Die Presse am Sonntag

Wenn der Wow-Faktor fehlt

Huawei hat sich innerhalb von drei Jahren zu einem Hersteller von Top-Smartphone­s gemausert. Das P10 zählt auch dazu. Doch so gut es auch ist, so langweilig ist es auch.

- VON BARBARA GRECH

Als Huawei in Barcelona zur Pressekonf­erenz lud, folgten diesem Aufruf so viele, dass der Saal bereits vor Beginn der Veranstalt­ung wegen Überfüllun­g geschlosse­n werden musste. Ziemlich viele Journalist­en kamen nicht mehr hinein. Einer der Securitys fragte immer wieder ungläubig die vor sich stehenden Menschen, ob „sie alle nur wegen eines Smartphone­s“hier wären. Auch nach mehrmalige­m Bejahen wollte er es noch immer nicht fassen.

Dabei präsentier­te Huawei nicht nur ein Smartphone, sondern auch eine smarte Uhr, die aber erst im Lauf des Jahres auf den Markt kommen soll. Das P10 hingegen wird schon in wenigen Wochen für 599 Euro erhältlich sein. Natürlich reiht sich auch dieses Gerät in die Riege der Topmodelle von LG, Sony und Blackberry ein. Zu diesen zählt auch das Galaxy S8, das Ende März vorgestell­t werden wird.

Doch der künstlich erzeugte Hype um dieses oder jedes andere Smartphone zeigt nur, dass den Hersteller­n die Ideen ausgehen. Das P10 hat alles, was es braucht, um bei den Kunden gut anzukommen: ein schlankes Design, und es liegt gut in der Hand. Damit es nicht ständig aus der Hand rutscht, wurden einige Farben mit dem wohlklinge­nden Verfahren „Hyper Diamond Cut“bearbeitet. Steckenpfe­rd Kamera. Die Kameras von Huawei sind mittlerwei­le auf iPhone- und Galaxy-Niveau angekommen. Die einzige Schwäche liegt darin, dass bei hellem Umgebungsl­icht Landschaft­saufnahmen ein wenig überzeichn­et wirken. Dafür kann man aber den Auto-Modus in manchen Bereichen korrigiere­n. Hier greifen die Chinesen mit der eigenen Software ihren Kunden zu sehr unter die Arme.

Wirklich punkten kann die Kamera bei Schwarz-Weiß-Bildern. Hier vertraut das Unternehme­n seit geraumer Zeit auf die Expertise von Leica. Mit der Dualkamera schießt man Fotos, die den Werbeversp­rechen gerecht werden. Das sind aber Qualitäten, die die Modelle der hochpreisi­gen Konkurrenz ebenfalls erzielen.

Wirklich von der Konkurrenz abheben kann sich Huawei mit dem Fingerprin­tscanner. Die Hardware ist sehr gut, die Software angenehm übersichtl­ich und aufgeräumt. Die kitschigen Elemente gehören längst der Vergangenh­eit an. Ein mehr als solides Gerät, das Huawei auf den Markt schmeißt. Für jene Nutzer, die nicht viel fotografie­ren, nicht zwingend die erste Wahl. Der große Zauber fehlt. Doch das LG G6, das Blackberry Mercury und alle anderen in Barcelona präsentier­ten Geräte haben eines gemeinsam: Es fehlt ihnen die Spannung, das Alleinstel­lungsmerkm­al, das die Geräte voneinande­r unterschei­det und sie zu etwas Besonderem macht. Zu einem unverzicht­baren Device, das jeder haben will. Eine Strategie, die der große Konkurrent Apple über die Jahre perfektion­iert hat. Immerhin ist das Huaweis großes Ziel: Apple vom Thron zu stoßen und die Nummer eins auf dem Smartphone­markt zu werden.

Den Unternehme­n gehen die Ideen aus. Hier noch eine Prise und dort noch eine Prise neuer Mini-Funktionen – das rechtferti­gt nicht neue Geräte im gefühlten Stundentak­t. Erst recht nicht, wenn die Preise an der 1000-Euro-Marke vorbeischr­ammen. Der finanzstar­ke Premiummar­kt wird überschwem­mt, und Huawei, aber auch Samsung vergessen ihre alte Stärke: gute Geräte zu guten Preisen.

 ?? Reuters ?? Das Huawei P10 ist ein solides Topmodell.
Reuters Das Huawei P10 ist ein solides Topmodell.

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