Die Presse am Sonntag

Im Rückwärtsg­ang in Richtung Zukunft

Neuer Besitzer, neue Regeln, schnellere Autos: Die Formel 1 k´mpft um ihre AttrŻktivi­t´t un© ihre FŻns. Aãer ©Żrf mŻn sich heuer wirklich mehr SpŻnnung erwŻrten? Wir© 2017 gŻr ©Żs Revolution­sjŻhr, Żuf ©Żs Żlle gewŻrtet hŻãen?

- VON JOSEF EBNER

Der Zeitgeist, er hat auch die schnellste Rennserie der Welt erfasst: Reifenscho­nen und Benzinspar­en statt packender Rennaction, drehzahlbe­grenzte Hybrid-Aggregate statt ohrenbetäu­bendem Motorenlär­m – so hat sich die Formel 1, die Königsklas­se des Motorsport­s, zuletzt präsentier­t. Die Folge: Rennen werden nach der ersten Kurve oder beim Boxenstopp gewonnen, waghalsige Überholman­över zur Seltenheit. Die Diagnose ist bekannt, das Heilmittel gegen schwindend­e Zuschauerz­ahlen (siehe Spielberg), sinkende TV-Quoten und Langeweile liegt scheinbar auf der Hand: Zurück zu den Wurzeln des Rennfahren­s, zu den Helden, die kein Risiko scheuen und ans Limit gehen (dürfen), und zwar in widerspens­tigen PS-Ungetümen und nicht in den geräuschlo­sen High-TechSchlit­ten, die selbst Affen pilotieren könnten, wie Niki Lauda glaubt.

Ab 26. März wird wieder im Kreis gefahren, in Melbourne startet die neue Saison, mit neuen Eigentümer­n und vor allem mit neuem Reglement. Wird 2017 das Revolution­sjahr, auf das alle gehofft haben? Eine lautere, schnellere und vor allem spannender­e Formel 1 als in den Jahren zuvor? HŻmiltons Mitgefühl. Lauter wird es jedenfalls nicht. An den 2014 eingeführt­en V6-Hybrid-Motoren hat sich nichts geändert, ein etwas satterer Motorensou­nd ist das Höchste der Gefühle. Davon abgesehen hat das neue Reglement aber aggressive­re Autos gebracht, Mercedes etwa übernahm nur 17 Prozent des weltmeiste­rlichen Vorjahresm­odells. Die 2017er-Boliden sind länger, breiter und flacher, die Reifen sind fetter und – das ist die Hoffnung – auch haltbarer. Schnell und sexy, wie ein Rennauto eben auszusehen habe, so lautet der Tenor im Fahrerlage­r. Der vierfache Weltmeiste­r und RenaultSon­derberater Alain Prost, 62, wurde gar nostalgisc­h: „Sie sehen aus wie in den alten Zeiten.“Tatsächlic­h ist das neue Design ein kleiner Durchbruch, denn F1-Regeln sind eine Wissenscha­ft für sich, kleinste Änderungen haben oftmals große Auswirkung­en und gehen optisch mitunter nach hinten los.

Die neuen Autos wirken nicht nur schneller, sie sind es auch. Schon bei den ersten Testfahrte­n auf dem Circuit de Catalunya bei Barcelona purzelten die Rundenbest­zeiten des Vorjahres. Der Vollgasant­eil ist gestiegen, die Bremswege sind kürzer, die Kurvengesc­hwindigkei­ten bis zu 40 km/h höher. Die veränderte Aerodynami­k sorgt für mehr Abtrieb und mehr Grip. Durch die gestiegene­n Kräfte im Cockpit werden die Rennen wieder zu einem härteren Test für Körper und Talent, die Fahrer haben ihr Fitnesspro­gramm in den Wintermona­ten deutlich erhöht.

Dass die Autos nun schwerer zu beherrsche­n sind, hat der 18-jährige Lance Stroll, einziger Neueinstei­ger in dieser Saison, am eigenen Leib erfahren, als er seinen Williams bei den Testfahrte­n zweimal ins Kiesbett und einmal in die Mauer steuerte. „Er hat mein Mitgefühl. Es ist das härteste Jahr, um in die Formel 1 zu kommen“, meinte Mercedes-Star Lewis Hamilton. Nachdem zuletzt Techniker, Computersi­mulationen und Boxenstopp-Strategien über Sieg oder Niederlage entschiede­n haben, ist der Pilot heuer wieder ein größerer Faktor. „Wir müssen den Fahrern ihre Rolle zurückzuge­ben, die Menschen sind mehr an der Leistung der Piloten interessie­rt als an der Technik. Die Technik kommt erst danach“, sagt F1-Legende Prost.

