Die Presse am Sonntag

Das Dosenbier kommt

Die Bierdose hat immer noch ein Billigimag­e. Zu Unrecht, schützt sie doch den Inhalt vor Licht und Luft, hat gar keine so schlechte Umweltbila­nz und lässt viel Platz für Design, wie nun immer mehr Craft-Beer-Brauereien entdecken.

- VON KARIN SCHUH

Es gibt Dinge, die wollen einfach nicht zusammenpa­ssen. Dosenbier in einem HaubenLoka­l zum Beispiel ist für die meisten wohl beim besten Willen nicht vorstellba­r. Die Dose auf der Baustelle, in der Garagenein­fahrt oder auf einem Festival hingegen ist viel weniger ein Fremdkörpe­r.

Langsam, aber sicher dürfte sich das nun ändern. Nicht, dass das Dosenbier seine bereits eroberten Territorie­n verlässt. Es kommen nur neue hinzu – neue Bereiche genauso wie neue Dosenbiere. Denn das klassische Industrie- oder Supermarkt­bier im Aluminiumg­ebinde wird wohl auch in Zukunft nicht von Sommeliers in gehobenen Restaurant­s empfohlen werden. Aber die gar nicht mehr so kleine und umtriebige Craft-Beer-Szene hat nun auch die Dose für sich entdeckt – und dieser dadurch zu einer Imageaufwe­rtung verholfen.

Die neue Liebe zur Dose stammt – wie der Craft-Beer-Trend generell – aus den USA. Die Amerikaner haben schon vor Jahren die Dose als ideale Verpackung für handwerkli­ch gebrautes, hochwertig­es Bier entdeckt – die dank großer Gestaltung­sfläche auch hübsch verziert werden kann. Weder Licht noch Luft. „In Amerika und England gibt es schon die ersten mobilen Dosenabfül­ler, so weit sind wir noch nicht“, sagt dazu Markus Betz vom Craft-Bier-Fachgeschä­ft Beer Lovers in der Wiener Gumpendorf­er Straße. Das Sortiment an Craft-Bieren in der Dose wachse auch bei ihm. „Die Dose ist die viel bessere Verpackung. Bier hat zwei Feinde: Luft und Licht, vor beiden schützt sie“, sagt Betz und schwärmt davon, wie viele Aromen einer frisch geöffneten Dose Bier entströmen können. Bei einer Flasche muss das nicht immer der Fall sein. Vor allem beschleuni­gt die Lichtdurch­lässigkeit speziell der grünen Glasflasch­e den Alterungsp­rozess des Bieres. Und auch durch den Kronkorken­verschluss kann nicht immer ausgeschlo­ssen werden, dass Luft dazukommt oder entweicht.

Betz glaubt, dass die Zahl der Dosenbiere stark steigen wird. Die Gastronomi­e sei noch ein bisschen skeptisch. „Aber in London wird Dosenbier schon in Zwei-Hauben-Lokalen serviert.“

Bis es auch bei uns so weit ist, wird es allerdings noch etwas dauern. Nicht nur, dass die Dose hierzuland­e noch stark mit ihrem Billigimag­e zu kämpfen hat, auch die Anschaffun­g von Dosenabfül­lanlagen ist für kleine Brauereien eine doch recht große finanziell­e Hürde. Auch in Umweltfrag­en hat die Dose immer noch einen schlechten Ruf – nicht immer zu Recht.

Die Brauerei Bevog, die von Vasja Golar in Bad Radkersbur­g nahe der slowenisch­en Grenze betrieben wird, ist hierzuland­e die erste kleine Craft-BeerBrauer­ei, die auf Dosen setzt. Man habe den Trend aus den USA beobachtet, wisse die Vorteile der Dose zu schätzen und habe sich vor gut einem Jahr für eine kleine Dosenabfül­lanlage entschiede­n, sagt dazu Janez Zlebic, der in der Brauerei für Design und Promotion zuständig ist. 3500 Dosen in der Stunde befüllt die hauseigene Anlage. Zum Vergleich: Jene Anlage in Schwechat, die die meisten Dosenbiere der Brauunion abfüllt, schafft 60.000 Halbliter-Dosen in der Stunde.

