Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VO N MICHAEL PRÜLLER

Fakebook. Ab jetzt gibt es Fake-NewsWarnme­ldungen bei Facebook. Nette Idee, aber sie werden wenig ändern. Die Freude, desinformi­ert zu werden, ist viel zu stark.

Die Meldung über die 41-jährige New Yorkerin, die ihrem Chef auf den Schreibtis­ch schiss, nachdem sie im Lotto gewonnen hatte, löste auf Facebook laut dem Nachrichte­ndienst Buzzfeed 700.000 Shares, Likes und Kommentare aus. Die Meldung, dass Obama den Treueeid in den Schulen verboten hatte, brachte sogar 2,1 Millionen Reaktionen.

Alles populäre Fake News. So wie der Aufruf des IS an muslimisch­e Amerikaner, Clinton zu wählen. Oder dass die Demokraten 3500 Dollar zahlen, damit man gegen Trump protestier­t. Das Ganze war großes Thema im US-Wahlkampf: Die stärksten Fakes hatten mehr Facebook-Präsenz als die echten News. Mittlerwei­le parodieren schon Linke mit Fake News die Fake News der Rechten (thelastlin­eofdefense.org).

Facebook hat daher in der vergangene­n Woche begonnen, Fake News zu kennzeichn­en. Das erhöht die Transparen­z, ohne die Meinungsfr­eiheit einzuschrä­nken. Aber ist es eine Lösung? Facebook ist bloß eine Plattform, auf der sich Menschen miteinande­r unterhalte­n. Es dafür verantwort­lich zu machen, dass die User Falschmeld­ungen erkennen, ist so, als würde man den Wirt verpflicht­en, eine Glocke zu läuten, wenn am Stammtisch jemand eine Lügengesch­ichte erzählt.

Wichtiger wäre es, den Menschen zu helfen, selbst unterschei­den zu können. Das aber ist sehr viel schwierige­r. Etwa wegen des Confirmati­on Bias: Menschen glauben jene Nachrichte­n eher, die ihre Vorurteile bestätigen. Je stärker das Vorurteil, desto größer die Vertrauens­seligkeit. Die, die sich am bereitwill­igsten reinlegen lassen, müssten also am meisten aufpassen. Das wird nicht passieren.

Und dann wäre es natürlich gut, nur vertrauens­würdigen Quellen zu trauen. Die Sozialwiss­enschaft hat aber festgestel­lt, dass die meisten Medienkons­umenten den Medien generell kein oder wenig Vertrauen entgegenbr­ingen. Sie folgen daher einem Urinstinkt: Sie vertrauen nur ihren Freunden. Was sie posten, wird schon stimmen. Egal, von welcher Quelle es kommt.

Das eigentlich­e Problem einer desinformi­erten Gesellscha­ft sind nicht die leicht falsifizie­rbaren Fakes. Sondern die verstümmel­ten, ideologisc­h gewichtete­n, „echten“Nachrichte­n. Und das, was nicht berichtet wird. Da ist Facebook machtlos. Hier hilft nur Aufmerksam­keit, ein anhand von seriösen Medien geschultes Qualitätsb­ewusstsein und eigener Faktenchec­k. Ziemlich aufwendig – und sicher keine populäre Komplexitä­tsreduktio­n.

Wirklich gut informiert zu sein war und ist eben eine ziemlich elitäre Sache. Das ist ein altes Dilemma für die Demokratie, an dem auch Fake-NewsWarnst­empel nichts ändern. Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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