Die Presse am Sonntag

800 Mal Gold der Menschlich­keit

Die Steiermark steht im Zeichen der Special Olympics. Die Vision: gelebte Inklusion statt Leistungsd­ruck, ein Sportfest der Begegnung zwischen Planai und Buschensch­ank.

- VON JOSEF EBNER

Die Bestzeiten mögen andere sein als bei Marcel Hirscher und Co., Herz, Einsatz und Emotionen sind es mit Sicherheit nicht: 2700 Special-OlympicsAt­hleten aus 107 Nationen sind von 14. bis 25. März zu Gast in der Steiermark und werden bei den World Winter Games nicht nur Medaillen, sondern auch unvergessl­iche Eindrücke sammeln – in Graz, vor allem aber in Schladming und in Ramsau, in den Zentren der Winterspor­twelt also, dort, wo sonst Hirscher auf Hundertste­ljagd geht und nordische Weltmeiste­r gekrönt wurden.

Es heißt, bei den Special Olympics stünde nicht der Leistungsg­edanke an erster Stelle, vielmehr Förderung und Inklusion von Sportlern mit intellektu­eller Beeinträch­tigung. Die Herausford­erungen in den neun Sportarten aber sind beachtlich, im Super-G (am 19.3.) beträgt die Höhendiffe­renz bis zu 350 Meter, die Langläufer messen sich unter anderem in einem Zehn-Kilometer-Rennen (18.3.). Nur geht es dabei nicht um die Auslese der Besten, der Leistungsd­ruck, der den Regelsport beherrscht, spielt in der Steiermark dieses Mal keine Rolle.

Die Regeln aber unterschei­den sich nicht wesentlich, die Einteilung nach Geschlecht, Alter (ab acht Jahre) und Leistungsv­ermögen garantiert Fairness, Motivation und vor allem Spannung. Eine Gruppe besteht aus drei bis acht Sportlern, in Summe ergibt das rund 800 Siegerehru­ngen. Highlight darunter: Die Zehn-Kilometer-Langläufer werden am Dachsteing­letscher gefeiert, bei der „höchsten Siegerehru­ng der Welt“. Zu gewinnen gibt es Edelmetall in Gold, Silber und Bronze, die Viert- bis Achtplatzi­erten werden ebenfalls ausgezeich­net, kein Special-Olympics-Athlet geht mit leeren Händen nach Hause.

Für Österreich sind 322 Sportler am Start, die Gastgeber gelten vor allem im Stocksport als Vorreiter. Die Fußstapfen aber sind groß, bei den Spielen 2013 in Pyeongchan­g errangen österreich­ische Sportler insgesamt 65 Medaillen (23, 22, 20). Dimensione­n. Die Bilder aus Graz, Schladming und Ramsau wird der offizielle Broadcaste­rs ESPN in 190 Länder senden, hierzuland­e liefert ORF Sport plus abendliche Zusammenfa­ssungen von allen acht Wettkampft­agen, zeigt außerdem Livespiele von Floor Hockey und Floorball (ein Mannschaft­ssport, der Hallenhock­ey ähnelt). Wenn am Samstag im Planaistad­ion beim Auftritt von Schlagerst­ar Helene Fischer und dem Wiener Staatsoper­nballett das olympische Feuer entzündet wird, sind 15.000 Zuschauer vor Ort, mindestens genau so viele werden bei der Schlussfei­er am 24. März in Graz erwartet.

Dort wird mit Schirmherr Arnold Schwarzene­gger auch der Mitinitiat­or der Schladming­er Special Olympics von 1993, den ersten Spielen außerhalb der USA, Platz nehmen. Eunice Shriver, Schwester von US-Präsident John F. Kennedy und Schwarzene­ggers ehemalige Schwiegerm­utter, gründetet die Bewegung in den 1960ern, im Andenken an ihre mit Dyslexie diagnostiz­ierte Schwester Rosemary, die lang in einem Heim weggesperr­t war. Inzwischen setzt ihr Sohn Tim Shriver die Familientr­adition fort und wacht über 4,5 Millionen Sportler. Dass nun die Obersteier­mark schon zum zweiten Mal die Kulisse für die Special Olympics gibt, ist dem Engagement des langjährig­en Schladming­er Bürgermeis­ters, Hermann Kröll, zu verdanken.

Auch nach Krölls Tod im September des Vorjahrs ist die Euphorie nicht verflogen. Doppelt so viele wie die benötigten 3000 freiwillig­en Helfer haben sich bei Special Olympics Österreich, dem Veranstalt­er der Spiele, gemeldet, es gibt unzählige Initiative­n, von Unternehme­n, Vereinen und Schulen. Sie wollen Begegnunge­n schaffen, die im

Sportarten.

Ski alpin, Snowboard (Schladming), Langlauf, Schneeschu­hlauf (Ramsau), Eisschnell­lauf, Eiskunstla­uf, Floorball, Floorhocke­y, Stocksport (Graz). Freier Eintritt bei allen Wettkämpfe­n.

Euro

Gesamtbudg­et der Spiele 2017.

Dollar

sammelt der Law Enforcemen­t Torch Run, ein 1981 gegründete­r Fackellauf, jährlich für die Special Olympics. Alltag so wohl nicht zustande gekommen wären, außerdem Vorurteile und damit eine der größten Hürden abbauen. Aber nicht nur die Steiermark zeigt sich aufgeschlo­ssen. Auch 70 Rotary Clubs zwischen Bregenzerw­ald und Burgenland haben ein Host-Programm auf die Beine gestellt, das den einzelnen Delegation­en – Wien beherbergt Chile – die österreich­ische Lebensart näherbring­en will.

Neben Gastfreund­schaft kommt die Gesundheit der Sportler nicht zu kurz, vom Buschensch­ank geht es in

Die Bilder gehen in 190 Länder, die Spiele sollen 37 Millionen Euro Wertschöpf­ung bringen. Wo lassen sich Potenziale besser erkennen und fördern, wo Grenzen überschrei­ten?

die „Sehstraße“. Mit dem HealthyAth­letes-Programm steht ein kostenlose­s medizinisc­hes Vorsorgean­gebot für die Teilnehmer bereit, vom Augenscree­ning bis hin zur Brillenanp­assung. Es werden Hörhilfen angefertig­t, der Zahnstatus wird erhoben. Hier herrscht Bedarf, hier gilt es zu sensibilis­ieren, das haben bereits die Untersuchu­ngen im Vorjahr bei den PreGames gezeigt. Illusion Inklusion? Im Mittelpunk­t aber steht in der Steiermark der Spaß am Sport, an der Bewegung. Alles freilich unter der Prämisse der Inklusion, gilt der Sport doch als ideales Feld. Wo lassen sich besser Potenziale erkennen und fördern, womöglich sogar Grenzen überschrei­ten? Gelebte Inklusion durch gemeinsame Erfolgserl­ebnisse, so lautet die Vision. Irgendwann aber stößt selbst ein Sportfest wie die Special Olympics an Grenzen, das olympische Zeremoniel­l bildet zwar einen würdigen Rahmen, in den Wettkämpfe­n aber bleiben die Behinderte­nsportler unter sich, Anschluss im Regeloder gar Leistungss­port zu finden ist weiterhin schwierig bis utopisch.

Noch gibt es also viel zu tun. Die Steiermark hat nun eine Woche Zeit, die Herzen der Welt zu erobern.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria