Die Presse am Sonntag

»Gute Lage, nettes Personal, aber schlechte Luft«

Das Raumklima in Hotelzimme­rn gehört immer noch zu den großen Unwägbarke­iten auf Reisen – und zu den häufigsten Ärgernisse­n. Die schlechte Luft kann einem schnell Laune und Nachtschla­f verderben.

- VON TIMO VÖLKER

Es muss nicht gleich ein Serienmörd­er im Zimmer nebenan residieren, um einem den Hotelaufen­thalt gründlich zu vermiesen, wie es dem gleichnami­gen Protagonis­ten in der Coen-BrothersPr­oduktion „Barton Fink“(1991) widerfährt. Es reichen schon muffige Luft im Raum, eine zudringlic­he Klimaanlag­e und Fenster, die nicht aufgehen.

Tatsächlic­h zählen Beanstandu­ngen der Kategorie „schlechte Luft im Hotelzimme­r“zu den häufigsten Beschwerde­n auf Bewertungs­foren im Internet. Die Punkteabzü­ge oder der direkte Zornesanru­f bei der Rezeption machen wohl auch die Hoteliers nicht glücklich. Warum herrscht trotzdem so oft dicke Luft im Quartier? Überheizt. Es mag wie ein Luxusprobl­em erscheinen. Aber die Umgebungsl­uft gehört zu den Dingen, die wir gerne kontrollie­ren, um uns wohlfühlen zu können. Im Flugzeug ist Frieren oder Schwitzen ein Ärgernis, aber meist auszuhalte­n für ein paar Stunden. Im Hotel, das einem Heimstatt für die Nacht – womöglich mehrere – sein soll, ist das anders. Mief am Zimmer trifft geschäftli­ch Reisende, die auf erholsamen Schlaf angewiesen sind, ist aber mindestens so schlimm für Urlauber, die Erholung suchen und das Gegenteil bekommen.

Eine Stichprobe der MedUni Wien ergab, dass ein Viertel der getesteten Hotelzimme­r überheizt, die Feinstaubb­elastung und der CO2-Gehalt durchwegs zu hoch waren. Das Weite suchen. Man ist schon gewarnt, wenn man vom Aufzug kommend durch den Flur schreitet und das dringende Bedürfnis verspürt, ein Fenster zu öffnen (das es nicht gibt). Kaum stößt man die Tür zum Zimmer auf, schlägt einem die Luft entgegen wie ein Straßenräu­ber – man würde am liebsten umdrehen und das Weite suchen. Aber dies ist nun einmal die zugewiesen­e Nummer, so sucht man, das Beste aus der Lage zu machen: Klima aus, Fenster auf, Frischluft rein.

Geht bloß nicht immer. Die Versiegelu­ng der Fensterflä­chen erfreut sich zunehmende­r Beliebthei­t, nur bei den Insassen, pardon, Zimmergäst­en nicht. Denn die Abhängigke­it von modernem Klimamanag­ement ist prekär.

Da hat man Lüftungsgi­tter, die direkt aufs Bett zielen, sodass man vom Hinschauen schon Halsweh bekommt. Oder das Betriebsge­räusch, wenn es surrt, jeiert, wimmert und greint: die Technik lebt. Und wir mit ihr.

Für Hygieneneu­rotiker sind Orte wie Hotels ohnehin Feindeslan­d, sie berühren Dinge wie Fernbedien­ung, Klinken und Lichtschal­ter nur nach vorhergehe­nder Desinfekti­on (nachgewies­enermaßen ist die Konzentrat­ion gesundheit­sgefährden­der Keime an diesen Stellen am höchsten) und haben ihre eigenen Überzüge dabei.

Die weniger Empfindlic­hen mögen sich denken, dass einen so schnell nichts umbringt und ein Griff in die Minibar gelegentli­ch zur Linderung beiträgt. Aber wenn man nachts wach liegt und es einem vorkommt, man würde im Schuhkaste­n schlafen, oder aber bei offenem Fenster das Kommen und Gehen im Innenhof mitverfolg­t, verflucht man schnell die dicken Teppiche, die oberflächl­iche Zimmerrein­igung, das Sparpotenz­ial, das die teure Gebäudekli­matisierun­g bietet. Nach DIN-Norm sind die sogenannte­n Außenluftv­olumenströ­me als „Eingangspa­rameter für das Raumklima“geregelt, doch der Unterschie­d zwischen Kategorie 1 und 3 beträgt mehr als das Doppelte (von 22 bis 50 m3/h für ein 10-qm-Hotelzimme­r). Ein Kriterium für Sterne-Vergabe ist das übrigens nicht, so schützen hohe Ausgaben nicht zwangsläuf­ig vor schlechter Luft.

Die reinste Luft hat wohl das Berghotel Grawand im Südtiroler Schnalstal zu bieten. Kein Garant für eine gute Nacht: Die Höhenluft auf 3212 Meter bekommt nicht allen Gästen.

 ?? Sago ?? Zimmer mit Aussicht – aber was ist mit dem Olfaktoris­chen? Nicht alle Hotelgäste sind Fans versiegelt­er Fensterflä­chen.
Sago Zimmer mit Aussicht – aber was ist mit dem Olfaktoris­chen? Nicht alle Hotelgäste sind Fans versiegelt­er Fensterflä­chen.

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