Sebastian Kurz – durch ihn und mit ihm und für ihn
Vertreter der Jungen ÖVP sitzen im Nationalrat, in Landesregierungen, Landtagen und – nicht zuletzt – in der Bundesregierung. Ihr Obmann, Sebastian Kurz, hat die JVP zu einer einflussreichen Größe in der Volkspartei gemacht und sich auf diese Weise eine Machtbasis für den Tag X geschaffen. Die Sebastian-Kurz-Verehrung in der Jungen ÖVP hat fast schon religiöse Züge angenommen. Die Social-MediaSeiten der schwarzen Parteijugend sind ein digitales Kurz-Hochamt: Fotos von Sebastian, Videos über Sebastian, Gewinnspiele, bei denen man „einen Tag mit Sebastian“gewinnen kann. Und wenn dann wieder einmal Parteitag ist, wird Kurz verlässlich mit einem nordkoreanischen Ergebnis wiedergewählt.
Wobei es hinter dem Kurz-Kult, anders als in Pjöngjang, keinen Zwang gibt. Die Jungschwarzen lieben ihren Chef freiwillig und uneingeschränkt, es ist eine Mischung aus Bewunderung und Dankbarkeit. Als Kurz die JVP im Jahr 2009 übernommen hat, war sie den anderen Teilorganisationen der Partei – Frauen, Senioren, Bauern, Arbeitnehmer, Wirtschaft – hierarchisch untergeordnet. „Wir wurden nicht wirklich ernst genommen“, sagt Generalsekretär Stefan Schnöll. „Unter Sebastian Kurz hat sich das grundlegend geändert.“
In den vergangenen Jahren haben die Jungschwarzen kontinuierlich an Macht und Einfluss gewonnen. Früher konnte man von Glück sprechen, wenn ein JVP-Mitglied irgendwo ein Mandat ergattert hatte. Jetzt gibt es kaum Bereiche mehr in der ÖVP, die nicht von der Parteijugend unterwandert wurden. Sie hat Vertreter im Nationalrat (Eva Himmelbauer, Asdin El Habbassi), in sieben Landtagen und etlichen Gemeinderäten. Sie stellt Bürgermeister, Landesgeschäftsführer, Klubchefs, mit Christine Haberlander demnächst eine Landesrätin (in Oberösterreich) und, natürlich, den Außenminister. Um einen besseren Austausch untereinander zu ermöglichen, wurde erst diese Woche der Klub der JVP-Abgeordneten gegründet.
Parteimitglieder berichten auch von einem sehr speziellen Wir-Gefühl, das im Jahr 2011 entstanden sei, als Kurz – mit 24 eben erst Staatssekretär geworden – starken Anfeindungen ausgesetzt war. Damals sei man näher zusammen- gerückt und habe sich hinter ihn gestellt, nach dem Motto: Jetzt erst recht.
Respekt hat sich die JVP auch mit ihrer Kampagnenstärke verschafft. Neidvoll blicken Bauern und Senioren auf die Social-Media-Expertise der jungen Kollegen, die mit einem weit verzweigten Netzwerk einhergeht. Darauf greift in Wahlkampfzeiten gern die ganze Partei zurück. Allerdings ist dieses Netz auch innerparteilich ein probates Mittel, um Themen aufs Tapet zu bringen. Generationengerechtigkeit zum Beispiel. Oder direkte Demokratie. Karrierefördernd. Kurz hat den jungen Schwarzen ein neues Selbstbewusstsein eingehaucht. Man muss nicht mehr möglichst schnell in einen „richtigen“Bund wechseln. JVP-Mitglied bleibt man heute auch mit 30 noch. Das mag auch damit zusammenhängen, dass eine Mitgliedschaft in der Jungen ÖVP, wie sie derzeit rund 100.000 Personen haben, die Karrierechancen erhöht.
Der Cartellverband wurde längst als Kaderschmiede der ÖVP abgelöst. Wer einen Mitarbeiter braucht, ruft heute im Büro Kurz an. Dort werden ihm dann passende Kandidaten empfohlen. Es gibt derzeit nur ein Ministerkabinett ohne JVP-Beteiligung, nämlich jenes von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Aber das, versichert Schnöll, sei reiner Zufall. Ausgebildet wird die Jugend in der ÖVP-Akademie in Wien-Meidling, die seit zwei Jahren einen neuen Vorsitzenden hat. Er heißt – Sebastian Kurz.
Die Beziehung zwischen der Jungen Volkspartei und ihrem aufstrebenden Obmann ist eine symbiotische. Ohne Kurz wäre man zwar nicht nichts, aber deutlich weniger. Der Dank dafür ist bedingungslose Loyalität. Rebellen, wie sie etwa zur DNA der Sozialistischen Jugend gehören, sucht man vergeblich. Der König hat sein Reich straff organisiert und sich eine Machtbasis für den Tag X geschaffen, der in der ÖVP eher früher als später kommen dürfte.