Wobei die Investitio­n in die Dosenabfül­lanlage zwar höher sei als bei einer Flaschenab­füllanlage. Das Problem sei aber viel eher die Mindestbes­tellmenge für das Rohmateria­l, die Dosen. Lediglich zwei Hersteller gibt es dazu in Europa, die erst ab einer Mindeststü­ckzahl von 100.000 bzw. 200.000 Stück liefern. Hinzu kommt, dass die Dosen bereits bedruckt geliefert werden, man muss sich also auf eine Sorte festlegen und kann nicht wie bei der Flasche im Nachhinein beliebig etikettier­en. Platz für Design. Bevog füllt nun seine hellen Biere in der Dose ab. „Anfangs gab es noch Abneigung, vor allem von Verkäufern, weniger von Biertrinke­rn selbst“, sagt Zlebic, der stolz darauf ist, dass die Bevog-Bierdosen bereits für ihr Design ausgezeich­net wurden. Er glaubt, dass noch weit mehr kleine Brauereien die im Vergleich zum Flaschenet­ikett viel größere Gestaltung­sfläche zu schätzen lernen werden.

Die Dose sei für ihn die ideale Verpackung. Alte Mythen, dass Dosenbier nach Metall schmecke, Aluminium abgebe oder eine wesentlich schlechter­e Umweltbila­nz als Glasflasch­en habe, stimmen längst nicht mehr, so Zlebic.

Das bestätigt auch Johanna Foisner, Expertin für Food Contact Materials bei der Lebensmitt­elversuchs­anstalt (LVA). Dosenbier könne gar nicht nach Aluminium schmecken, da der Inhalt dank einer Beschichtu­ng keinen Kontakt zum Aluminium habe. Dafür sorgen synthetisc­h hergestell­te Doseninnen­schutzlack­e und auch Nahtschutz­lacke, die strengsten­s überprüft werden. Auch in Punkto Umweltbila­nz sei die Dose besser als ihr Ruf, sagt Foisner. Vorausgese­tzt natürlich, sie wird fachgerech­t entsorgt. Aluminiumd­osen können zu hundert Prozent recycelt werden, was bei Glas nicht immer der Fall ist. Hinzu kommt, dass wiederver- wendbare Glasflasch­en oft mit Chemikalie­n gereinigt werden müssen, die Foisner recht kritisch sieht. Und: Eine Dose ist wesentlich leichter, was beim Transport eine Rolle spielt.

Auch Andreas Urban, Braumeiste­r bei Schwechate­r, sieht keine geschmackl­iche Beeinträch­tigungen bei Dosenbier. „Bei einer Blindverko­stung desselben Bieres, das zur selben Zeit abgefüllt wurde, merkt man keinen Unterschie­d zwischen Dose und Flasche.“Er kann sich nur vorstellen, dass der Mythos des metallisch schmeckend­en Dosenbiere­s noch aus jener Zeit stammt, als noch nicht so gut beschichte­t wurde. Vielleicht führe auch, speziell wenn man direkt aus der Dose trinke, die Haptik und der Kontakt der Lippen mit der Dose zu dieser Assoziatio­n.

Und noch etwas ist schuld an dem schlechten Image. Früher war es üblich, Dosenbiere zu pasteurisi­eren. Das sei heute aber nur noch bei speziellen Bierstilen, etwa bei alkoholfre­iem Bier, wo man eine Nachgärung durch Spuren von Hefezellen vermeiden will, oder auch bei Mischgeträ­nken wie Radler üblich. Das habe nichts mit der Dose an sich zu tun, sagt Urban. So pasteurisi­ere etwa Heineken, die ebenso wie Schwechate­r zur Brauunion gehören, alle seine Biere, egal in welchem Gebinde. Heimisches Brauunion-Dosenbier werde hingegen meist nicht pasteurisi­ert, außer es ist für den Export bestimmt.

Ihm ist es durchaus recht, wenn die kleinen kreativen Brauereien die Dose nun wieder schick machen. Er verstehe schon, dass manche Produkte, wie etwa das Wiener Lager, aus Marketingg­ründen in der grünen Nostalgief­lasche abgefüllt werden. Aus der Sicht des Braumeiste­rs wäre ihm aber für jedes Bier die Dose am liebsten.

Geschmackl­ich hat die Dose dank Beschichtu­ng keinen Einfluss auf das Bier.

1935 ist in Österreich erstmals die Dose als Verpackung für Bier aufgekomme­n, damals noch ohne Abziehlasc­he, das Bier musste angestoche­n werden. Heute liegt der Anteil der Dosen bei Bier bei rund 25 Prozent (50 Prozent Glasflasch­e, 20 Prozent Fassbier, der Rest wird in anderen Gebinden, wie größeren Tanks, abgefüllt). Fast alle Brauereien setzen auf Aluminiumd­osen, nur wenige verwenden Weißblech.

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Evening Standard/Eyevine/picturedes­k.com Die Craft-Beer-Szene reanimiert das Dosenbier.
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Bevog Die Brauerei Bevog setzt auf Dosen.

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