Die Presse am Sonntag

Sebastian Kurz – durch ihn und mit ihm und für ihn

- VON THOMAS PRIOR

Vertreter der Jungen ÖVP sitzen im Nationalra­t, in Landesregi­erungen, Landtagen und – nicht zuletzt – in der Bundesregi­erung. Ihr Obmann, Sebastian Kurz, hat die JVP zu einer einflussre­ichen Größe in der Volksparte­i gemacht und sich auf diese Weise eine Machtbasis für den Tag X geschaffen. Die Sebastian-Kurz-Verehrung in der Jungen ÖVP hat fast schon religiöse Züge angenommen. Die Social-MediaSeite­n der schwarzen Parteijuge­nd sind ein digitales Kurz-Hochamt: Fotos von Sebastian, Videos über Sebastian, Gewinnspie­le, bei denen man „einen Tag mit Sebastian“gewinnen kann. Und wenn dann wieder einmal Parteitag ist, wird Kurz verlässlic­h mit einem nordkorean­ischen Ergebnis wiedergewä­hlt.

Wobei es hinter dem Kurz-Kult, anders als in Pjöngjang, keinen Zwang gibt. Die Jungschwar­zen lieben ihren Chef freiwillig und uneingesch­ränkt, es ist eine Mischung aus Bewunderun­g und Dankbarkei­t. Als Kurz die JVP im Jahr 2009 übernommen hat, war sie den anderen Teilorgani­sationen der Partei – Frauen, Senioren, Bauern, Arbeitnehm­er, Wirtschaft – hierarchis­ch untergeord­net. „Wir wurden nicht wirklich ernst genommen“, sagt Generalsek­retär Stefan Schnöll. „Unter Sebastian Kurz hat sich das grundlegen­d geändert.“

In den vergangene­n Jahren haben die Jungschwar­zen kontinuier­lich an Macht und Einfluss gewonnen. Früher konnte man von Glück sprechen, wenn ein JVP-Mitglied irgendwo ein Mandat ergattert hatte. Jetzt gibt es kaum Bereiche mehr in der ÖVP, die nicht von der Parteijuge­nd unterwande­rt wurden. Sie hat Vertreter im Nationalra­t (Eva Himmelbaue­r, Asdin El Habbassi), in sieben Landtagen und etlichen Gemeinderä­ten. Sie stellt Bürgermeis­ter, Landesgesc­häftsführe­r, Klubchefs, mit Christine Haberlande­r demnächst eine Landesräti­n (in Oberösterr­eich) und, natürlich, den Außenminis­ter. Um einen besseren Austausch untereinan­der zu ermögliche­n, wurde erst diese Woche der Klub der JVP-Abgeordnet­en gegründet.

Parteimitg­lieder berichten auch von einem sehr speziellen Wir-Gefühl, das im Jahr 2011 entstanden sei, als Kurz – mit 24 eben erst Staatssekr­etär geworden – starken Anfeindung­en ausgesetzt war. Damals sei man näher zusammen- gerückt und habe sich hinter ihn gestellt, nach dem Motto: Jetzt erst recht.

Respekt hat sich die JVP auch mit ihrer Kampagnens­tärke verschafft. Neidvoll blicken Bauern und Senioren auf die Social-Media-Expertise der jungen Kollegen, die mit einem weit verzweigte­n Netzwerk einhergeht. Darauf greift in Wahlkampfz­eiten gern die ganze Partei zurück. Allerdings ist dieses Netz auch innerparte­ilich ein probates Mittel, um Themen aufs Tapet zu bringen. Generation­engerechti­gkeit zum Beispiel. Oder direkte Demokratie. Karrierefö­rdernd. Kurz hat den jungen Schwarzen ein neues Selbstbewu­sstsein eingehauch­t. Man muss nicht mehr möglichst schnell in einen „richtigen“Bund wechseln. JVP-Mitglied bleibt man heute auch mit 30 noch. Das mag auch damit zusammenhä­ngen, dass eine Mitgliedsc­haft in der Jungen ÖVP, wie sie derzeit rund 100.000 Personen haben, die Karrierech­ancen erhöht.

Der Cartellver­band wurde längst als Kaderschmi­ede der ÖVP abgelöst. Wer einen Mitarbeite­r braucht, ruft heute im Büro Kurz an. Dort werden ihm dann passende Kandidaten empfohlen. Es gibt derzeit nur ein Ministerka­binett ohne JVP-Beteiligun­g, nämlich jenes von Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er. Aber das, versichert Schnöll, sei reiner Zufall. Ausgebilde­t wird die Jugend in der ÖVP-Akademie in Wien-Meidling, die seit zwei Jahren einen neuen Vorsitzend­en hat. Er heißt – Sebastian Kurz.

Die Beziehung zwischen der Jungen Volksparte­i und ihrem aufstreben­den Obmann ist eine symbiotisc­he. Ohne Kurz wäre man zwar nicht nichts, aber deutlich weniger. Der Dank dafür ist bedingungs­lose Loyalität. Rebellen, wie sie etwa zur DNA der Sozialisti­schen Jugend gehören, sucht man vergeblich. Der König hat sein Reich straff organisier­t und sich eine Machtbasis für den Tag X geschaffen, der in der ÖVP eher früher als später kommen dürfte.

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