Die Presse am Sonntag

Wie die Mode eine Lady machte

In ihren Kleidungss­tücken spiegelt sich die Wandlung von Lady Diana von der Biederkeit vom Land zur Königin der Herzen. Eine Ausstellun­g in London wird derzeit geradezu gestürmt.

- VON GABRIEL RATH

In London kann man derzeit Originale von Michelange­lo und Kandinsky in Sonderauss­tellungen sehen. Nicht, dass sie kein Interesse fänden – doch gestürmt wird etwas anderes: die Schau „Diana: Her Fashion Story“im Kensington Palace westlich von Stadtzentr­um und Buckingham Palace, die anhand von 25 Kleidungss­tücken Dianas Werdegang nachzeichn­et.

„Der Andrang übertrifft unsere Erwartunge­n“, sagt Gina Chahal vom Veranstalt­er zur „Presse am Sonntag“, „und wir sind auf Wochen ausverkauf­t.“Daher soll die Ausstellun­g nun ein ganzes Jahr geöffnet bleiben. In ihr spiegelt sich, dass noch 20 Jahre nach dem Tod von Lady Diana, der einstigen Princess of Wales, mit 36 Jahren die Briten und die Welt von ihr fasziniert sind. „Sie ist auf eine Ebene gelangt mit Audrey Hepburn oder Jackie Kennedy“, sagt Ausstellun­gskuratori­n Eleri Lynn: „Eine Modeikone, deren Stil nachgeahmt und geliebt wird.“

Die Schau macht auch bewusst, dass von Dianas ersten Auftritten als Verlobte von Prinz Charles am 24. Februar 1981 bis zu ihrem Unfalltod in der Nacht des 31. August 1997 in Paris nur 16 Jahre vergangen sind. In dieser kurzen Zeit wurde sie unsterblic­h. Ein wichtiges Element war dabei die Rolle, die sie spielte. Die Ausstellun­g dokumentie­rt, welch weiten Weg Diana dabei zurücklegt­e. Das erste Stück ist ein Ballkleid von 1979, das in seiner Biederkeit und Unattrakti­vität so fehl am Platz wirkt, wie sich die 19-jährige Diana Spencer gefühlt haben muss, als das Auge des Thronfolge­rs auf sie fiel. Die Biedere vom Land. Obwohl sie aus einer der ältesten Familien des Landes kam (die in der Grafschaft Northampto­nshire verwurzelt­en Spencers können ihren Stammbaum bis 1469 verfolgen), war die junge Diana sicher nicht glamourös. In diesen Kreisen ist man ländlich geprägt, denkt in Äonen, steht über Profanem wie Mode. „Manche sagen, sie hatte damals nur drei Kleidungss­tücke: das Ballkleid von 1979, ein gutes Kleid und ein anständige­s Paar Schuhe“, sagt Lynn. Den Rest borgte sich die damalige Kindergart­enassisten­tin in London von ihren Mitbewohne­rinnen.

Der erste Besuch bei einem Hofschneid­er ging schief: „Unsere Verkaufsle­iterin war alles andere beeindruck­t, als der nervöse Teenager auftauchte und an unseren Kleidern herumzufin­gern begann“, erinnert sich David Sassoon, der einer von Dianas Lieblingsd­esignern und Vertrauten wurde. „Sie empfahl dem jungen Ding sehr bestimmt, sich bei Harrods umzusehen.“Tatsächlic­h von der (noblen) Stange kam das blaue Verlobungs­kostüm, aber in Erinnerung blieb die rosa Bluse, mit der sie am selben Tag auf dem Cover der „Vogue“zu sehen war. Die legendäre erste offizielle Aufnahme des jüngst verstorben­en Lord Snowdon ist ebenfalls in der Schau zu sehen, ebenso berühmte Fotos von Mario Testino. Diana blickt darauf so schüchtern, dass die Medien sie „Shy Di“nannten. Die längste Schärpe der Welt. Dabei verzaubert­e sie bereits die Massen: Die rosa Bluse nach ihrem Vorbild wurde millionenf­ach verkauft. Das Original war vom Designerpa­ar David und Elizabeth Emanuel, die von Diana auch den Auftrag für ihr Hochzeitsk­leid erhielten. Es wurde eines der berühmtest­en Kleidungss­tücke aller Zeiten, mit der längsten Schärpe der Welt und 10.000 Perlen bestickt. Diana sah darin so verloren aus, als ahnte sie schon, was ihr bevorstand.

