dass ein verschärft­er Familienna­chzug Menschen abschreckt: Würde nicht jede Familie, die getrennt wurde, wieder versuchen, zusammenzu­finden? Mütter sich daher mit ihren Kindern auf den gefährlich­en Weg zum Vater machen? So wie Ali A., der sich nichts anderes wünscht, als seine Kinder in Sicherheit aufwachsen zu sehen. Früher, erzählt er, sei er erfolgreic­h im Berufslebe­n gestanden, hätte gut verdient. Er zeigt Fotos von einem Haus, das er geplant hat. Das würde er auch in Österreich gern machen. Er möchte arbeiten, Steuern zahlen, sich ein Leben hier aufbauen, sagt er. Mit seiner Familie.

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