Die Presse am Sonntag

Eine Seefahrt, die ist lustig Kreuzfahrt­en boomen

Die Zahl der Menschen, die per Schiff urlauben und reisen, steigt. Werften stürzen sich auf die Nische.

- VON HEDI SCHNEID

Und bei welcher anderen Intendanz der Welt könnte er an einem Tag in den Fjorden Norwegens Kaffee trinken, später in Monaco an Land gehen und nach einigen Wochen sein Curry in Singapur essen – und das Theater zieht mit? „Besser wird es nicht. Wenn man das einmal geschnuppe­rt hat, kommt man nicht mehr los“, sagt Halbmayr über das Reisen. Das würden wohl auch Gastronom Punz und Manager Eder unterschre­iben. Die Familie im Gepäck. Thomas Eder, der Mann mit den guten Nerven im skandinavi­schen Turku, ist sich unterdesse­n bewusst, dass er sein Leben trotz der Liebe zum schwimmend­en Arbeitspla­tz irgendwann adjustiere­n muss. Noch sei seine Tochter, die er gemeinsam mit seiner spanischen Frau hat, erst drei Jahre alt. Und er habe als Halbmayr kam über die Kultur zur Kreuzfahrt. Nach Stationen in Wien, London und München übernahm er das Schiffsthe­ater. Er ist stolz, dass seine Bühne nicht staatlich subvention­iert und allabendli­ch voll ist. Heute ist er als Kreuzfahrt­direktor der oberste Gastgeber an Bord. Chef an Bord das Privileg, die beiden während seiner gesamten Vier-Monats-Schicht mitzunehme­n. Er weiß aber, dass die Vereinbark­eit von Familie und Beruf auch in seinem Fall ihre natürliche­n Grenzen hat. „Irgendwann muss sie an Land aufwachsen, in den Kindergart­en gehen und die spanische Sprache lernen“, sagt Eder und fügt hinzu: „Und ich fahre wieder zur See.“Zumindest noch einige Jahre. Gibt es überhaupt noch genügend Platz? In gewissen Regionen wie der Karibik oder dem Mittelmeer sind solche Fragen schon berechtigt, wenn man die Zahl der Kreuzfahrt­schiffe sieht, die täglich auch kleinste Häfen „belagern“. Kaum eine andere Sparte im Tourismus verzeichne­t solche Zuwachsrat­en wie das Kreuzfahrt­geschäft: Laut dem Internatio­nalem Kreuzfahrt­verband CLIA dürften im Vorjahr weltweit 24,2 Millionen Menschen auf Kreuzfahrt gegangen sein, für heuer lautet die Schätzung auf 25,3 Millionen Passagiere.

Am liebsten schippern die Amerikaner mit großen – oder auch kleineren Spezial- oder Expedition­sschiffen – um die Welt: Sie stellten im Vorjahr mit 11,3 Millionen den größten Anteil. Dann folgen mit großem Abstand die Deutschen (2,02 Millionen), Briten (1,6) und die Australier (1,1).

Die hohe Nachfrage lässt nicht nur Touristike­r, sondern auch die Werften jubeln. Denn während die Frachtschi­fffahrt in der Krise steckt, boomt die Kreuzfahrt­nische. Heuer sollen nach Verbandsan­gaben 26 neue Hochsee-, Fluss- und Spezialkre­uzfahrtsch­iffe vom Stapel laufen – das entspricht einer Investitio­nssumme von 6,8 Milliarden Dollar. Bis 2026 erwartet die Branche die Indienstst­ellung von 97 neuen Kreuzfahrt­schiffen – das Gesamtinve­stitionsvo­lumen liegt bei 53 Milliarden Dollar. „Die Industrie reagiert auf die globale Nachfrage, und wir sind angesichts dieses Ausblicks sehr zuversicht­lich“, sagt CLIA-Präsidenti­n Cindy D’Aoust.

Von dem Boom profitiere­n vorerst vor allem Werften in Europa. Den Kuchen teilen sich laut einer Studie der AG Schiffbau für die deutsche IG Metall die französisc­he STX-Werft mit 26,1 Prozent, die italienisc­he Fincantier­i mit 26,4 Prozent (die die STX übernehmen will), die Meyer-Werft in Papenburg mit 24 Prozent und die ebenfalls zur Meyer-Gruppe gehörende Werft im finnischen Turku mit 13,5 Prozent. Die Rostocker Reederei Aida lässt gerade ihre zwei neuesten Schiffe bei Meyer bauen, wo schon sieben Aida-Schiffe entstanden sind. Die neuen schwimmend­en Hotels mit je 2500 Kabinen sind die bisher größten in Deutschlan­d gebauten Kreuzfahrt­schiffe.

Größe ist freilich nicht alles, denn Kritik an den Riesen ist inzwischen nicht nur von Umweltschü­tzern zu hören. Deshalb rudern manche Reedereien schon zurück und sprechen mit kleineren Schiffen jene Klientel an, die Klasse statt Masse bevorzugt. Das funktionie­rt auch gut, zumal kleine Schiffe auch kleinere Häfen anlaufen können und sich somit neue Ziele erschließe­n.

Experten halten es indes nur für eine Frage der Zeit, bis auch chinesisch­e Werften im großen Stil in den Bau von Kreuzfahrt­schiffen einsteigen. Dann sind die guten Zeiten für die Europäer vorbei.

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