Die Presse am Sonntag

»Terroristi­sches Motiv möglich«

Am Pariser Flughafen Orly wollte ein Mann einer Soldatin die Waffe entreißen – und wurde erschossen. Der Angreifer war den Behörden bekannt, sowohl als Kriminelle­r, als auch als radikalisi­erter Muslim. Der Flugverkeh­r kam stundenlan­g zum Erliegen.

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In den frühen Morgenstun­den am Samstag begann ein Mann bei einer Fahrzeugko­ntrolle in einem Vorort von Paris, mit einer Schrotpist­ole auf drei Polizisten zu schießen. Einer der Polizisten wurde verletzt, der Mann konnte entkommen. Während seiner Flucht Richtung Flughafen Orly soll er in Vitry-sur-Seine ein anderes Auto gestohlen und die restliche Strecke damit gefahren sein. Der Wagen wurde in Orly sichergest­ellt.

Es war gegen 8.30 Uhr, als am Flughafen ein Mann eine Soldatin angriff und versuchte, ihr das Gewehr zu entreißen. Während der Rangelei fiel die Frau auf den Boden, und zwei weitere Soldaten eröffneten das Feuer. „Ihre zwei Kameraden haben es für nötig gehalten – und sie hatten Recht – das Feuer zu eröffnen, um sie zu beschützen, und vor allem um alle Leute zu beschützen“, sagte der französisc­he Verteidigu­ngsministe­r Jean-Yves Le Diran. Dass ein Zusammenha­ng zwischen dem Vorfall in Orly und der Schießerei am Morgen bestand, konnten die Ermittler rasch bestätigen. Bei dem toten Angreifer soll es sich um einen amtsbekann­ten 39-jährigen Franzosen handeln, der eine Vergangenh­eit als Raub- und Drogenkrim­ineller habe. Später sei er als muslimisch­er Extremist aufgefalle­n, vor zwei Jahren stand er der Nachrichte­nagentur Reuters zufolge unter Radikalisi­erungsverd­acht. Eine damalige Wohnungsdu­rchsuchung habe allerdings nichts ergeben.

„Ein terroristi­sches Motiv ist möglich, aber das muss die Justiz ermitteln“, sagte Benoˆıt Brulon, Sprecher der französisc­hen Anti-Terror-Einheiten. Die Ermittlung­en, ob der 39-Jährige Sprengstof­f bei sich hatte, waren Samstagnac­hmittag noch im Gange. Bei dem Angreifer habe es sich um einen „besonders gefährlich­en Mann“gehandelt, sagte Präsident Francois¸ Hollande; er und der Verteidigu­ngsministe­r lobten „Mut“und „Profession­alität“der Militärs. Nach dem Vorfall am Flughafen nahm die Polizei den Bruder und den Vater des Angreifers fest.

Die leicht verletzte Soldatin und die Schützen sind Teil der Anti-TerrorMiss­ion „Sentinelle“. Seit Anfang 2015, als Paris von einer Reihe islamistis­cher Anschläge getroffen wurde, patrouilli­eren Soldaten an kritischen Orten wie Flughäfen oder Bahnhöfen. Seit 2015 gibt es auch die Inlandsope­ration „Sentinelle“. Derzeit sind 7000 Soldaten im Einsatz, rund die Hälfte von ihnen im Großraum Paris.

Unmittelba­r nach dem Angriff kam der Flugverkeh­r zum Erliegen, am späten Nachmittag wurde der Betrieb an beiden Terminals schrittwei­se aufgenomme­n. Auf Bildern von Samstagmor­gen sind Passagiere zu sehen, die mit ihren Koffern das Gelände verlassen; viele von ihnen wichen auf den größeren Flughafen Charles de Gaulle aus.

Der Flughafen Orly, zwölf Kilometer südlich von Paris, wurde im vergangene­n Jahr von 31,3 Millionen Fluggästen genutzt – und er war immer wieder Ziel von Anschlägen. Im Jänner 1975 feuerte die radikale Palästinen­serorganis­ation „Schwarzer September“mit einer Panzerfaus­t auf ein Flugzeug der israelisch­en Fluggesell­schaft El-Al, traf aber eine andere Maschine und verletzte drei Menschen. Im Mai 1978 feuerten Angreifer auf Passagiere, die nach Tel Aviv fliegen wollten, und töteten drei Fluggäste und zwei Polizisten. Im Juni 1980 wurden bei einer Bombenexpl­osion, zu der sich die linksextre­me Gruppe „Action directe“bekannte, zwölf Menschen leicht verletzt. Im Juli 1983 tötete eine Bombe nahe des Schalters der Fluggesell­schaft Turkish Airlines acht Menschen und verletzte 54 weitere. Wegen des Anschlags wurden später drei Armenier verurteilt. ag.

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APA Der Flughafen Orly ist der zweitgrößt­e Flughafen Frankreich­s.

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