»Hayek wäre für ¤en Brexit gewesen«
Hayek stehe für eine Vernunft der Mitte, er werde zu Unrecht als Rechter bezeichnet, sagt Barbara Kolm, Leiterin des Hayek-Instituts.
Wie liberal ist die Wirtschaftspolitik des Donald Trump? Barbara Kolm: Protektionismus ist abzulehnen. Aber wenn es Trump gelingt, Anreize zu schaffen, dass Unternehmen wieder investieren, indem er Steuern senkt, dann werden die USA an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Mit Marktliberalismus, wie ihn Hayek verstanden hat, hat diese Politik eher wenig zu tun, oder? Es gibt sehr wohl marktliberale Kräfte in der Administration Trump. Energieminister Rick Perry nennt Hayeks „Weg zur Knechtschaft“als eines seiner Lieblingsbücher. Ich denke, dass die Berichterstattung über Trump in Europa sich auf die Skurrilitäten konzentriert. Selbst die Trump-kritischen US-Medien sind nicht so tendenziös. Sie finden in den europäischen Medien also „Alternative Facts“, eine selektive Wahrnehmung, vor? Die Berichterstattung hat Schlagseite. Trump steht für eine neue Politikergeneration. Für Politiker, die unbequeme Wahrheiten aussprechen. Trump hat eine Mission. Europäische Politiker wie Schulz, Juncker und Co. vermitteln längst nicht mehr, dass sie etwas bewegen wollen. Das sind Technokraten, die schlimmer als die Bürokraten vor ihnen sind. Bürokraten, Technokraten, . . . Und dann? Dann kommen hoffentlich wieder Menschen. Menschen, zum Anfassen, die für etwas stehen. Und „Politiker zum Anfassen“werden vom Establishment als Populisten bezeichnet. Würden Sie das unterschreiben? Ja, das ist so. Wenn jemand ein Anliegen hat, sollte man mit ihm fair diskutieren, sollte man ihn ernst nehmen. Sie würden also auch mit dem türkischen Präsidenten, Erdo˘gan, fair diskutieren? Mit Erdogan˘ hat man lang genug diskutiert. Europa ist hier faule Kompromisse eingegangen. Es ist Zeit zu sagen: „Jetzt reicht’s!“ Was sollten wir noch „fair diskutieren“? Europa braucht mehr Wettbewerb. Immer, wenn die Staaten im Wettbewerb standen und die politischen Einheiten kleiner waren als die wirtschaftlichen, war Europa erfolgreich. Unzufriedenheit findet man nicht nur in den Krisenländern, es gibt sie auch bei uns. Welchen Mangel haben wir zu beklagen? Den Mangel an Perspektiven. Wir sind in wenigen Jahren in allen Rankings zurückgefallen. Wir verlieren an Wohlstand, weil wir mehr Staat, mehr Regulierung, mehr schlechte Gesetze zulassen. Wir messen uns nicht mehr an den Besten, wir wursteln uns durch. Die Wut der Briten führte zum Brexit. Und ich behaupte jetzt provokant: Hayek wäre für den Brexit gewesen. Wirklich? Der Wirtschaftsflüchtling aus Österreich, der in London eine neue Heimat gefunden hat? Ja, er wäre für ein föderales Europa gewesen. Wichtige Entscheidungen sollen und müssen auf nationaler Ebene getroffen werden. Und die aktuelle Entwicklung gibt Hayek recht. Inwiefern? Hayek hat erklärt, warum eine zentral gesteuerte Planwirtschaft nicht funktioniert. Der Staat kann nicht wissen, was für den Einzelnen gut ist. Ein aufgeblähter Apparat führt in den Totalitarismus. Gerade wir in Europa sollten den „Weg zur Knechtschaft“wieder genau studieren. Denn die Tendenzen sind eindeutig: Wir delegieren immer mehr an den Staat, an die EU. Wir steuern in Richtung Planwirtschaft.