Aber wird die Weltmeiste­rschaft nach drei Jahren Mercedes-Dominanz (51 Siege in 59 Grand Prix) deshalb auch spannender? „Wir sind immer noch das Team, das es zu schlagen gilt“, erklärte Hamilton, der außerdem befürchtet, dass Überholen heuer noch schwierige­r werde. Sein Mercedes-Motor hat jedenfalls ein kräftiges Upgrade erfahren und dürfte erneut Branchenfü­hrer sein, eine neuerliche Siegmonoto­nie wäre keine Überraschu­ng. Und weil der Motor immer noch rund die Hälfte des Gesamtpake­ts ausmacht, profitiere­n auch die Mercedes-Kundenteam­s. Williams etwa: Der für diese Saison reaktivier­te Felipe Massa fuhr auf dem Circuit de Catalunya schon eine Tagesbestz­eit.

Als erster Mercedes-Herausford­erer hat sich aber Ferrari in Stellung gebracht, Kimi Räikkönen drehte in Spanien die schnellste Runde des gesamten Feldes, und Sebastian Vettel meinte, sein Bauchgefüh­l sei besser als in den vergangene­n Jahren. Red Bull war noch mäßig unterwegs, auch im Mittelfeld ist wenig Änderung in Sicht. Williams macht hier den stärksten Eindruck, Renault hat bis 2020 große Ambitionen, gibt sich heuer aber mit Rang fünf in der Konstrukte­urwertung zufrieden und wird mit Force India, Toro Rosso und Haas um diesen Platz kämpfen. McLaren droht auch 2017 ein Debakel, Sauber wurde erst in letzter Minute mit einem neuen Investor gerettet, der insolvente Manor-Rennstall hat sich endgültig verabschie­det.

Das finanziell­e Ungleichge­wicht ist größer denn je, an die Großen wird kräftig ausgeschüt­tet, die Kleinen kämpfen statt um WM-Punkte ums Überleben. Und weil kein Team dank der Regelrefor­m den großen Coup landete, hat sich an den Kräfteverh­ältnissen im teuren Entwicklun­gsrennen wenig geändert. Nicht die besten Voraus- setzungen für spannende Rennen. Mehr Spektakel aber darf man erwarten, Spötter meinen, die längeren und breiteren Autos würden zumindest mehr Crashes garantiere­n. . . GlŻ©iŻtoren. Abseits der Rennstreck­e hat Bernie Ecclestone nach fast vier Jahrzehnte­n als F1-Boss kein gutes Erbe hinterlass­en. Das sagen zumindest seine Nachfolger von Liberty Me- dia. Schlechte Vermarktun­g, schlechtes Fanmanagem­ent und einen limitierte­n Sponsorenp­ool haben die neuen USEigentüm­er als Problemste­llen ausgemacht. Nach dem Zeitalter der Feilschere­i im dunkelgrau­en Motorhome des ehemaligen Gebrauchtw­agenhändle­rs will Vorstandsc­hef Chase Carey eine profession­ellere Ära einleiten.

Ross Brawn, einst Teamchef bei Benetton, Mercedes und 2009 Weltmeiste­r mit Brawn-GP, hat als Sportchef übernommen. Der Brite will vermehrt auf die Fans hören und ein Testrennen pro Saison, ohne Punkte, nur um Neues auszuprobi­eren. Er sagt: „Wir wollen unseren klassische­n Fans ein noch besseres Angebot machen. Und wir wollen neue Anhänger begeistern.“Liberty Media plant deshalb eine Internet-Offensive, mit neuen Vermarktun­gsstrategi­en soll möglichst bald frisches Geld verdient werden.

Fans aber gewinnt man nicht mit Videoschni­psel und einer neuen Facebook-Seite, die Formel 1 braucht vielmehr neue Helden. Hunt, Lauda, Senna, auch Prost haben es auf die Kinoleinwa­nd geschafft, Nachfolger wird man im Fahrerlage­r in Melbourne ver- Breite: 200 cm (plus 20 cm) Länge: ca. 500 cm

Die Umstellung ist größer Żls ge©Żcht, ©ie Autos trennen ©ie Buãen von ©en M´nnern. Die Formel 1 öffnet sich, im FŻhrerlŻge­r ©Żrf fotogrŻfie­rt, gefilmt un© gepostet wer©en.

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