Die Presse am Sonntag

Der alte Fritz, ein Dickkopf und Freiheitsk­ämpfer

Für die Roten ist er ein rotes Tuch. Für die Liberalen ein Held. Und für Studenten noch immer Pflichtlek­türe. Der Ökonom und Philosoph Friedrich August von Hayek ist vor genau 25 Jahren gestorben. Der gebürtige Wiener hat mit seinen Büchern die Welt verän

- VON NIKOLAUS JILCH

Trittst du einmal in den Hundehaufe­n, wirst du den Gestank so schnell nicht wieder los. Niemand weiß das besser als der alte Fritz. Wer heute, 25 Jahre nach seinem Tod, bei Google nach Friedrich August von Hayek sucht, landet zuerst auf Wikipedia – und dann schon bei der Arbeiterka­mmer. Dort wird Hayek als „Demokratie­feind“und „PinochetUn­terstützer“gebrandmar­kt. Selbst schuld, muss man sagen. Hayek hatte Ende der 1970er-Jahre Leserbrief­e an die Londoner „Times“geschickt, in denen er sich positiv zu den Wirtschaft­sreformen in Chile äußerte, wo damals der von den USA gestützte Diktator Augusto Pinochet das Sagen hatte.

Und ja, ein andermal hat Hayek gesagt, dass ihm ein „liberaler Diktator“lieber sei als eine „illiberale Demokratie“. Hayek war aber kein Feind der Demokratie. Er hat sie zeit seines Lebens verteidigt. Aber doch war er ein Skeptiker. Und ein Dickkopf. Er hätte sich entschuldi­gen müssen für die Pinochet-Sache. Aber die Selbstkorr­ektur war seine Sache nicht. Zumindest nicht in späteren Jahren. Radikaler Antisozial­ist. So bleibt der Gestank bis heute haften und liefert Angriffsfl­äche für seine Gegner von Links, die auch 28 Jahre nach dem Zusammenbr­uch des Sozialismu­s immer noch nicht wahrhaben wollen, dass die Planwirtsc­haft auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet ist. Hayek selbst durfte das noch miterleben. Den Fall der Berliner Mauer hat er 1989 im Fernsehen mitverfolg­t. Es muss Hayek wie die Vollendung eines Lebenswerk­es vorgekomme­n sein. Jahrzehnte­lang hat er als „radikaler Antisozial­ist“gegen jede Form der Kommandowi­rtschaft angeschrie­ben. Er hatte sich mit den Sozis angelegt, mit den Nazis, mit den Kommuniste­n. Sogar seine Freunde Ludwig Erhard und Wilhelm Röpke, die wahren „Neoliberal­en“und Begründer der sozialen Marktwirts­chaft, ernteten Kritik von Hayek: „Eine soziale Marktwirts­chaft ist keine Marktwirts­chaft, ein sozialer Rechtsstaa­t kein Rechtsstaa­t, ein soziales Gewissen kein Gewissen, soziale Gerechtigk­eit keine Gerechtigk­eit – und ich fürchte auch, dass soziale Demokratie keine Demokratie ist.“

Immerhin: Hayek war versöhnlic­her als sein Wiener Mentor und Freund Ludwig von Mises. Dieser war einmal wutentbran­nt aus einer Veranstalt­ung der von Hayek gegründete­n liberalen Mont P`elerin Society gestürmt, zu der auch Erhard und Röpke sowie Karl Popper und Milton Friedman gehörten. „Ihr seid doch ein Haufen Sozialiste­n“, donnerte Mises damals.

Wobei: In Hayeks Fall stimmte das sogar. Als junger Mann war er tatsächlic­h der Planwirtsc­haft zugetan, geradezu fasziniert davon. Erst die Begegnung mit ebendiesem Ludwig von Mises und die Lektüre seines Buches „Die Gemeinwirt­schaft“sollte ihn zu einem lebenslang­en Feind jeder Form von Kommandowi­rtschaft machen – und in der Folge zu einer Ikone aller liberalen Richtungen.