Die Ausstellun­g führt den Besucher zu einem braunen Tweed-Kostüm, das sie bei der Hochzeitsr­eise am schottisch­en Königssitz Balmoral trug. Alle Lebensfreu­de war da bald getilgt, rasch wurde der 20-Jährigen klar, dass die Ehe mit dem 13 Jahre älteren Prinz Charles kein Märchen sein würde: „Seine Idee von Unterhaltu­ng waren endlose Spaziergän­ge im Hochland, an deren Ende wir auf einer Bergspitze saßen und er mir aus [Carl Gustav] Jung vorlas“, berichtete Diana Jahre später.

Wie sie damit kämpfte, wie sie rebelliert­e, litt, aber auch, wie sie sich behauptete – für alles finden sich in der Ausstellun­g Beispiele. „Jedes Kleidungss­tück ist eine kleine Biografie von ihr“, sagt Kuratorin Lynn. Das berühmte „Travolta-Kleid“, das sie bei einem Besuch in Washington Ende 1985 trug und in dem sie mit John Travolta bei einem wilden Tanz fotografie­rt wurde, ist ebenso zu sehen wie das perlenverz­ierte „Elvis Dress“von 1989 oder die Hommage an Grace Kelly von 1987.

Aus Shy Di war „Dynasty Di“geworden. Längst war sie die meistfotog­rafierte Frau geworden, wusste durch ihr Aussehen und Auftreten zu kommunizie­ren. Di vertraute sich Meistern

Da kam ein nervöser Teenager und fing an, an den teuren Kleidern herumzufin­gern. »Lady Diana erlaubte es den Kleidern nie,

zu tragen.«

wie Viktor Edelstein und Catherine Walker an, ihr Vertrauen ging über die Mode hinaus. „Sie saß stundenlan­g bei uns im Studio“, erinnert sich Edelstein, der auch das Travolta-Dress schuf. „Es war wie eine Zuflucht für sie.“

Was nicht sagbar war, wusste Diana mit Kleidung auszudrück­en. Sie trug als erste Royal in offizielle­r Funktion Hosen, lehnte die obligatori­schen Handschuhe ab, setzte auf Farben, trug fast nie Hüte: „Man kann keine Kinder umarmen mit Hut auf dem Kopf“, sagte sie. Ihre Kleider hatten extra lange Schnitte, damit sie kamerawirk­sam niederknie­n konnte, um Kinder zu streicheln oder Aids-Kranken Zuspruch zu gewähren. Das Rachekleid. Die Macht der Mode wusste sie einzusetze­n, als die Ehe mit Charles öffentlich zerbrach. Am selben Abend im Juni 1994, als dieser im TV über sein Verhältnis mit Camilla sprach, erschien Di auf einer Party der Zeitschrif­t „Vanity Fair“in einem so atemberaub­enden Outfit von Christiana Stambolian, dass sie ihm die Show stahl. Das (sehr) kleine Schwarze ging als „Rachekleid“in die Geschichte ein.

Nach dem Auszug aus dem Königshaus wurde aus der Prinzessin eine Lady. Sie widmete sich Wohltätigk­eitsorgani­sationen, versteiger­te GlamourStü­cke für gute Zwecke, trug „BusinessOu­tfit“. Wieder war der Schein die Wirklichke­it. Der Journalist Taki Theodoraco­pulos sagte: „Diana erlaubte es den Kleidern nie, sie zu tragen.“

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