Das Geld wächst nicht auf Bäumen oder Die Taschengeldfrage
Spielzeugpferde, Computerspiele oder ein Blumenstrauß für Papa. Wenn Kinder das Einmaleins lernen, sollten sie auch ihre erste Geldbörse und Taschengeld bekommen. So lernen sie, was es bedeutet, Geld zu haben und zu verlieren. Eltern erzählen, wie sie das
Einen Schimmel, eine hellbraune Stute und ein braun geschecktes Pony. Konzentriert stellt die sechsjährige Helene Riedler die drei Spielzeugpferde nebeneinander. Dazu legt sie eine nussgroße Scheibtruhe, einen Kübel mit Karotten und einen Haufen Äpfel, der so groß ist wie der Daumennagel eines Erwachsenen. Man spürt, dass dem blonden Mädchen mit den geflochtenen Zöpfen diese Gegenstände sehr am Herzen liegen. Denn sie unterscheiden sich in einer wichtigen Sache vom Rest der Spielsachen in ihrem Zimmer: Sie hat sie mit ihrem eigenen Geld bezahlt.
Seit September geht Helene in die Volksschule – und seit September bekommt sie Taschengeld. Den einen Euro pro Woche steckt sie stets in ihre blau-grüne Geldbörse mit den Vögeln, die auf einem Baum sitzen. Derzeit hat sie 14 Euro gespart, und langsam bekommt sie ein Gefühl dafür, was sie dafür bekommt. „Zuerst hab ich ein bisschen nachgedacht, was ich mir kaufen will“, erzählt sie. Dann habe sie sich für die Pferde entschieden. Helenes Mutter Julia sagt, die Tochter dürfe sich mit dem Geld „alles kaufen, was sie will“. Einmal waren das sogar Blumen für ihren Papa. „Zu seinem Geburtstag“, ergänzt das Mädchen und lächelt. Helene kann gerade einmal bis 20 zählen, viel weiter als bis zu dieser Zahl reicht ihre Vorstellung von Summen noch nicht. Doch sie weiß schon, dass ein Spielzeugpferd sechs bis neun Euro kostet und wie lange sie dafür sparen muss.
Wenn es eine Sache gibt, bei der sich Erziehungs- und Bildungsexperten einig sind, dann ist es die Taschengeldfrage. Ob Bildungseinrichtungen, Banken, Schuldnerberater – überall hört man: Je früher Kinder mit Geld in Berührung kommen, desto besser. Als idealer Einstiegszeitpunkt gilt für viele der Schulbeginn. Wer zählen lernt, soll das Erlernte auch gleich praktisch anwenden. Mit echten Scheinen und Münzen, nicht mit Spielgeld aus dem Kaufmannsladen. Es ist wichtig, dass sie den Preisunterschiede verstehen lernen, begreifen, dass das Jolly-Eis, das die große Schwester so gern isst, deutlich weniger kostet als das Magnum, das man selbst so gerne hat.
Es gibt auffallend viele Anlaufstellen es in Österreich – und zwar abseits der naheliegenden Banken –, die sich der Finanzerziehung widmen (siehe Kasten unten). Die Erste Bank hat im vergangenen Oktober ein eigenes Institut, den Financial Life Park, eröffnet, in dem Schulklassen spielerisch den Umgang mit Geld erlernen können. Die Österreichische Nationalbank bietet Führungen durch ihr Geldmuseum und eigene Workshops an und gibt (wie die Erste Bank) einen Taschengeldleitfaden heraus. Der Wiener Think- und Do-Tank entwickelt Apps und interaktive Spiele, mit denen Jugendliche ein Gefühl für Finanzbegriffe und Budgets erlangen können. Umso erstaunlicher ist, dass das Thema Geld in der Öffentlichkeit für viele immer noch ein Tabuthema ist. In Familien und in der Schule wird zu wenig darüber gesprochen. Wie viel kostet ein Pullover? Die Geschichte von der sechsjährigen Helene würde dem Wiener Schuldnerberater Alexander Maly gefallen. Er empfängt oft Schulklassen, und er macht dann meist einen sehr einfachen Test mit ihnen: „Ich teile sie in zwei Gruppen, in eine, die Taschengeld bekommt und eine, die keines bekommt. Dann frage ich sie, wie viel ein Pullover kostet. Die Taschengeld-Gruppe kann stets sehr genau sagen, wie viel, die andere aber nennt Fantasiepreise oder hat gar keine Vorstellung davon.“Gerade die frühe Berührung mit Geld sei die wichtigste Voraussetzung dafür, dass die späteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen vernünftigen Umgang mit Geld haben. In seiner Praxis in der Schuldnerberatung sieht er, welche Folgen es hat, wenn Kinder in Familien aufwachsen, wo man mit Geld chaotisch umgeht. Immer noch ist die größte Gruppe der Erstkunden von Schuldnerberatungsstellen unter 30 Jahre alt. Maly sagt, mit zwölf, spätestens aber mit 14 Jahren sollten Jugendliche auch ein eigenes Konto und eine Bankomatkarte haben.
