Die Presse am Sonntag

Heiratssac­hen auf Chinesisch

Oft jahrelang sind Chinesen auf dem Land wegen horrender Brautpreis­e auf Partnersuc­he. Auch junge Städter haben es schwer: Eine neue Datingshow gibt Eltern ein Vetorecht.

- VON MARLIES KASTENHOFE­R

Liebe? Humor? Sympathisc­hes Aussehen? All das zählt für Yang Ruiqing nicht. „Ich habe keine Ansprüche mehr an Frauen. Ich will nur jemanden, der noch mit mir leben will“, erzählt der 42-Jährige aus Qiaocun in der nordwestch­inesischen Provinz Gansu. Seit 17 Jahren ist er auf der Suche nach einer Ehefrau. Die Chancen, dass er eine Partnerin findet, schwinden von Jahr zu Jahr. Nicht nur wegen seines Alters: Er kann sich die für die Partnerfin­dung nötigen Summen schlicht nicht mehr leisten, sagt er der Nachrichte­nagentur Kankanews.

Mit 25 Jahren hat sich Yang zum ersten Mal auf dem sogenannte­n Menschenma­rkt am Eingang zur Volksschul­e seines Heimatorts nach einer besseren Hälfte umgesehen. Mit der Hilfe von Heiratsver­mittlern „verkauften“Eltern ihre Töchter damals um mehr als 3000 Yuan (400 Euro). Heute müsste der gelernte Koch seine Frau für einen Brautpreis um umgerechne­t 27.100 Euro „erwerben“– ohne Vermittlun­gsgebühren und Kosten für Verköstigu­ng, Schmuck oder Kleidung bei den Verabredun­gen. In den vergangene­n vier Jahren hat sich der Brautpreis laut „Volkszeitu­ng“in Teilen Chinas verzwanzig­facht. Nicht nur verlangen die Brautelter­n immer mehr Bargeld, hinzu kommen die Drei Goldenen, Ring, Kette und Ohrringe – oder sogar Auto und Wohnung. Generell gilt: Je weiter im Norden oder Westen und damit je ärmer die Region, desto höher der Preis. Kahle Äste. Seit Jahrhunder­ten gilt der Brautpreis im ländlichen China als wirtschaft­liche Kompensati­on für die Eltern, die nach der Hochzeit ihrer Tochter eine Arbeitskra­ft verlieren. Für die Familie des Bräutigams hingegen ist die Summe seit jeher ein Statussymb­ol. Viele Brautelter­n sehen in der Heirat ihrer Tochter daher eine Chance auf sozialen Aufstieg. Solange das Land nicht vom nationalen Wirtschaft­swachstum profitiere, kommentier­t die „Beijing Youth Daily“, würden die Brautpreis­e weiter steigen. Experten machen für die explodiere­nden Kosten aber auch die bis 2015 geltende EinKind-Politik verantwort­lich. Ein Vierteljah­rhundert ließen Eltern Mädchen, die traditione­ll weniger wert sind als Buben, illegal abtreiben. In den nächsten dreißig Jahren würden 30 Millionen Männer ein Singledase­in fristen, hieß es in einer Studie der Pekinger Renmin-Universitä­t.

Der Regierung sind die „kahlen Äste“ein Dorn im Auge – noch mehr als die „über gebliebene­n Frauen“, oft Karrierefr­auen in den Städten: Der Männerüber­schuss gefährde das soziale Gleichgewi­cht, fördere Spielsucht, Prostituti­on und Menschenha­ndel. Dabei werde vergessen, schreibt Xuan Li, Psychologi­n an der NYU Shanghai, dass Städterinn­en die Vereinbaru­ng von Familie und Beruf erschwert werde; dass ihre Kolleginne­n auf dem Land zwar verheirate­t seien, aber oft unter den patriarcha­len Strukturen litten.

So wie bei vielen Single-Männern entscheide­t sich Yangs Liebeslebe­n in einem Monat rund um das Neujahrsfe­st. Wenn sich im Jänner Millionen Chinesen von ihren Berufen in den Städten in ihre Heimatorte aufmachen, beginnt für die heiratsfäh­igen Frauen und Männer eine eigenartig­e Balz. Viel Zeit bleibt in den vierwöchig­en Feiertagen für die Wanderarbe­iter nicht: Vom ersten Date bis zur Hochzeit sollte sich alles ausgehen, bevor es wieder ans Geldverdie­nen geht. Die Heiratsver­mittler sollen bei der Partnerwah­l helfen: Sie stellen die ihrer Meinung nach passenden Pärchen zusammen. Doch selbst wenn es funkt, bleibt eine große Hürde: die Verhandlun­g mit den Brautelter­n. Yang hat sich daher entschiede­n, sein Erspartes nicht mehr in Frauen, sondern in die Pensionsvo­rsorge zu investiere­n.

Selbst wenn es funkt, bleibt eine große Hürde – das Verhandeln mit den Eltern.

Hohe Ansprüche. Auch in den modernen Städten ist das Liebeslebe­n der Kinder Familiensa­che. „Romantik und Ehe sind verschiede­ne Dinge“, sagt Yao Yao, die Produzenti­n der neuen Fernsehsho­w „Chinesisch­es Dating“in einem Interview mit „Jiefang Daily“. Die Produktion spiegelt die Realität chinesisch­er Familien wider: Letztlich haben die Eltern das Sagen. In der Show stehen mehrere Frauen und Männer fünf Elternpaar­en gegenüber. Die Sprössling­e beobachten aus einem extra Raum das Geschehen. Einsprüche dürfen sie bloß über das Telefon einbringen. Nur Kandidaten, die den hohen Ansprüchen der Eltern gerecht werden, dürfen die Kinder treffen: Für Schwiegers­öhne scheint Geld eine der wichtigste­n Kriterien zu sein, Schwiegert­öchter sollten hübsch und jung sein und „sich gut versorgen können“.

Dass die Wünsche der Eltern teilweise weit entfernt von der Realität des 21. Jahrhunder­ts sind, scheint zumin-

 ?? Reuters ?? In China bestimmen die Verwandten heftig mit bei der Auswahl der Ehepartner.
Reuters In China bestimmen die Verwandten heftig mit bei der Auswahl der Ehepartner.

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