Die Presse am Sonntag

»Es geht nicht nur um Europa«

Kevin Bell ist Weltpr´si©ent ©er PR- un© Puãlic-AffŻirs-Agentur Burson-Marsteller. Er sprŻch mit uns üãer ©ie Ver´n©erung ©es Agenturges­ch´fts seit ©em Brexit un© ©ie HerŻusfor©erungen ©er DigitŻlisi­erung für seine Kun©en.

- VON ANNA-MARIA WALLNER

An den Morgen des 24. Juni 2016 kann sich Kevin Bell noch gut erinnern. Am Vortag hatten die Bürger Großbritan­niens für den Ausstieg aus der Europäisch­en Union gestimmt. „Damit hatte wirklich niemand gerechnet“, sagt Bell. Sein Telefon sei den ganzen Tag heiß gelaufen. „Manche Menschen waren euphorisch, andere fielen in eine Depression. Nur die eher realistisc­hen Geschäftsl­eute waren ziemlich pragmatisc­h. Es gab gar nicht wenige Banker, die gegen den Brexit gestimmt hatten, aber am Ende dieser Woche mehr die Chancen dieses Abstimmung­sausgangs gesehen haben. Das ist immerhin ihr Job.“Wenn man so will, seien der Brexit und seine Folgen ein perfektes Beispiel für angewandte­s Change Management. Und genau das ist eine der Kernkompet­enzen seines Unternehme­ns.

Seit Dezember 2016 ist Bell der Weltpräsid­ent der 1953 gegründete­n PR- und Public-Affairs-Agentur Burson-Marsteller, die an gut 70 Standorten in mehr als 100 Ländern der Welt Unternehme­n aus den verschiede­nsten Bereichen berät und Teil der Young & Rubicam Group ist. Zusätzlich kooperiert Burson mit Partnern in aller Welt. In Österreich mit der Wiener PR-Agentur Ecker & Partner, die Bell kürzlich zu einem Hintergrun­dgespräch nach Wien lud. Am Rande des Treffens sprach er mit der „Presse am Sonntag“über die Herausford­erungen des Agenturges­chäfts in diesen „unsicheren Zeiten“, wie er sie nennt. Unsicherhe­it sei selten gut für das Geschäft. „Aber die geschickte­n Unternehme­n nehmen solche Herausford­erungen an und su- chen nach neuen Möglichkei­ten.“Klar sei für ihn, dass britische Unternehme­n weiterhin sichere Geschäftsp­artner für Unternehme­n anderer Länder sein werden. „Niemand will seine britischen Kunden verlieren.“Er selbst berät vor allem Unternehme­n und internatio­nale Organisati­onen aus dem Sport- und Finanzbere­ich und achtet derzeit vor allem darauf, dass seine Mitarbeite­r arbeiten können, wo und wie sie wollen.

Über einzelne Kunden möchte er nicht sprechen, aber er sagt, viele seiner Klienten hätten gut auf die Verän- derung reagiert. „Sie haben ihre Verkaufsab­teilungen adjustiert und sich verstärkt auf neuen Märkten umgesehen.“Sehr viele Unternehme­n würden sich nun eher auf Südamerika und Asien, dort vor allem China, konzentrie­ren. „Es geht nicht nur um Europa. Die Welt ist groß.“Er sieht ein starkes Wachstum in Asien. „Wir beobachten einen Anstieg an Kunden aus China. Da kommen plötzlich chinesisch­e Marken auf uns zu, von denen wir noch nie etwas gehört haben und nicht einmal wissen, wie man sie genau ausspricht.“ Leser als Minijourna­list. Auch die Digitalisi­erung sieht Kevin Bell als große Herausford­erung für seine Kunden. Nicht nur, aber vor allem für Medienunte­rnehmen. Die meisten mussten sich schnell darauf einstellen, dass der Kunde König ist. Und dank Internet und Smartphone­s sehr unabhängig ist. „Überlegen Sie einmal, was wir heute alles mit unseren Smartphone­s tun können. Flüge buchen, Taxis bestellen, einkaufen und Medien konsumiere­n.“Medien sollten ihren Lesern nicht nur aktuelle, sondern interessan­te Geschichte­n liefern. Aber mit Artikeln allein könne man Leser nicht automatisc­h zum Zahlen bringen, „die Lösung könnte sein, die Leser einzubezie­hen, sodass sie eine Art Minijourna­list werden und dafür zahlen, Teil von etwas zu sein“. Sein liebstes soziales Netzwerk ist übrigens Twitter. Er schätzt es, Großereign­issen wie den Song Contest zu folgen und nebenbei die amüsanten Kommentare auf Twitter zu lesen.

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Clemens FŻãry Kevin Bell sŻgt, ©ie Stimmung in EnglŻn© sei ©erzeit „optimistis­ch“.
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