Sorgen machen«
Sie selber haben bezüglich Finanzkrise den schönen Vergleich mit dem Krankenhaus und der Intensivstation gezogen. Bezogen auf die Deutsche Bank: In welchem Krankheitsstadium befindet sie sich? Wir sind in der Zwischenzeit schon aus dem Krankenhaus heraußen. Aha!? Sicher – aber wir sind noch rekonvaleszent und können auch noch nicht so schnell laufen wie vorher. Wir werden das Vertrauen nur durch Taten wiedergewinnen können. Daran arbeiten wir hart und das Schritt für Schritt. Das macht nicht jeden Tag Spaß. Aber da müssen wir durch. Nehmen wir die allerjüngsten Ereignisse – die Integration der deutschen Postbank, die so nicht beabsichtigt war, dann die plötzliche Kapitalerhöhung, die am Dienstag gestartet ist und acht Mrd. Euro bringen soll, dann der geplante Börsengang eines Teilsektors. Alles zusammen ist ein großer Strategiewechsel. Können Sie Skeptiker verstehen, die sagen, ein solch erratisches Vorgehen sei nicht gerade vertrauenseinflößend? Ich finde das faszinierend: Da haben viele Beobachter die ganze Zeit gesagt, die brauchen eine neue Strategie. Jetzt hat der Vorstand die Strategie angepasst, und nun sagen dieselben Leute: Wie könnt ihr euch denn jetzt eine neue Strategie geben? Irgendwann muss man überlegen, wie man es gerne hätte. Viele Rechtsstreite sind beigelegt. Was die Vorwürfe der milliardenschweren Geldwäsche für teils sanktionierte Russen betrifft, steht eine Einigung mit dem US-Justizministerium noch aus. Wann rechnen Sie damit? Sie werden sicher verstehen, dass ich dazu nichts sagen möchte. Dieses Thema eignet sich nicht, um es öffentlich zu diskutieren. Eins kann ich allerdings so nicht stehen lassen: Hinweise, dass gegen Sanktionen verstoßen wurde, gibt es derzeit meines Wissens keine. Dann frage ich anders: Haben Sie jetzt, da Donald Trump einige Monate im Amt ist, ein Gefühl dafür bekommen, ob sich das Verhältnis der US-Justiz auch in diesen Fragen ändert? Derzeit sind ja alle zu Recht besorgt darüber, dass Emotionen die Fakten zu übertrumpfen drohen. Wenn wir jetzt versuchen zu beurteilen, wie die neue US-Regierung sich aufstellt, dann sollten wir nicht denselben Fehler machen – sondern erst einmal abwarten. Deutsche Bank, VW – das Aufrollen dieser Fälle geht auffälligerweise immer von Amerika aus. Befinden wir uns in einer Form von Clinch? Wir befinden uns zweifellos in einer Welt, in der nationale Interessen sehr viel robuster definiert und verfolgt werden als früher. Das sollte gerade uns Europäern sehr große Sorgen machen. Denn es wird zunehmend anspruchsvoll, sich zu wehren – gegen die USA mit ihrem Rechtssystem, das sie zunehmend international durchsetzen, gegen China mit seiner Handelspolitik und Russland mit seiner militärischen Ausrichtung. Haben Sie den Eindruck, dass Europa hier allmählich fitter wird? Wir wachen auf, weil wir in vielerlei Hinsicht feststellen, dass wir uns nicht einfach auf andere verlassen können. Die große Frage für Europa ist: Glauben wir, dass wir es uns leisten können, weiter viele nationale Interessen zu definieren? Oder glauben wir, dass wir diese Interessen im europäischen Rahmen angehen müssen. Daran wird sich die Zukunft Europas letztlich entscheiden. Am Ende dieses großen Wahljahres wird sich zeigen, ob Europa mit diesen globalen Herausforderungen umgehen kann. Sind Sie hellhörig, ängstlich, besorgt? Besorgt muss man sein, aber ich bin grundsätzlich ein Mensch, der optimistisch an die Dinge herangeht. Wir ha- ben alle auch eine Verantwortung gegenüber unseren Kindern: Jeder muss im Rahmen dessen, was er tun kann, dagegenhalten, damit wir nicht in eine Situation zurückfallen, wie man sie in der Geschichte immer wieder mal erlebt hat. Wird der Brexit von der Wirtschaft adäquat eingeschätzt? Nein, der Brexit wird massiv unterschätzt, insbesondere in Großbritannien. Die Auswirkungen werden sehr viel dramatischer sein, als sich manche das heute ausmalen. Können Sie das etwas spezifizieren? Die Wirtschaftskraft von Großbritannien ist sehr stark von exportierenden Industrieunternehmen und von der Finanzwirtschaft getrieben. Und die finden sich in einer sehr, sehr schwierigen Situation wieder. Klar, der Tourismus wird nicht beeinträchtigt werden. Aber wie wir in Österreich wissen, sollte man nicht versuchen, nur vom Tourismus zu leben. Also, es wird eine weitaus massivere Abwanderung des Finanzsektors aus London geben, als die Briten das erwarten? Das könnte sowohl im Finanzsektor als auch im Industriebereich der Fall sein. Und Frankfurt wird am meisten gewinnen? Nein, New York wird am meisten gewinnen. Denn die meisten internationalen und amerikanischen Institutionen werden sehr viele der Aktivitäten nach New York zurückholen und können dank der Digitalisierung sehr viel von dort aus erledigen. Also viel gewinnen wird Frankfurt nicht? Sicher werden auch andere Standorte profitieren – und da steht Frankfurt vorn. Hongkong, Singapur könnten aber auch gewinnen. Und Berlin, das für Technologiekonzerne immer attraktiver wird.