Learning by doing, das ist auch der erste Rat von Eva-Bettina Gruber vom Wiener Start-up Three Coins. Sie sagt: „Den Umgang mit Geld lernt man wie das Radfahren: durch Ausprobieren, Hinfallen, wieder Aufstehen und Erkennen, auf welche Faktoren es wirklich ankommt, um die Balance zu halten. Radfahren lernt man nur, indem man es selbst tut. Das Gleiche gilt für den Umgang mit Geld.“
Und das geht mitunter ziemlich schnell. Oft erzählen Eltern, dass es ihre Kinder sind, die sie an die wöchentliche oder monatliche Auszahlung des Taschengeldes erinnern. Oder dass die Kinder rasch einen reifen Umgang mit dem eigenen Ersparten entwickeln – mitunter sogar die Eltern für ihre Ausgaben ermahnen. Die Wienerin Nina G. zum Beispiel erzählt, dass ihr neunjähriger Sohn Gustav kürzlich entsetzt war, als sie sich Ohrringe um 60 Euro gekauft hat. Gustav geht in die vierte Klasse Volksschule, seit eineinhalb Jahren bekommt er Taschengeld. Fünf Euro pro Woche von seiner Mutter, zehn vom Vater. Das Geld der Mutter gibt er für Computerspiele oder iTunes-Karten aus. Das Geld vom Vater steckt er in sein Sparschwein. „Und das hat er bisher noch nicht geschlachtet.“Aber Nina G. sagt, das Taschengeld sei für ihren Sohn nicht wirklich relevant, „weil wir jegliche Sonderwünsche erfüllen. Es ist mehr ein Nice-to-have.“
Worauf sollen Eltern beim Taschengeld achten? Experten raten, eine fixe Summe und einen fixen Tag der Übergabe (oder Überweisung) zu vereinbaren. Je jünger das Kind, desto geringer der Betrag und kürzer der Abstand. Wichtig ist, den Kindern völlige Freiheit zu überlassen, wofür sie ihr Geld ausgeben wollen. Und das Taschengeld nicht als Strafe oder Belohnung einzusetzen. Zusätzliches Geld zu Geburtstagen oder Weihnachten soll nicht mit dem Taschengeld vermischt werden. Wenn die Kinder älter werden, variiert die Höhe des Taschengeldes, je nachdem, was sie damit abdecken sollen. EvaBettina Gruber unterteilt die Ausgaben in „Wollen“und „Brauchen“: Ist es nur für Spaß und Spiel („Wollen“), kann es weniger sein. Soll das Kind damit auch die Schuljause, die Handyrechnung oder Bücher für die Schule kaufen („Brauchen“), dann kann der Betrag höher sein. Ein eigenes Konto ab dem 13. Lebensjahr hält auch sie für sinnvoll, „weil ein Konto die Grundlage für die Teilnahme an einem finanziellen Leben ist. Wenn man 16 bis 18 Jahre seines Lebens nur mit Bargeld umgeht und dann plötzlich vor der Welt des digitalen Geldes steht, ist die Wahrscheinlichkeit höher, sich zu verschulden.“Beim Kontoeinrichten sollte man nur eines beachten: dass es nicht überzogen werden kann.
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Wer zählen lernt, soll das Erlernte praktisch anwenden. Und das mit echtem Geld. Mit zwölf, spätestens aber mit 14 Jahren sollten Jugendliche ein eigenes Konto haben.