Die Bewährungsprobe
Marcel Koller ist von der WM-Qualifikation für Russland 2018 weiterhin überzeugt, ein Sieg gegen Moldau ist fest eingeplant. Gegen Kritik wehrt sich der Teamchef entschieden.
Frankreich, wir kommen.“Die Worte aus Marcel Kollers Mund klingen auch eineinhalb Jahre später immer noch nach, sie sind eine schöne Erinnerung. Österreichs Fußballteam hatte sich im Herbst 2015 erstmals aus eigener Kraft für eine Europameisterschaft qualifiziert, Koller stand als Teamchef und Architekt des Erfolgs im Rampenlicht. In der Gegenwart aber zeigt sich ein anderes Bild, Koller ist nicht mehr unumstritten. Der sportlichen EM-Enttäuschung in Frankreich mit dem Aus nach der Gruppenphase folgten weitere unglückliche Resultate, mit dem wichtigen WM-Qualifikationsspiel gegen Moldau am Freitag in Wien ist man beim ÖFB um die entscheidende Kurskorrektur bemüht.
Koller sah sich in den vergangenen Monaten mitunter harscher Kritik ausgesetzt, die er sehr wohl wahrgenommen und über die er sich „teilweise auch geärgert“habe, hält der 56-Jährige im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“fest. Manchmal, so Koller, mangle es allerdings den Vorwürfen an Tiefe, ihnen fehle die nötige Substanz, „weil Medien nicht den nötigen Hintergrund haben. Ihr beschäftigt euch ja auch nicht 24 Stunden am Tag mit Fußball.“Der Zürcher sagt, weder nachtragend noch zimperlich zu sein. „Es muss nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen sein und alles schöngeschrieben werden.“ Die Akte Alaba. Hat Koller einen „Kloß im Bauch“, wie er es formuliert, dann helfen in der Regel Dialoge. „Ich versuche, Probleme zu lösen, indem ich darüber spreche. Das halte ich als Teamchef genauso wie als Privatmensch so.“Seit vergangenem Sommer haben sich aber so einige Klöße angesammelt. Manche, diesen Eindruck hat man, sind besonders hartnäckig. Seit dem Rücktritt von Kapitän Christian Fuchs nach der Euro ist die Position des Linksverteidigers vakant, sowohl Markus Suttner als auch der gelernte Innenverteidiger Kevin Wimmer füllten diese Lücke nicht. Kapitän Fuchs nachzutrauern hat allerdings keinen Sinn. Koller hat auch zu keinem Zeitpunkt versucht, den England-Legionär zum Rücktritt vom Rücktritt zu überreden, denn: „So eine Entscheidung ist kein Schnellschuss.“Der allgemeinen Aufforderung, David Alaba doch vom Mittelfeld in die Abwehrkette zurückzubeordern, hat der ÖFB-Teamchef bislang kein Gehör geschenkt. „Es geht nicht darum, was die Öffentlichkeit meint. Die Frage ist: Wie können wir erfolgreich sein? Welche Möglichkeiten haben wir mit den uns zur Verfügung stehenden Spielern?“
Alaba wie bei seinem Klub, Bayern München, auf der linken Abwehrseite einzusetzen war für den Schweizer fünfeinhalb Jahre lang kein Thema. Doch nun, in der WM-Qualifikation mit dem Rücken zur Wand stehend, könnte sich doch so manches ändern. Auf die Frage, ob Koller den 24-Jährigen in seiner bevorzugten Variante nach wie vor im Mittelfeld sieht, antwortet der Teamchef: „Das werden wir sehen, ich kann es jetzt noch nicht sagen.“Alaba jedenfalls befinde sich wieder auf dem richtigen Weg, „er schießt Tore, spielt super Bälle, ist laufstark“. Das nationale Geläster über den Linksfuß hält er ohnehin für vollkommen überzogen. „Du kannst nicht ein halbes Jahr oder Jahr ein Tief haben, sonst würdest du bei einem Klub wie Bayern nicht mehr spielen. Aber David spielt.“ Richtungsweisend. Nach einem enttäuschenden Herbst mit nur vier Punkten aus vier Spielen steht Österreichs Nationalteam nun vor den richtungsweisenden Wochen und Monaten. Um doch noch die Qualifikation für Russland 2018 zu meistern, helfen praktisch nur noch Siege. Das anstehende Heimspiel am Freitag im Wiener Ernst-Happel-Stadion gegen Moldau (20.45 Uhr, live in ORF eins) hätte bei negativem Ausgang vorentscheidenden Charakter – womöglich auch für den Teamchef selbst. „Aber diesen Gedanken gibt es nicht“, wirft Koller ein und klopft dabei demonstrativ mit der Hand auf den Tisch. „Jetzt geht es darum, alles dafür zu tun, um dieses
Marcel Koller
wurde am 11. November 1960 in Zürich geboren. Als Aktiver spielte er ausschließlich für Grasshopper Zürich, im Trikot der Schweizer Nationalmannschaft lief er 55 Mal auf. Bevor er im November 2011 zum Teamchef des österreichischen Nationalteams bestellt wurde, war Koller für FC Wil, St. Gallen, Grasshopper Zürich, 1. FC Köln und Bochum tätig. Kollers Vertrag beim ÖFB läuft bis 2017, im Fall der erfolgreichen Qualifikation bis zur WM 2018. Heimspiel zu gewinnen, Eventualitäten interessieren mich nicht.“ Die Zyklen des Spiels. Koller, wie könnte es anders sein, glaubt weiterhin noch an sich und seine Mannschaft. „Ich verspüre Energie und Freude. Wir haben alle zusammen die Chance, dass es wieder anders läuft.“Fußballspiele werden nicht selten von Kleinigkeiten entschieden, Erfolgsläufe entstehen oder werden eben im Keim erstickt. Solche Zyklen sind fester Bestandteil des Spiels, Koller sagt: „Ich bin mittlerweile 40 Jahre im Fußballgeschäft tätig, kenne dieses Auf und Ab. Wer damit nicht umgehen kann, hat im Fußball nichts verloren.“
Stellt man die Qualifikationen für die EM 2016 und jene für die WM 2018 gegenüber, dienen sie als Paradebeispiel. Warum Österreich auf dem Weg nach Frankreich neun von zehn Spielen gewonnen hat und nun die nahezu gleiche Mannschaft kaum wiederzuerkennen ist, entzieht sich in vielerlei Hinsicht jeder Logik. „Wir hätten jedes unserer vier Qualispiele im Herbst gewinnen können, das wäre möglich gewesen. Gewonnen haben wir aber nur eines“, sagt Koller, der sich der Bedeutung der Partie gegen Moldau bewusst ist, aber vorab keine besondere Drucksituation erkennen will. „Wir sind doch ständig unter Druck, weil wir immer liefern müssen.“Gegenwärtig allerdings mehr denn je.