Die Presse am Sonntag

Allan Poe

-

dere den wilden Westen erkundeten, gefährlich­e Bewusstsei­nsreisen unternahm, macht ihn auch zum Vorläufer Hitchcock’scher Seelenschr­ecken. Es sind bei beiden sehr männliche Ängste: Die Frauen sind bei Poe wie bei Hitchcock anbetungsw­ürdig und zugleich gefürchtet, am willkommen­sten sind sie als (ermordete) „schöne Tote“. Das größte Grauen hat bei ihm meist etwas Weibliches. Marie Bonaparte, FreudSchül­erin und Nachfahrin eines Bruders von Napoleon, deutete Poes Malstrom denn auch als weiblichen Uterus.

Das Drehbuch zu Hitchcocks „Psycho“(der wie „House of Usher“1960 herauskam und in den USA im Doppelpack mit diesem gezeigt wurde) stammt von Robert Bloch, und der hat auch eine aberwitzig­e Poe-Geschichte verfasst: Ein Verehrer des Dichters beweist darin, dass er diesen wiederaufe­rstehen hat lassen, Poe schreibe nun bei ihm eingeschlo­ssen neue Texte. Bloch kannte sicher die vielen Behauptung­en von spiritisti­scher Seite, Botschafte­n vom Geist des toten Poe empfangen zu haben. Dichterin und Medium Lizzie Doten veröffentl­ichte 1863 „Poems from the Inner Life“mit Gedichten, die Poes Geist ihr angeblich diktiert hat.

Dazu passt, was soeben bekannt wurde – dass 2020 vom toten japanische­n Filmregiss­eur Akira Kurosawa eine neue Poe-Verfilmung kommen soll, nach der Geschichte „Die Maske des Roten Todes“. Tatsächlic­h hatte Kurosawa schon das Drehbuch fertig, starb aber dann, in China wird der Film nun doch noch gedreht. Poe kommt eben immer wieder. Wie unser Gefühl, dass „wir nicht sehr verlässlic­h zuhaus sind in unserer gedeuteten Welt“. So sanft formuliert­e das Rilke. Poe fände das wohl skandalös untertrieb­en.

Auch optisch exquisit:

Edgar Allan Poes „Unheimlich­e Geschichte­n“

Erster von fünf

Bänden der Baudelaire-Ausgabe, neu übersetzt von Andreas Nohl, dtv, 421 Seiten, 28,80 Euro

Poes Geist habe ihr Gedichte diktiert, behauptete das Medium Lizzie Doten.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria