Das Ende auf der Straße. Eine schaurige Geschichte
Edgar Allan Poe starb früh und tragisch. Wie das (vielleicht) geschah, könnte in einer der fantastischen Erzählungen stehen, die dieser Autor des Schreckens und der Finsternis verfasst hat. Ein kurzer Abriss seiner letzten Tage. Den Todestag kennt die Literaturwissenschaft exakt: Am 7. 10. 1849 starb Edgar Allan Poe im Washington Medical College in Baltimore. Zur Todesursache gibt es Interpretationsspielraum: Alkoholvergiftung, Herzschlag, Syphilis, Hirnhautentzündung, Cholera, Tuberkulose, Tollwut, eine Überdosis an Drogen, Selbstmord . . . Die Dokumente des Krankenhauses über den toten Dichter sind nicht erhalten, nur widersprüchliche Erinnerungen des behandelnden Arztes John J. Moran und divergente Augenzeugenberichte.
Die Behauptungen, woran Poe starb, sind deshalb mit Vorsicht zu behandeln, weil ihm ein Kritiker von Anfang an übel mitspielte: Rufus W. Griswold, der ihn hasste, verfasste unter Pseudonym einen gehässigen Nachruf in der „New York Tribune“, der überall in den USA kursierte. 1850 veröffentlichte er eine Biografie, in der Poe ein heruntergekommener, drogensüchtiger Irrer ist. Die Briefe, mit denen Griswold das belegte, waren gefälscht.
Vielleicht sind die Spekulationen der Krankheit zum Tode aber gar nicht so wesentlich, vielleicht geht es mehr um folgende Frage: Wie viel kann ein Mensch vertragen? Der französische Dichter Charles Baudelaire, der Poe als seinen Geistesbruder verehrte, schrieb, dass dieser „andauernd mit abscheulichen Widrigkeiten zu kämpfen hatte“. Ein Auf und Ab auch zum Ende hin. Private Katastrophen, Wechselbäder von Ruhm und Anfeindung in der Literatur.
Der Mann war am Ende. Wie eine seiner unheimlichen Geschichten hört sich folgendes hartnäckige Gerücht an, das nach seinem Ableben kursierte: Als sich Poe Anfang Oktober in Baltimore aufhielt, gab es Wahlen. Damals war es weit verbreitet, dass Helfer von Politikern Menschen auf der Straße aufgriffen und zum Trinken ermunterten, damit die schwer Alkoholisierten ihr Kreuz beim „richtigen“Kandidaten machten. Der Dichter wurde am Tag danach laut einem Mr. Walker verwirrt in der Gosse aufgefunden. Poe hatte fremde Kleidung an, delirierte, war dem Tode nahe. Er hätte dazu wohl geschrieben: „And now was acknowledged the presence of the Red Death. He had come like a thief in the night.“ Bruder wirft; wenn der Rabe im berühmten gleichnamigen Gedicht immer nur „Nimmermehr“antwortet; wenn in „Der schwarze Kater“das erhängte Tier als Relief an der Wand wiederauftaucht; oder wenn in „Ligeia“die geliebte Tote grausig im toten Körper der zweiten Ehefrau wiederaufersteht – dann ist das weit entfernt von wohliger Schauerromantik.
Das Schaurige komme aus der Seele, nicht aus Deutschland, schrieb Poe, um klarzumachen, dass er kein Epigone der damals blühenden deutschen Schauerromantik war. Aber E. T. A. Hoffmann (dessen Fantasiereisen ebenfalls durch Alkohol befördert waren), schätzte er sehr. „Der Untergang des Hauses Usher“verrät, dass er dessen Geschichte „Majorat“aus den „Nachtstücken“gelesen hat, sogar die Hauptfiguren heißen fast gleich: Roderick bzw. Roderich. So führt eine Linie von der deutschen Romantik und Poe zum Horrorfilm – und weiter in die Popmusik: In den 1960er-Jahren spielte Vincent Price die Hauptrolle im erfolgreichen Film „House of Usher“, und in mehreren weiteren Filmen nach Werken von Poe. Prices charakteristische Stimme kennt man auch vom Monolog im Titellied auf Michael Jacksons Album „Thriller“: Wählte der Popsänger sie, weil er ein
Frauen sind wie bei Hitchcock angebetet und gefürchtet. Am meisten, wenn sie tot sind.
Verehrer von Edgar Allan Poe war? Jackson hatte sogar vor, ihn auf der Leinwand zu verkörpern, in einer FilmBiografie „The Nightmares of Edgar Allan Poe“. Sein Tod kam dazwischen.
Bei Poe sind die Menschen oft angezogen vom Bösen um seiner selbst willen. Das hat schon Dostojewski und Baudelaire fasziniert, später das Horrorgenre inspiriert. Dass der Ostküstenbewohner Poe zu einer Zeit, in der an-