Barbara Kolm
leitet das HayekInstitut in Wien. Die Wirtschaftswissenschaftlerin ist Direktorin des Austrian Economics Center.
Im Vorjahr
wurde Kolm von der FPÖ als Präsidentin des Rechnungshofes nominiert. Kolm war einst für die FPÖ im Innsbrucker Gemeinderat. Die Menschen wollen Sicherheit, und diese erhoffen sie sich vom Staat. Es ist eine trügerische Sicherheit. Wir Bürger vergessen gern, dass wir für die staatlichen Leistungen bezahlt haben – in Form von Steuern und Abgaben oder vom Verlust von Freiheit. Staatsaufgaben müssen hinterfragt und auf Sinnhaftigkeit geprüft werden. Lautet die überwiegende Meinung nicht, die Krise sei das Produkt zu geringer staatlicher Kontrolle? Sind Sie für einen „hemmungslosen Finanzkapitalismus“? Kontrolle ist sinnlos, wenn jene, die die Regeln aufstellen, sich selbst nicht daran halten, unabhängig von der Wirtschaftsform: Europäische Staaten haben sich hemmungslos, auf Kosten der nächsten Generationen, verschuldet, die Maastricht-Kriterien ignoriert. Wenn ein sozialer Staat mit hohen Steuern in die Knechtschaft führt, warum geht es den Menschen in Schweden so gut? Schweden ist auch deshalb erfolgreich, weil es viele marktwirtschaftliche Aspekte berücksichtigt hat und weil ein hohes Maß an Eigenverantwortung eingefordert wird. In Schweden herrscht unter staatlichen Schulen Wettbewerb. Es geht darum, dass das Individuum entscheidet und nicht der Staat. Hayek stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Er plädiert für die Vernunft der Mitte, er wird von vielen zu Unrecht als Rechter gesehen. Kann man ihn als lupenreinen Demokraten bezeichnen? Hayek war nicht unbedingt ein sehr großer Freund der Demokratie. Er hielt es mit Churchill: „Demokratie ist die schlechteste Regierungsform, abgesehen von allen anderen.“ Aber er hat auch gesagt, dass ihm ein liberaler Diktator lieber als ein Demokrat sei, der gegen den Liberalismus sei. Damit hat er Augusto Pinochet gemeint. Ich vermute, dass er das unter dem Eindruck der Wirtschaftsreformen in Chile gesagt hat. Er hat dabei leider übersehen, dass diese Reformen mit Blut geschrieben wurden. Hayek ging es immer um Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit. Heute treten wir die Rechtsstaatlichkeit mit Füßen. Wir führen Marktwirtschaft durch staatliche Eingriffe, durch Überregulierung ad absurdum. Hayek dachte an nächste Generationen, propagierte nachhaltiges Wirtschaften. In diesem Sinn war er quasi ein Grüner. Ein lupenreiner Grüner vermutlich, der es allerdings schrecklich findet, wenn der Staat – etwa in der Bildung – nach Chancengleichheit trachtet. Wir sind eben nicht gleich, wir haben unterschiedliche Talente. Natürlich muss die Gesellschaft jenen helfen, die sich nicht selbst helfen können. Aber die Gesellschaft ist nicht der Staat. In der Flüchtlingskrise hat sich das gezeigt: Es gab am Anfang große private Initiativen. Das hätte Hayek gefallen. Leider hat der Staat die Aufgaben übernommen, zentralisiert, bürokratisiert. Das ist weder für die Betroffenen noch für die alte Bevölkerung befriedigend. Ist das menschlich? Hayek wäre also als Wirtschaftsflüchtling heute nicht willkommen? Hayek vermisste Anfang der 1930erJahre in dem kleinen Österreich, das nach dem Zerfall des Kaiserreichs übrig geblieben war, die intellektuelle Vielfalt. Diese fand er in London. Und er fand auch bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen vor. Absolut, er ging aus wirtschaftlichen Überlegungen nach England. Sein Englisch war sehr holprig. Aber er hat sich sehr rasch integriert.