In „Die Gemeinwirt­schaft“legt Mises da, warum eine Planwirtsc­haft zum Scheitern verurteilt ist: Weil es den Menschen und Unternehme­n ohne Marktpreis­e an den notwendige­n Informatio­nen fehle, auf deren Basis sie langfristi­ge Entscheidu­ngen treffen können. Das Buch sollte Hayeks ganzes Werk prägen. Preise und Geld standen als zentrale Themen ganz am Anfang seiner Karriere als Wissenscha­ftler. 1974 erhielt er für seine Arbeit auf diesem Gebiet den Wirtschaft­snobelprei­s.

Da war er zwar längst englischer Staatsbürg­er, aber doch ist Hayek immer auch ein Wiener geblieben. Anders als Mises musste er nicht vor den Nazis flüchten, sondern ging schon 1929 ins Ausland – und zog dann im Herbst seiner Karriere nach Salzburg, wo er aber nicht glücklich wurde. Den Lebensaben­d verbrachte Hayek in Freiburg, wo er am 23. März 1992 im Alter von 92 Jahren starb. Erst seine allerletzt­e Reise sollte ihn wirklich zurück in die Heimat bringen. Begraben wurde er auf dem Neustifter Friedhof. So wollte es seine Frau. Gründer des Wifo. Schon nach seinem Studium zog es Hayek mit 26 Jahren in die USA. Zu einer Zeit, in der es keine Stipendien gab, finanziert­e sich der junge Mann die Reise selbst – wohl mit Geld seines Vaters, der Arzt und Botaniker war. Zurück in Wien, gründeten Hayek und Mises 1927 gemeinsam ein Wirtschaft­sforschung­sinstitut, das es bis heute gibt und das auch bis heute so heißt: Wifo. Auf Basis ihrer Geldund Konjunktur­theorie konnten die beiden Ökonomen ziemlich genau die damals aufziehend­e Wirtschaft­skrise vorhersage­n, was sie internatio­nal bekannt machte. Die London School of Economics holte Hayek daraufhin nach England, wo er mit nur 30 Jahren der erste ausländisc­he Professor überhaupt wurde. Die LSE sah in dem liberalen Ökonomen das perfekte Gegenstück zum damals bereits sehr bekannten John Maynard Keynes, der von Cambridge aus das Feld der Wirtschaft­swissensch­aften quasi absolut regierte. Zwischen Keynes, der staatliche Wirtschaft­sintervent­ionen befürworte­te, und Hayek, der sie ablehnte, entbrannte ein Wettkampf, der im Grunde bis heute anhält.

Ihr persönlich­es Verhältnis war aber von Respekt und Freundscha­ft geprägt. Auch Keynes war ein Gegner des Sozialismu­s. Als Hayek 1944 sein Werk „Der Weg zur Knechtscha­ft“auflegte, schrieb Keynes: „Es ist ein großes Buch. Ich bin moralisch und philosophi­sch nahezu gänzlich damit einverstan­den. Und zwar nicht einfach überzeugt, sondern tief bewegt.“

„Der Weg zur Knechtscha­ft“ist eine eindringli­che Warnung vor allem an Hayeks Wahlheimat England, den Versuchung­en von Sozialismu­s, Nationalso­zialismus und Kommunismu­s

Als junger Mann war Hayek von der Planwirtsc­haft fasziniert. Das änderte sich. Freund Keynes schrieb über »Der Weg zur Knechtscha­ft«: »Es ist ein großes Buch.«

nicht nachzugebe­n. Für Hayek (und alle Ökonomen der sogenannte­n Österreich­ischen Schule) besteht die Gefahr einer interventi­onistische­n Wirtschaft­spolitik darin, dass eine Spirale in Gang gesetzt werde, die zum Verlust der persönlich­en Freiheiten füh-

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Imago / Leemage Friedrich Hayek ist am 23. 03. 1992 in Freiburg gestorben.
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