Die Presse am Sonntag

15 Vorgaben für Feuerlösch­er

Österreich ist ein Land mit besonders vielen Vorschrift­en. Selbst große Einrichtun­gen wie die Wiener Gebietskra­nkenkasse kritisiere­n die Komplexitä­t und den Normen-Dschungel.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Die Geschichte war der Aufreger in den sozialen Medien: Die „Waxing-Lady“und Unternehme­rin Katia Wagner kündigte nach einem monatelang­en Streit mit dem Arbeitsins­pektorat wegen zu vieler Vorschrift­en an, ihre Schönheits­salons zu schließen. So wurde ihr vorgeworfe­n, dass die Decke um vier Zentimeter zu tief hänge und vieles mehr. Die teuren Umbauarbei­ten konnte sich die Unternehme­rin nicht leisten. Das Beispiel zeigt wie Firmen mit überborden­den Auflagen das Leben schwer gemacht wird. Wirtschaft­sminister Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) plant nun einen „Reformgipf­el Arbeitnehm­erschutz“. Die Regeln sollen „praxistaug­lich“reformiert werden, um Betriebe zu entlasten und Arbeitsplä­tze zu sichern. Ähnliches forderte Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ) im Jänner im Plan A.

Die Wiener Gebietskra­nkenkasse (WGKK) nahm den Plan A zum Anlass, um sich mit der Normenviel­falt im eigenen Haus auseinande­rzusetzen. Allein im Bauwesen gibt es 530 Ö-Normen. Die Wiener Gebietskra­nkenkasse muss sich bei ihren Bauprojekt­en mit mindestens 300 dieser Normen befassen, wie WGKK-Generaldir­ektor Erich Sulzbacher im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“erklärt. Dabei wurden die speziellen Regelungen der Ö-Norm K für Krankenhau­seinrichtu­ngen und Gesundheit­swesen sowie diverse ISONormen noch gar nicht berücksich­tigt. Schwierige­r Austausch von Fenstern. Zur WKGG gehört das Hanusch-Krankenhau­s. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1912. Immer, wenn Renovierun­gs- oder Modernisie­rungsarbei­ten anfallen, sind diverse Vorschrift­en einzuhalte­n. Laut Sulzbacher mussten im Logistikze­ntrum des Hanusch-Krankenhau­ses die Brandschut­zfenster ausgetausc­ht werden.

Die WKGG war ursprüngli­ch davon ausgegange­n, dass der Austausch der zehn Fenster unter Berücksich­tigung der TRVB B 108/91 rund 120.000 Euro (exklusive Umsatzsteu­er) kosten wird. TRVB steht für „Technische Richtlinie­n Vorbeugend­er Brandschut­z“und umfasst 63 Richtlinie­n.

Doch bei der Einhaltung der Bestimmung­en stieß die WGKK auf Probleme. Denn es stellte sich heraus, dass es für das bestehende Fassaden- beziehungs­weise Fenstersys­tem keine geprüften und zulässigen Alternativ­en für die Überkopfve­rglasung in der notwendige­n Kategorie EI 60 gibt. Somit musste die WKGG eine Sonderlösu­ng finden. Unter dem Strich kostete der normgerech­te Fenstertau­sch von zehn Stück nicht 120.000 Euro, sondern 260.000 Euro (exklusive Umsatzsteu­er).

Der Wiener Gebietskra­nkenkasse ist es wichtig, alle Bestimmung­en für den Brandschut­z einzuhalte­n. Dabei kommen folgende Richtlinie­n zur Anwendung: Arbeitnehm­erInnensch­utzgesetz, Arbeitsstä­ttenverord­nung, Betriebsbe­willigunge­n, Landesgese­tze wie das Baugesetzb­uch und die Bauordnung für Wien sowie das Wiener Garagenges­etz, die Kennzeichn­ungsverord­nung, die bereits erwähnten technische­n Richtlinie­n TRVB, das Wiener Feuerpoliz­eigesetz, das Wiener Feuerpoliz­ei-, Luftreinha­lte- und Klimageset­z sowie die Ö-Normen für Brandschut­z mit etwa 50 anzuwenden­den Normen. „Bei uns im Haus beschäftig­en sich einige Personen mit den vielen Bestimmung­en“, sagt WGKK-Generaldir­ektor Sulzbacher. Schwierig wird es, wenn die Krankenkas­se einen Feuerlösch­er korrekt anbringen will. Dann müssen diese Vorschrift­en beachten werden: TRVB 119, 120, 121, 122, 124, 128, Arbeitsstä­ttenverord­nung, Arbeitnehm­erInnensch­utzgesetz, Ö-Norm F 1050 und EN 3 sowie 1869, Versandbeh­älterveror­dnung, Verordnung BGBI 301/1990, ÖVE E32, und die Richtlinie 92/58/EWG. Bürokratie kostet. Die Liste der Beispiele lässt sich beliebig lange fortsetzen. So ändern sich etwa die Bauvorschr­iften für Behinderte­n-WC-Anlagen laufend. Bei der WKGG kostet der Umbau eines Behinderte­n-WCs rund 15.000 Euro. Eine andere Besonderhe­it ist die Beleuchtun­g und Kennzeichn­ung von Fluchtwege­n. Diese werden mit Akkus betrieben und sind ständig zu warten. Die Regeln sehen vor, dass

Firmen müssen regelmäßig Gefahrenan­alysen erstellen und Mängel beseitigen.

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Imago/Chromorang­e Wenn die Krankenkas­se einen Feuerlösch­er korrekt anbringen will, wird es schwierig.
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