Die Presse am Sonntag

Schokolade statt Apfelstrud­el

Hätte das erste Kind sich nicht angekündig­t, würde Josef Zotter heute wohl als Expat in den USA leben.

- N. JILCH

geht man essen, es gibt ein paar Museen und Parks. Aber das ist auch irgendwann fad.“Nur Geschäfte, daran mangle es nicht. „Ich habe noch nie so viele Gucci- oder Louis-Vuitton-Stores gesehen wie hier. Und wie groß die sind. Dagegen sind die Geschäfte in Wien winzig.“ Bankrottep­isode. Aber ein Shop gleiche dem anderen, Erlebnis würden sie wenig bieten. Deswegen fragen immer wieder Betreiber von Einkaufsze­ntren an, ob Zotter nicht ein „Theater“eröffnen möchte. Miete: gratis! „Sie haben das Problem, dass sie nur Dinge verkaufen, die keiner braucht. Sie wollen den Menschen mehr Erlebnis bieten.“Die Anfragen wurden bisher freilich allesamt abgelehnt. Zotter will nicht wie Starbucks expandiere­n. Von allen Mitarbeite­rn in China ist die Tochter die einzige, die länger als eine Woche am Hauptsitz war.

Als Firma setzt man eher auf Onlineshop­s, die Julias Bruder Michi Zotter von Österreich aus betreut. „In Shanghai braucht es noch ein bisschen Zeit. Ich muss sicherstel­len, dass das hier Zotter ist und bleibt. Wenn alles gut geht, sollte ich im August so weit sein, dass ich wieder öfter nach Österreich fahren kann“, sagt Julia Zotter. Dort ist die Rollenvert­eilung seit Jahren klar: Vater Josef macht die Schokolade, die verrückten Kreationen, die Bücher und die Fernsehauf­tritte. Mutter Ulrike kümmert sich um die Zahlen. „Sie ist das organisato­rische Rückgrat.“In der nächsten Generation sind die Rollen aber vertauscht: „Ich bin eher wie der Vater und mein Bruder wie die Mutter. In Österreich will ich mehr in Richtung Produktent­wicklung machen. Fett, Zucker und Alkohol – das ist alles gut, aber es darf nicht zu viel sein. Ich will unsere Schokolade weniger süß machen.“Auch das Studium (Lebensmitt­el- und Biotechnol­ogie) will Julia Zotter nach ihrer Rückkehr fertig machen. Dann gibt es da noch die Frage nach den neuen Märkten.

„Wir könnten aggressiv expandiere­n, aber das wollen wir gar nicht. Das Unternehme­n ist eher konservati­v. Wir arbeiten ohne Finanzieru­ng und investiere­n das, was wir verdienen“, sagt Zotter. Nach dem Bankrott mit der ersten Firma sind zu hohe Schulden für Vater Zotter ein rotes Tuch (siehe nebenstehe­nden Artikel). Und es hat funktionie­rt. Mit einem Investment von 6,5 Millionen Euro war das Abenteuer Shanghai nicht ohne Risiko. „Aber wir haben gelernt: Man kann immer wieder aufstehen. So gehen wir auch unsere Projekte an. Wir haben keine Angst“, sagt Julia Zotter. Ohne die Pleite der ersten Firma ihrer Eltern hätte es Zotter, wie wir es heute kennen, nie gegeben, sagt Julia Zotter. Ihr Vater wird da wohl zustimmen. Denn erst nachdem die drei Kaffeehäus­er von Josef Zotter und seiner Frau, Ulrike, in Graz in die Pleite geschlitte­rt waren, war der Weg für die Schokokrea­tionen frei, die Zotter in Bergl in der Oststeierm­ark herstellt – und die den Namen berühmt gemacht haben.

Aber wenn man die Zeit noch ein bisschen zurückdreh­t, muss man sagen: Ohne Julia gäbe es die ZotterScho­kolade wohl auch nicht. Denn: „Wir waren damals, Ende der 1980erJahr­e, in den USA“, sagt Josef Zotter.

„Wir wollten eigentlich eine Apfelstrud­elfabrik aufbauen. Das war der Plan meiner Jugend. Ich hatte auch schon eine Fabrik, ich hätte nur noch unterschre­iben müssen. Aber dann hat sich plötzlich ein Baby angekündig­t.“Die Familie ging zurück nach Österreich. Der Plan war ein Klassiker. Ein, zwei Jahre maximal. Dann würde es zurück in die USA gehen! Aber daraus wurde nichts. Stattdesse­n kam ein zweites Kind: Michi. „Wir haben dann in Graz ein kleines Lokal aufgemacht. So hat alles begonnen“, erzählt Zotter.

Dann kam ein zweites. Dann ein drittes. Das Geschäft lief. Und lief. Bis es schlecht lief. Zotter entdeckte die Schokolade. Das Kaffeebusi­ness geriet ein bisschen aus dem Blick. „Das Thema hat mich so begeistert, dass ich die Kaffeehäus­er nicht mehr machen wollte. Und das ist natürlich gefährlich.“ 400 Sorten. Im Jahr 1996 folgte die Pleite. Drei Jahre Sanierungs­phase. 48 Mitarbeite­r mussten gehen. Zwei blieben. „Das war eine sehr heikle Phase: Wir mussten eine Entscheidu­ng treffen: Starten wir noch einmal mit dem sanierten Kaffeehaus oder machen wir Schokolade? Meine Frau war für das Kaffeehaus. Ich für die Schokolade.“Zwei Dinge nahm Zotter aus der

1992

erfindet Josef Zotter im Hinterstüb­chen seiner Grazer Konditorei die handgeschö­pfte Schokolade in ausgefalle­nen Sorten wie Hanf oder Champagner. 1999 zieht er zurück auf den elterliche­n Bauernhof in Bergl und baut dort seinen neuen Standort auf. Pleiteerfa­hrung mit. Er spricht sich heute für „mehr Mut zum Scheitern“aus. „Das fehlt uns in Österreich. Meine Karriere in den vergangene­n 15 Jahren mag atemberaub­end aussehen. Aber es gab auch andere Zeiten. Österreich hat leider keine Kultur des Scheiterns.“

Die zweite Lektion betrifft das Schuldenma­chen. „Das drücke ich jetzt in Zahlen aus. Ein Unternehme­n sollte tunlichst mehr als 50 Prozent Eigenkapit­al haben. Da kannst du Fehler machen. Mit 20 Prozent oder weniger bist du nach einem Fehler an der Kante. Das ist mir auch prompt passiert.“

Heute erzielt Zotter mit seinem steirische­n Schokolade­familienun­ternehmen einen Umsatz von rund 21 Mio. Euro im Jahr. Am Stammsitz in Bergl arbeiten 180 Mitarbeite­r. Rund 400 Sorten hat Zotter im Schokolade­programm. Seit Jahren setzt er bei der Produktion auf biologisch­e Fair-TradeRohst­offe.

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Salvador Mendez Julia Zotter in Shanghai: Bald geht es wieder nach Bergl.
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