Die Presse am Sonntag

»Keine rustikale Sentimenta­lität«

Eine Österreich­er-Community sucht man im Silicon Valley vergeblich. »Wir sind nicht hier, um wieder nur mit Österreich­ern zu reden«, sagt Unternehme­r Marcus Scheiber.

- VON MATTHIAS AUER UND GERHARD HOFER

Wann können wir reden?“„Jetzt.“Markus Wagner ist nicht der Typ für lange Einleitung­en. Kurze SMS und schon geht’s zur Sache. Seit drei Jahren lebt er mit seiner Lebensgefä­hrtin, Laura Rudas, hier. Für Wagner ist es bereits die zweite Staffel einer ziemlich erfolgreic­hen US-Start-up-Serie. Schon 2006 bis Ende 2008 war er hier in der Gegend zwischen San Francisco und San Jose,´ die man gemeinhin Silicon Valley nennt. Zwei Millionen Menschen leben auf dem 200 Kilometer langen Küstenstre­ifen mit neun Flughäfen. Täglich landen hier junge Eroberer mit ihrem Lebenstrau­m. „Und genauso viele ziehen wieder ab“, sagt Wagner. Wagners i5invest berät Unternehme­n, sich hier zurechtzuf­inden, hilft bei Finanzieru­ngen, bringt Menschen zusammen. Woher die 20 Leute in seinem Büro sind? Wagner kommt ins Grübeln. „Zwei sind Amerikaner“, sagt er. „Tatsächlic­h fragt hier keiner, woher du kommst. Wir sind hier von rustikaler Sentimenta­lität befreit.“

„Rustikale Sentimenta­lität“, damit meint Wagner irgendwelc­he Anwandlung­en nationaler Klubs oder Treffpunkt­e. Allerdings gibt es Austrian in San Francisco & Bay Area. Das ist eine Facebook-Gruppe. Knapp 570 Österreich­er sind da registrier­t. Die meisten sind längst schon wieder weg. Ab und zu werden Dinge wie Glühwein-Treffs gepostet. Wie viele Österreich­er im Silicon Valley unterwegs sind? „Weniger als Schweizer, Dänen oder Skandinavi­er“, sagt Wagner. Also gemessen an ähnlich großen Ländern viel zu wenige.

Der wohl mit Abstand wichtigste Österreich­er im Silicon Valley ist Gerhard Eschelbeck. Der 52-jährige Informatik­er aus Linz leitet seit zwei Jahren die 600-köpfige Google-Sicherheit­sabteilung. Nach Kalifornie­n übersiedel­t ist Eschelbeck vor 20 Jahren. Der junge Assistent an der Linzer Uni hatte sein Start-up (und sich selbst) an den Antivirens­pezialiste­n McAfee verkauft. „Ein Jahr schaue ich mir das alles an, dann komme ich zurück“, versichert­e er. Inzwischen ist der Software-Experte auch fernab der Internetwi­rtschaft bekannt – und begehrt. Erst am 17. März holte die Deutsche Bank den Österreich­er in den Aufsichtsr­at. Auch der Tiroler Charly Kleissner ging früh in den Neunzigern an die US-Westküste. Für Apple-Chef Steve Jobs schrieb er ein Betriebssy­stem, das in seinen Grundzügen noch heute in jedem iPhone steckt. Mit dem Börsengang seiner Firma Ariba 1999 – rechtzeiti­g vor dem Platzen der Dotcom-Blase – hatte Kleissner mit einem Schlag mehr Geld, als er je brauchen wird. Seither engagiert er sich für Social Investment­s. Legendäre Valley-Pioniere aus Österreich sind auch Daniel Mattes und Christoph Scharf, die beiden Gründer des Internet-Telefondie­nsts Jajah, der 2009 um 145 Millionen Euro an die spanische Telefonica ging.

Aber wo bleibt der österreich­ische Nachwuchs? Programme und Initiative­n, um heimische Junguntern­ehmer über den Atlantik zu bringen, gibt es genug. Wirtschaft­skammer, Außenminis­terium und private Organisati­onen mühen sich seit Jahren, mit bescheiden­em Erfolg. Zwar kommen viele junge Landsleute auf einen Kurztrip über den großen Teich, wirklich Fuß fassen können nur wenige. „Meist kommen sie drei Monate lang zum Netzwerken. Aber es geht nicht darum, alle Events abzuklappe­rn und den nächsten Mil- lionär anzuhimmel­n“, sagt Marcus Scheiber. Der Softwareun­ternehmer aus Mödling ist seit sechs Jahren in Kalifornie­n, entwickelt mit seinen Unternehme­n (zwei in Österreich, eines in den USA) erfolgreic­h Smart-Home-Lösungen. Programmie­rt wird in der alten Heimat, Geld verdient in der neuen. So wie Laura Rudas brachte das Sloan-Programm der Uni Stanford auch Scheiber ins Silicon Valley. Er kam allerdings schon 2011. Und er mied bewusst den Kontakt zu anderen Landsleute­n. „Wir sind nicht da, um wieder mit Österreich­ern zu reden. Wir wollten etwas Neues erleben.“

Aber auch abseits der Start-up-Szene im Corporate Silicon Valley der Großkonzer­ne sind viele Österreich­er nur auf Durchreise. „Die meisten kommen maximal für drei Jahre“, sagt Richard Grabinger, seit zwölf Jahren im Land und Vice President bei Hitachi Data Systems. In der Zeit „rotten sich alle zusammen“. Aber wer länger bleibe, werde „mehr und mehr amerikanis­iert“, der Kontakt zu anderen Österreich­ern verliert sich rasch. Inzwischen wird Grabinger für einen Franzosen oder für einen Deutschen gehalten.

Länger als drei Jahre hat auch Mario Herger durchgehal­ten. Der ehemalige Entwicklun­gsleiter bei SAP ist fast 15 Jahre in Kalifornie­n. Der Gamificati- on-Experte hat Bücher und ein Kabarett über seine Erfahrung geschriebe­n und organisier­t Touren durch die Startup-Szene. Vor einiger Zeit gründete der Wiener das kalifornis­che Austrian Innovation Center, ein weiteres Netzwerk, das es Neuankömml­ingen aus Österreich erleichter­n soll, mit Geldgebern in Kontakt zu treten.

Schaden kann die Österreich-Connection nämlich auch im Valley nicht. So kam etwa der heute 27-jährige Linzer Junguntern­ehmer Daniel Lang 2013 rasch als Leiter des Tech-Teams bei Talenthous­e unter. Talenthous­e ist die größte Online-Plattform für Künstler. Geschäftsf­ührer und einer der ersten Financiers ist ein Landsmann: der Jajah-Gründer Roman Scharf. Seit einem halben Jahr arbeitet Lang nun mit zwei US-Partnern an einem eigenen Projekt, das Friseuren und Spas mehr Kunden bringen soll.

Aber wer im Silicon Valley Erfolg haben will, muss nicht zwingend Programmie­rer sein. Manchmal reicht es auch zu wissen, was Programmie­rer gern essen. Bestes Beispiel ist der Oberösterr­eicher Matthias Fröschl. Er ist seit gut fünf Jahren mit zwei typisch österreich­ischen Restaurant­s in der Region erfolgreic­h. Bits und Bytes vertragen sich also ganz gut mit Schnitzel und Käsekraine­r.

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Laura Rudas Laura Rudas hat für die „Presse am Sonntag“ein Stück Österreich im Silicon Valley fotografie­rt. Sonst ist dort aber wenig Platz für „rustikale Sentimenta­lität“.
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